Francis Parker Yockey
CHAOS oder IMPERIUM?
Das Abendland zwischen Untergang und Neubeginn
- LESEPROBE -
Veröffentlichungen des Instituts für Nachkriegsgeschichte
BAND VIII
In Verbindung mit zahlreichen Gelehrten des In- und Auslandes herausgegeben von Dr. habil. Herbert Grabert
Aus dem Englischen übersetzt von Ursula von Gordon
1976
GRABERT-VERLAG-TÜBINGEN
Internationale Standard-Buchnummer ISBN 3 87847 033 9
DEM HELDEN DES ZWEITEN WELTKRIEGES GEWIDMET
INHALTSVERZEICHNIS
Erstes Kapitel
Die Geschichtsauffassung des 20. Jahrhunderts Perspektiven
Zweites Kapitel
Die politische Auffassung des 20. Jahrhunderts
Drittes Kapitel
Kulturvitalismus
I. Die gesunde Kultur
Viertes Kapitel
Amerika
Fünftes Kapitel
Die Weltlage
Dieses umfassend angelegte und allein schon wegen seiner welthistorischen Perspektiven besonders aufschlußreiche Werk ist ein ebenso flammender wie beschwörender Aufruf, das gesamte Abendland zur Frontbildung und Abwehr des immer weiter westwärts vorrückenden Ostens zu aktivieren. Obwohl es spezifisch amerikanische Züge trägt, steht es Amerika, vor allem den maßgebenden jüdischen Führungskreisen, mit offener Kritik gegenüber, wie sie im europäischen Raum seit 1945 kaum noch als politischer Faktor anzutreffen ist. Ob Yockeys Inhaftierung und sein Gefängnistod mit dieser Kritik zusammenhängen, kann nicht ausgeschlossen werden. Auf jeden Fall ist für den europäischen Leser das Kapitel über Amerika von besonderer Bedeutung, zumal da es kritische Einwände und Zweifelsfragen enthält.
Von noch größerem Interesse ist die Tatsache, daß dieser Früh vollendete Europa als Nation, Reich und Imperium im Zusammenhang mit der Zukunft der weißen Rasse und ebenso deutlich die Weltgefahr aus dem Osten immer näher kommen sieht. So ruft er den Westen zur Selbstbesinnung und Bildung einer Phalanx gegen den Osten auf. Bemerkenswert ist, daß für den Verfasser die Rassenfrage keine Frage der Anthropologie, sondern eine Sache des Lebensstils und des Instinktes ist. Rasse im objektiven Sinn bedeutet für ihn die geistig-biologische Gemeinschaft einer Gruppe, für die die Geisteshaltung der wichtigste Rassenfaktor ist. Waren Spenglers »Welthistorische Perspektiven« schon von brillanter Form und kühner Konzeption, so zeigt sich Yockey in seiner Nachfolge als nicht minder genialer Universalhistoriker von ungewöhnlichem Ausmaß, wie allein die kurzgefaßte Geschichte der USA von der Lossagung von England bis zum Zurückdrängen der Indianer nach dem Westen beweist. Wie diese Geschichte zeigt, tritt Amerika schon bald als Weltmacht in Erscheinung und um 1900 ist seine militärische Einflußsphäre größer als die der europäischen Mächte mit Ausnahme Englands. So entfaltete sich das US-Kolonialreich aus dem imperialistischen Instinkt heraus. Der Sezessionskrieg war Amerikas einziger Krieg innerhalb von hundert Jahren. »Nie zuvor hatte eine imperiale Macht soviel Land und Einfluß mit sowenig Blut gewonnen.« Das ist für Yockey der Grund, weshalb Amerika nie ein politisches Bewußtsein entwickelt hat. »Es gab kein politisches Genie, da es keine Politik gab, sondern nur unsaubere persönliche Kämpfe um Posten und Bestechungsgelder... Das war die Schwäche des amerikanischen Imperialismus: Kein Plan, keine Tradition, keine politische Linie, kein Ziel, keine Organisation.« Ein wahrhaft tiefer Einblick in inneramerikanische Spannungs- und Lebensverhältnisse! Yockeys Hoffnung ist, daß das schlafende Heldentum der amerikanischen Nation trotz der. Kulturentstellung durch eine landfremde Minderheit wiedererweckt werden wird. »Das Zeitalter der absoluten Politik wird das wiedererwecken, was an Schöpferischem im amerikanischen Menschenschlag in Gestalt einzelner Führer noch vorhanden ist.« Was bleibt ist der Bürgerkrieg, und zwar: 1. der Rassenkrieg zwischen Negern und Weißen 2. der Klassenkampf der Gewerkschaften gegen die Manager 3. der Finanzkrieg der Gelddiktatoren 4. der Kampf auf Leben und Tod zwischen der »kulturverderbenden« Minderheit und dem amerikanischen Volk. Ob dies in Form einer Evolution oder einer Revolution sich vollziehen wird, ist nicht vorhersehbar. So kommt Yockey zu einer harten, doch stets begründeten Kritik an dem total überfremdeten, nur einer internationalen Clique unterworfenen Amerika. Seine wichtigste Zielsetzung bleibt jedoch im Hinblick auf die Gefahr aus dem Osten die Schaffung des abendländischen Reiches, des Imperiums Europa. Diese Zielsetzung bringt der Titel des Werkes zum Ausdruck. Er ist Fanal und Imperativ zugleich.
Dr. habil. Herbert Grabert
Drittes Kapitel. Kulturvitalismus
Kultur-Pathologie
Alle vier Formen des Lebens – Pflanze, Tier, Mensch, Hochkultur – weisen die organische Regelmäßigkeit von Geburt, Wachstum, Reife, Erfüllung und Tod auf. In jeder Form ist das Wesen der weniger vervollkommneten, weniger gegliederten Form enthalten, und die neue Seele ist sozusagen der Oberbau auf der allgemeinen Grundlage. Die Pflanze ist eng mit den kosmischen Rhythmen verbunden, sie ist gewissermaßen ein Teil der Landschaft. Das Tier ist über eine bestimmte Landschaft verteilt und verdankt seiner Verbundenheit mit kosmischen Rhythmen die Unmittelbarkeit des Instinkts; aber es ist schon eine Welt für sich. Der Mensch ist geistig und materiell an den Boden gebunden; er hat die Instinkte des Raubtiers, und im Rhythmus von Schlafen und Wachen zeigt sich die wechselweise Vorherrschaft des spannungslosen Pflanzenelements. Eine Hochkultur ist pflanzenhaft in ihrer Bodenverbundenheit, die vom Anfang bis zum Ende ihres Daseins währt; tier artig in ihrer unbarmherzigen Vernichtung anderer Lebensformen; menschenartig in ihrer Geistigkeit; und neuartig in ihrer Fähigkeit, das Menschenleben zu verwandeln, in der Länge ihrer Lebensdauer und in der Eindringlichkeit ihres Schicksals.
Zu allem Lebendigen gehören sowohl Krankheit als auch Gesundheit. Es gibt eine Pathologie der Pflanzen, der Tiere, des Menschen und ebenso eine Pathologie der Hochkulturen, die jedoch erst von dem neuen Zeitalter mit seinem unbestechlichen Blick für Tatsachen erkannt wurde. Die Krankheitserscheinungen richten sich nach dem Organismus; also können Pflanzen keine Leberleiden und Hunde keine Psychosen haben. Aber dieser Prozeß wirkt sich nach oben aus, genau wie die Ebenen des Lebens, indem dieses an Vielfalt zunimmt, sich übereinan-derschichten. Somit findet sich das Schmarotzertum, eine Krankheitserscheinung der Pflanzen, auch bei den höheren Lebensformen. Das Wachstum einer Pflanze kann durch ungünstige Bedingungen beeinträchtigt werden wie auch die Entwicklung eines Tieres durch eine Einwirkung von außen behindert werden kann. Schwächere menschliche Organismen können in ihrer geistigen Entwicklung gehemmt werden durch den beherrschenden Einfluß, den willensstärkere Menschen auf ihre Seele ausüben.
Eine Pathologie der Hochkulturen gab es natürlich nicht für eine wissenschaftliche Methode, deren grundlegendes Dogma war, daß das Leben mechanisch sei, der Mensch ohne Seele und daß es für die Bewußtheit eine chemische Formel geben müsse. Für diese Anschauung, die Gott und die Seele verneinte, war Hochkultur ein Abstraktum für die gemeinsamen Bemühungen einzelner Menschen. Eine Nation war eine Ansammlung von Individuen mit nur mechanischen Beziehungen; Wirtschaft und »Glück« waren der ganze Lebensinhalt. Diese Anschauung konnte das Leben nicht verstehen. Sie brachte eine kaum für Tiere ausreichende Psychologie hervor und nannte sie Psychologie des Menschen. Sie machte die dürre Intelligenz zum Mittelpunkt der Innenwelt und verneinte die mystische Natur menschlicher Schöpferkraft.
Diese Ansicht war selbst das Produkt eines bestimmten Zeitalters, des Zeitalters des Rationalismus, und mit dem Dahinschwinden dieser vorgefaßten Meinung stehen wir vor einer neuen Welt, einer Welt der seelischen Beziehungen, in die einzudringen den letzten beiden Jahrhunderten verwehrt war. Der Materialismus, der nur die Resultate sieht und nicht das unsichtbare Schicksal, das sie herbeiführte, sagte, daß die Resultate das Wichtigste seien und die Seele ein Nichts. Indem er die unsichtbare Notwendigkeit, die alles Organische und seine Beziehungen zum Kosmos beherrscht, nicht erfaßte, kam er, aus hundert verschiedenen Gründen, zu dem Schluß, daß das Leben ein Zufall sei. Aus all diesen interessanten Gründen sei einer herausgegriffen: der Staub, der in der Luft enthalten ist. Die Denker in den Laboratorien entdeckten, daß, wenn die Luft keinen Staub enthielte, kein Leben möglich wäre. Es kam ihnen nie der Gedanke, daß das Leben und alle andern Erscheinungen in geheimnisvoller Notwendigkeit miteinander verbunden sind. Indem sie alles und jedes getrennt behandelten, immer kleinere Dinge einer immer genaueren Analyse unterzogen, verloren sie jede Verbindung zur Wirklichkeit und waren erstaunt, wenn sich Zusammenhänge herausstellten. Es konnte das, nach Ansicht dieser tiefschürfenden Denker, nichts als ein Zufall sein.
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Unser Ausgangspunkt sind die Bedingungen des Lebens. Nicht die Bedingungen allen Lebens, sondern nur die der besonderen Lebensform, die Hochkultur genannt wird.
Jede Art von Lebensform hat ihre eigenen idealen Bedingungen. Manche Pflanzen brauchen viel Wasser, andere wenig; manche wachsen in Salzwasser, andere haben frisches Wasser nötig. Tiere haben einen Standort; jede Spezies hat ihre eigenen Gebiete, die ihnen die für ihre Gesundheit und ihren Fortbestand erforderlichen Bedingungen bieten. Auch die verschiedenen Menschenarten haben die ihren Lebensbedürfnissen entsprechenden Landschaften. Jede Lebensform und jeder Organismus hat ein gewisses Anpassungsvermögen. Eine Pflanze kann, wenn das auch ihre Leistungsfähigkeit herabsetzt, mit weniger Wasser, als sie eigentlich braucht, auskommen. Aber wenn sie weniger als das Mindestmaß erhält, dann stirbt sie: die Grenze der Anpassungsfähigkeit ist erreicht. Menschen können in der Luft der Täler und in der dünneren Luft des Hochgebirges leben. Der menschliche Körper paßt sich den Bedingungen des Gebirges an, indem er Brustumfang und die Lungenoberfläche vergrößert. Aber diese Anpassungsfähigkeit ist nicht unbegrenzt, und bei einer gewissen Dünne der Luft ist ihre Grenze erreicht.
Bei der Behandlung dieses Gegenstandes ist nur eine für das Verstehen des Wesens der Kulturerscheinungen unbedingt nötige Darstellung der Grundbegriffe beabsichtigt – als Grundlage für die Tat. Wir befassen uns hier mit Politik, nicht mit Geschichts- oder gar Naturphilosophie. Das Fachgebiet der Kulturpathologie ist verhältnismäßig jung. Was im Jahre 2100 eine vollständige Disziplin sein wird, ist heute nur ein Abriß, und dies hier ist noch weniger als ein Abriß. Aber die Politik kann nicht von der Kultur getrennt werden, und jede Bemühung, die an diesem Wendepunkt den für die westliche Politik notwendigen Weg erhellt, ist historisch und kulturell gerechtfertigt.
Eine Hochkultur unterscheidet sich dadurch von andern Organismen, daß sie ihre stofflichen Manifestationen durch niedrigere Organismen, nämlich den Kulturmenschen, verwirklicht. Ihr Leib ist eine riesige Anhäufung von vielen Millionen von Menschenkörpern in einer bestimmten Landschaft. Es leuchtet ein, daß es eine Frage der physischen Anpassung für die Kultur nicht gibt, nur eine der geistigen Anpassung. Auch kann sie nicht physische Krankheiten haben wie die Menschen. Eine Krankheit der Kultur kann nur ein geistiges Phänomen sein.
Jede Lebensäußerung, einschließlich der Krankheit, ist ein Geheimnis. Manche Menschen ziehen sich eine Krankheit zu, wenn sie mit gewissen Mikroorganismen in Berührung kommen; andere reagieren überhaupt nicht auf diese. Ein Serum kann einem Menschen helfen, den andern bringt es um. Man kann solche Krankheitserscheinungen als Anpassungsunfähigkeit auslegen, aber der letzte Grund, warum für eine Art oder ein Einzelwesen die Grenze der Anpassungsfähigkeit gerade hier liegt, wird nie erforscht werden. Und so ist es auch mit Kulturen. Warum die Seele einer Kultur ihre Reinheit und Individualität bewahrt, bleibt uns verborgen. Nichtsdestoweniger folgt sie ihrem eigenen inneren Lebensgesetz und kann nicht der Lebensbahn folgen, die ein anderes Lebensgefühl, dessen Antrieb kulturfremden Quellen entspringt, ihr vorschreiben will.
Das Fach der Kulturpathologie ist zu umfangreich, als daß es hier behandelt werden könnte; es wird in den kommenden Jahrhunderten viele Bände füllen. Für die auf die Tat gerichtete Anschauung des 20. Jahrhunderts ist nur nötig, drei Erscheinungen innerhalb dieses weiten Feldes der Kulturpathologie zu verstehen, nämlich Kulturschmarotzertum, Kulturreaktion und Kulturentstellung. Diese drei Kulturkrankheiten finden sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts im Westen, und zwar seit geraumer Zeit. Nur dieser Krankheitszustand der westlichen Zivilisation macht die gegenwärtige Weltlage möglich – gegenwärtig bezieht sich auf die beiden Weltkriege und ihre furchtbaren Nachwirkungen. Das Gebiet der westlichen Zivilisation ist die Heimat der besten Köpfe und der stärksten Charaktere auf dieser Welt, der intensivsten sittlichen Kraft, unvergleichlicher technischer Erfindungsgabe und des einzigen positiven hohen Schicksals; doch trotz der Tatsache, daß all das die größte Machtkonzentration der Welt darstellt, ist die westliche Zivilisation heute nur ein Objekt der Weltpolitik, die Beute plündernder Mächte von außerhalb. Diese Lage wurde nicht durch militärische Gewalt herbeigeführt, sondern durch die gefährliche Erkrankung der Kultur.
Kulturschmarotzertum
In dem Kapitel über das Wesen der Politik wurde die Beeinflussung der Staatsgeschäfte durch die persönlichen Gefühle einzelner Schmarotzerpolitik genannt. Als Beispiel wurde die Pompadour angeführt, die Frankreich in einen Krieg gegen Friedrich den Großen stürzte, weil er sie vor ganz Europa mit einem wenig schmeichelhaften Namen bedacht hatte. In diesem Krieg verlor Frankreich sein Kolonialreich an England, weil es in Europa focht und für diesen örtlichen Krieg mehr Anstrengungen unternahm als für den imperialen Krieg in Übersee. Das ist das übliche Resultat einer Schmarotzerpolitik.
Eine Nation ist eine Idee, aber sie ist nur ein Teil der großen Idee der Kultur, die sie im Verlauf der eigenen Verwirklichung erschafft. Aber ebenso wie eine Nation Gruppen und mächtige Einzelpersonen einschließen kann, die sich in ihrem Denken nicht an die Erfüllung der nationalen Idee gebunden fühlen, so auch die Kultur. Schmarotzerpolitik in einer Nation kennt jedermann, und man durchschaut sie, wenn man ihrer gewahr wird. Als der Grieche Kapodistrias russischer Außenminister war, erwartete niemand von ihm, daß er eine antigriechische Politik betreiben werde. Während des Boxeraufstands in China dachte keine der Westmächte daran, einem chinesischen General ein Kommando zu übergeben. Im Krieg gegen Japan (1941-1945) verwandten die Amerikaner keine ihrer japanischen Wehrpflichtigen, und Europa sah in den ersten beiden Weltkriegen ein, daß es nicht slawische Böhmen gegen Rußland einsetzen konnte. Amerikanische Generäle würden es nicht wagen, ihre Mexikaner gegen Mexiko oder ihre Neger gegen Abessinien einzusetzen. Und in einer Zeit der Kriegsvorbereitungen gegen Rußland würde man in Amerika niemand, der als Anhänger Rußlands bekannt ist, ein einflußreiches Amt anvertrauen oder gar die Regierung ganz russischen Einwanderern überlassen. Denn es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß eine Gruppe bleibt, was sie ist, auch wenn sie in eine andere Gruppe aufgenommen wird, – außer wenn sie sich völlig assimiliert; das gleiche gilt für einen einzelnen Menschen. Assimilation ist der Tod einer Gruppe als Gruppe. Der Blutstrom der sie bildenden Einzelpersonen dauert fort, aber die Gruppe – die als Gruppe fremd bleibt – ist verschwunden.
Bei unserer Untersuchung der Rasse sahen wir, daß Leibesunterschiede kein Hindernis für die Assimilation sind, aber wohl die von der Kultur gesetzte Schranke. Beispiele dafür sind die Baltendeutschen und Wolgadeutschen, die im primitiven Rußland auf sich angewiesen waren, die Chinesen und Japaner in Amerika, die Neger in Amerika und Südafrika, die Briten und die Parsen in Indien, die Juden in der abendländischen Zivilisation und in Rußland und die Hindus in Natal.
Kulturschmarotzertum entsteht auf dieselbe Weise wie Schmarotzertum in der Politik. Ein Schmarotzer ist einfach ein Lebewesen, das im oder auf dem Körper eines andern Lebewesens und auf dessen Kosten lebt. Es hat zur Folge, daß ein Teil der Energie des Wirtes in eine seinem Wohl abträgliche Richtung gelenkt wird. Das ist ganz unvermeidlich: wenn die Energie eines Organismus für etwas anderes als seine eigene Entwicklung verausgabt wird, so wird sie verschwendet. Schmarotzertum wirkt sich zwangsläufig für den Wirt schädlich aus. Der Schaden nimmt im gleichen Maße zu wie Wachstum und Ausbreitung des Schmarotzers.
Jede Gruppe, die am Kulturgefühl keinen Anteil hat, aber innerhalb des Kulturkörpers lebt, bedeutet notwendigerweise einen Verlust für die Kultur. Solche Gruppen bilden sozusagen Zonen unempfindlichen Gewebes im Kulturkörper. Eine solche Gruppe wirkt, indem sie außerhalb der historischen Notwendigkeit, außerhalb des Schicksals der Kultur steht, gegen dieses Schicksal – davor gibt es kein Entrinnen. Diese Erscheinung hängt in keiner Weise vom menschlichen Willen ab. Der Schmarotzer ist geistig außerhalb, aber physisch innerhalb des Wirtsorganismus, und die Auswirkungen auf diesen sind sowohl in physischer als auch in geistiger Hinsicht verderblich.
Die erste physische Auswirkung nichtbeteiligter Gruppen innerhalb des Kulturkörpers ist, daß die Zahl der Kulturbevölkerung dadurch vermindert wird. Die Angehörigen der fremden Gruppe nehmen den Platz von Menschen ein, die der Kultur angehören und die folglich nie geboren werden. Die Zahl der Kulturbevölkerung wird künstlich um die Zahl der schmarotzenden Gruppe verringert. Eine der zahlreichen Wirkungen des Schmarotzertums bei Tier und Mensch ist der Nahrungsverlust, den der Wirtsorganismus erleidet – das Kulturschmarotzertum ist eine analoge Erscheinung. Indem er die Zahl der Menschen der Kultur vermindert, entzieht der Kulturschmarotzer der Kultur die einzige Form materieller Nahrung, die sie benötigt – eine beständige, ihrer Lebensaufgabe angemessene Zufuhr von menschlichem Stoff. Erst im Lichte neuerer Untersuchungen über Bevölkerungstrends hat man diese für die Fortpflanzung nachteilige Auswirkung von Einwanderergruppen festgestellt. Aus einer vergleichenden Untersuchung über amerikanische Bevölkerungstrends ging hervor, daß die 40 Millionen Menschen, die von 1790 bis heute aus andern Erdteilen nach Amerika einwanderten, die Bevölkerung Amerikas gar nicht vermehrten, sondern nur ihre Zusammensetzung änderten. Eine überpersönliche Idee muß ihre schicksalhafte Lebensaufgabe erfüllen, und wenn das eine Bevölkerung von bestimmtem Umfang und einer bestimmten Wachstumsrate erfordert, so werden diese Menschenzahl und diese Wachstumsrate entstehen.
Der Materialismus sah sich den Gegebenheiten der Bevölkerungstrends gegenüber, ohne sie sich erklären zu können. Diese Gegebenheiten zeigten einen allmählichen Bevölkerungszuwachs der europäischen Nationen, der dann rasch zu einem Höchststand anstieg, sich auf diesem eine Weile hielt und langsam wieder abnahm. Die diese Bewegung der Nationen beschreibende Kurve – es ist in jedem Fall ungefähr die gleiche – beschreibt auch, wie wir sehen werden, die Bevölkerungsbewegung einer hohen Kultur. Zu dem Zeitpunkt, da eine Hochkultur in die Zivilisation übergeht, nimmt die Bevölkerungszahl rapide zu und erreicht Zahlen, die alles Frühere weit übertreffen. Derselbe Zeitgeist, der die ganze Energie der Kultur nach außen auf Industrialismus und Technik, große Revolutionen und Kriege, auf unbegrenzten Imperialismus richtete, rief auch diese Menschenzahlen ins Leben. Die Lebensaufgabe der westlichen Zivilisation ist die gewaltigste, die die Welt je gesehen hat, und zu ihrer Vollendung braucht sie diese große Anzahl Menschen.
Schmarotzende Gruppen sind kulturell für die Idee nicht verwendbar. Sie verbrauchen die Energie der Kultur nach innen und unten. Solche Gruppen sind schwache Punkte im Körper der Kultur, und die Gefahr innerer Schwäche wächst proportional zur äußeren Bedrohung der Kultur. Als im 16. Jahrhundert die Fortdauer des Abendlandes durch die Türken gefährdet war, wäre es jedem Europäer völlig klar gewesen, daß große Gruppen von Türken im Innern – hätte es diese gegeben – eine ernste Bedrohung dargestellt hätten.
Eine zweite an der Substanz der Kultur zehrende Auswirkung des Kulturschmarotzertums ist die innere Reibung, die sein Vorhandensein notwendigerweise erzeugt. Um die Zeit Christi befand sich im Körper der arabischen Kultur eine große Anzahl Römer, die auf der Stufe der späten Zivilisation, vollständiger Veräußerlichung, standen, während die heimische aramäische Bevölkerung auf der Stufe der frühen Kultur stand. Die dadurch hervorgerufene nationale, rassische und kulturelle Spannung gipfelte schließlich 88 v.Chr. in dem Blutbad, dem 88000 Römer zum Opfer fielen. Das führte zu den mithridatischen Kriegen, in denen in 22jährigen Kämpfen Hunderttausende umkamen. Unserer Zeit näher sind die Spannungen zwischen Weißen und Chinesen in Kalifornien während des 19. und 20. Jahrhunderts, die gegenseitige Verfolgung, Haß, Aufruhr und blutige Ausschreitungen zur Folge hatten. Die Negerbevölkerung in Amerika wie auch in Südafrika gab Veranlassung zu ähnlichen Ausbrüchen von Haß und Gewalt auf beiden Seiten.
Alle diese Vorfälle sind Anzeichen von Kulturschmarotzertum, vom Vorhandensein einer Gruppe, die total außerhalb der Kultur steht. Diese Erscheinungen haben auf beiden Seiten nichts mit Haß oder Böswilligkeit zu tun, wie die analytische rationalistische Auffassung annahm, die auf beiden Seiten nur Gruppen von Individuen sah. Wenn diese sich gegenseitig totschlugen, so war es eben in dem Augenblick ihr spezieller Wunsch, einander umzubringen. Der Rationalismus verstand nicht einmal das einfache organische Phänomen der Menge, geschweige denn die höheren Phänomene Volk, Rasse, Nation, Kultur. Es kam den Liberalen nie der Gedanke, daß diesen Spannungen, die sich im Laufe einer fünftausendjährigen Geschichte immer auf dieselbe Weise kundgetan hatten, ein innerer Zwang zugrunde lag. Die Liberalen haben kein Verständnis für Instinkt, kosmischen Rhythmus, rassischen Takt; für sie waren Rassenunruhen nur ein Zeichen für einen Mangel an »Erziehung«, an »Toleranz«.
Aber nicht nur, daß diese Ausschreitungen nicht die Folge von Haß oder böser Absicht sind – in Wirklichkeit trifft das Gegenteil zu: Bekundungen von gutem Willen und von »Toleranz« erhöhen die Spannung zwischen total fremden Gruppen und machen sie unversöhnlicher. Dadurch, daß man die Aufmerksamkeit auf die zwischen ganz fremden Gruppen bestehenden Unterschiede lenkt, steigert man sie zu Gegensätzen und fördert Ausbrüche. In je engere Berührung diese Gruppen gebracht werden, desto tückischer und gefährlicher wird der gegenseitige Haß. In der Theorie klingt es schön und gut zu sagen, daß, wenn nur jeder einzelne zur »Toleranz« »erzogen« würde, es keine rassischen oder kulturellen Spannungen mehr geben könne. Aber – nicht die einzelnen führen diese Geschehnisse herbei, sondern höhere organische Einheiten treiben sie dazu. Dieser Vorgang hat in seinen Anfängen nichts mit Willen, Bewußtsein, Verstand oder selbst Gemütsbewegungen zu tun; diese kommen nur zur Wirkung als Abwehrkundgebung der Kultur gegen die fremde Lebensform. Der Haß steht sowenig am Beginn dieses Vorgangs wie die »Toleranz« ihm Einhalt gebietet.
Für den Westen ist das tragischste Beispiel für Kulturschmarotzertum das Vorhandensein eines im ganzen Gebiet des Westens verstreuten Teils einer Nation, die der arabischen Kultur angehört. Wir haben gesehen, daß in jener Kultur die Idee der Nation einen völlig andern Gehalt hatte: ihre Nationen waren Staat, Kirche und Volk alles in einem. Die Vorstellung von einer mit einem bestimmten Gebiet identischen Heimat war unbekannt. Die Heimat war da, wo die Gläubigen waren. Zugehörige und Gläubige waren austauschbare Begriffe. Diese Kultur hatte die Stufe der späten Zivilisation erreicht, als das gotische Abendland gerade erst seiner Urzeit entwuchs.
In die Weiler des erwachenden Abendlandes – Städte gab es nicht – bauten diese vollendeten Kosmopoliten ihre Ghettos. Das dem tief religiösen Abendland böse erscheinende Gelddenken war die starke Seite dieses hochzivilisierten fremden Volkes. Die Kirche verbot den Christen, Zinsen zu nehmen, und das verschaffte den Fremden ein Geldmonopol. Die Judenrasse war ihrer Umgebung in der kulturellen Entwicklung um ein Jahrtausend voraus. Um diese Zeit entstand die Legende vom Ewigen Juden, die das Gefühl des Unheimlichen ausdrückte, das die Abendländer in der Nähe dieses landlosen Fremden überkam, der überall zu Hause war, obwohl es ihnen schien, als sei er nirgends zu Hause. Das Abendland verstand so wenig von seiner Thora und seinem Talmud wie er vom Christentum und von der scholastischen Philosophie. Diese Unfähigkeit, einander zu verstehen, erzeugte Fremdheits-, Haß- und Furchtgefühle.
Der Haß des Abendländers gegen den Juden war religiöser, nicht rassischer Natur. Der Jude war der Heide, und mit seinem zivilisierten und intellektualisierten Leben erschien er dem Abendländer mephistophelisch, satanisch. Die Chroniken dieser Zeit erzählen von den Greueln, zu denen die Berührung dieser beiden sich absolut fremden Gruppen führte. Juden wurden 1189 am Krönungstag Richards I. in London niedergemetzelt. Im nächsten Jahr wurden fünfhundert Juden in einer Burg in York vom Pöbel belagert, und um der Volkswut zu entgehen, schnitten sie sich gegenseitig den Hals durch. König Johann ließ Juden einkerkern, ihnen Augen oder Zähne ausreißen und 1204 Hunderte abschlachten. Als in London ein Jude einen Christen zwang, ihm mehr als zwei Schillinge je Woche für ein Darlehen von zwanzig Schillingen zu zahlen, brachte das Volk über siebenhundert Juden um. Die Kreuzfahrer töteten jahrhundertelang alle jüdischen Einwohner von Städten, in denen sie sich auf ihrem Weg zu den Kriegen in Kleinasien aufhielten. Im Jahr 1278 wurden 267 der Falschmünzerei angeklagte Juden in London gehängt. Die Pestepidemie 1348 wurde den Juden zugeschrieben und hatte in ganz Europa Blutbäder unter den Juden zur Folge. 370 Jahre lang waren die Juden aus England verbannt, bis Cromwell sie wieder zuließ. Obgleich das Motiv für diese Ausschreitungen nicht die Rasse war, so waren sie doch rasseschaffend. Was die Juden nicht umbrachte, machte sie stärker und trennte sie physisch und geistig mehr denn je von den Wirtsvölkern. Während der Jahrhunderte unserer europäischen Geschichte berührten die Probleme und Entwicklungen, die in Europa leidenschaftliche Erregung wachriefen, den problemlosen Juden überhaupt nicht. Sein inneres Leben war mit der Vollendung der Kultur, die diese jüdische Einheit von Kirche, Staat, Volk und Nation geschaffen hatte, abgeschlossen und erstarrt. Der Konflikt zwischen Kaiser und Papst, die Reformation, das Entdeckungszeitalter bedeuteten ihm nichts. Er war bei all dem nur ein Zuschauer. Es beschäftigte ihn dabei einzig die Frage, was für Folgen es für ihn haben würde. Nie kam der Gedanke auf, daß er daran teilnehmen oder für die eine oder andere Seite Opfer bringen könne. Genauso schauten die Briten in Indien den Unruhen unter der eingeborenen Bevölkerung zu.
In den über Europa zerstreuten Ghettos war alles einheitlich: die Speiseverbote, die dualistische talmudische Ethik – eine für die Goyim, die andere für die Juden – das Rechtssystem, die Schriftzeichen, die Gebetsriemen, das Ritual, das Gefühl. Der jüdische Sufismus, die jüdischen Sekten und religiösen Führer, wie Baalschem, sind für die abendländischen Menschen nicht nur unverständlich, sondern langweilig. Sie waren ganz gefesselt von den intensiven Konflikten in der eigenen Kultur und nahmen, außer wenn es sie unmittelbar anging, das Leben der Juden in ihrer Mitte nicht wahr.
Erst im veräußerlichten, tatsachenbewußten 20. Jahrhundert entdeckte die abendländische Kultur den Juden als ein kulturelles Phänomen. In gotischer Zeit, bis zur Reformation, hatte sie ihn als Heiden und Wucherer gesehen, in der Gegenreformation als gerissenen Geschäftsmann, in der Aufklärung als gebildeten Weltmann, im Zeitalter des Rationalismus als einen Streiter der vordersten Linie für die Befreiung aus den Fesseln der Kultur und ihrer Traditionen. Das 20. Jahrhundert sah zum ersten Mal, daß er bis in die kleinsten Einzelheiten sein eigenes öffentliches Leben, seine eigene Welt hatte. Es begriff, daß seine umfassende Weltanschauung in Weite und Tiefe genau das Gegenstück seiner eigenen war und deshalb fremd in einem totalen Sinn. Das war noch nie zuvor auch nur vermutet worden. In früheren Jahrhunderten war der Standpunkt des Abendlandes gegenüber dem Juden durch die jeweilige Entwicklungsstufe bedingt gewesen, doch im 20. Jahrhundert mit seiner universalen Weltbetrachtung wird die Gesamtheit dessen, was man »die Judenfrage« nennt, zum ersten Mal erkannt. Nicht Rasse, noch Religion, Ethik, Nationalität oder politische Parteizugehörigkeit trennen den Juden vom Westen, sondern etwas, das all dieses einschließt – die Kultur.
In jedem Zweig der europäischen Kultur hat der Jude seinen eigenen Geschmack entfaltet, und wenn er in das öffentliche Leben der europäischen Völker eingreift, so beträgt er sich in unverkennbarer Weise, nämlich im Stil des öffentlichen Lebens der jüdischen Einheit von Kirche-Staat-Nation-Volk-Rasse, eines öffentlichen Lebens, das bis zum 20. Jahrhundert für den Geist des Westens unsichtbar war.
Wie alle Nationen am Ende ihrer Zivilisation, z. B. die Hindus, Chinesen, Araber, versteinerte auch die jüdische Nation in einem Kastensystem. Die Rabbiner der Juden entsprechen den Brahmanen in Indien und den Mandarinen in China. Die Rabbiner waren die Hüter des Schicksals der jüdischen Einheit. Wann immer unter den Juden Freidenker auftraten, war es die Pflicht des örtlichen Rabbiners, ein Schisma zu verhüten. So wurde Uriel da Costa, ein jüdischer Freigeist in Amsterdam, von der dortigen Synagoge eingesperrt und solcher Drangsal ausgesetzt, daß er sich schließlich das Leben nahm. Dieselbe Synagoge exkommunizierte Spinoza, und danach wurde ein mißglückter Anschlag auf sein Leben verübt. Große Bestechungsgelder sollten ihn zur Rückkehr zum Judentum bewegen, und als er sie verweigerte, wurde er verflucht und in den Bann getan. Der Führer der Chassiden, einer ostjüdischen Sekte, Senior Salman, wurde 1799, nachdem sein eigenes Volk über ihn Gericht gehalten hatte, von den Rabbinern der russischen Regierung ausgeliefert, genau wie die Inquisition verurteilte Ketzer dem Staat zur Vollstreckung übergeben hatte.
Das zeitgenössische Europa sah diese Vorkommnisse nicht einmal, noch hätte es sie verstanden, wenn es sie gesehen hätte. Es hatte allem Jüdischen gegenüber eine vorgefaßte Meinung, ebenso wie die Juden Europa vom Standpunkt ihrer fortgeschrittenen Weltanschauung aus sahen.
Die Parsen, die in Indien unter Fremden verstreut leben, sind ebenfalls ein Splitter der arabischen Kultur. Der Parse hatte in bezug auf seine Umwelt den gleichen überlegenen Geschäftssinn wie der Jude im frühen Abendland. Auch sein inneres Leben war ganz und gar von dem der ihn umgebenden Fremden getrennt, und er hatte völlig andere Interessen. An den Unruhen und Aufständen während der britischen Herrschaft nahm der Parse ebensowenig teil wie der Jude am Dreißigjährigen Krieg, an den Erbfolgekriegen und am Konflikt zwischen Bourbon und Habsburg. Ein Unterschied in der Kulturstufe erzeugt vollständige geistige Isolierung. Die Haltung des Juden gegenüber den europäischen Spannungen war die des Pilatus bei der Verhandlung gegen Jesus. Pilatus blieb die religiöse Streitfrage, um die es dabei ging, völlig verborgener gehörte zu einer Zivilisation in ihrer letzten Phase; tausend Jahre trennten ihn von der religiösen Erregung seiner eigenen Kultur.
Die Regungen des Rationalismus in Westeuropa bezeichnen jedoch eine Zäsur im Gemeinschaftsleben des in der westlichen Kultur abgetrennten Teils des Judentums.
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Die Kulturkrise des Rationalismus gehörte zum Schicksal des Abendlandes wie zu dem aller voraufgegangenen Kulturen. Sie ist der Wendepunkt vom nach innen gerichteten Leben der Kultur zum nach außen gewandten Leben der Zivilisation. Die Hauptidee des Rationalismus ist Freiheit – das bedeutet Freiheit von den Fesseln der Kultur. Napoleon befreite die Kriegführung vom Stil von Fontenoy, wo 1745 jede Seite die andere höflich aufforderte, den ersten Schuß abzufeuern. Beethoven befreite die Musik von der Formvollendung Bachs und Mozarts, und die Schreckensherrschaft von 1793 befreite Europa vom Gedanken der Heiligkeit der Dynastie. Die materialistische Philosophie befreite es vom Geist der Religion, und der Ultrarationalismus befreite schließlich die Wissenschaft von der Philosophie. Aufeinanderfolgende Revolutionen befreiten die Zivilisation von der Würde des Staates und seiner hohen Traditionen und zogen sie in die schmutzige Sphäre der Parteipolitik. Der Klassenkampf war die Befreiung von der hierarchischen Gesellschaftsordnung. Die neue Idee von der »Menschheit« und den »Menschenrechten« befreite die Kultur von dem alten Stolz auf ihre Exklusivität und ihrem Überlegenheitsgefühl. Der Feminismus befreite die Frauen von der natürlichen Würde ihres Geschlechts und machte sie zu minderwertigen Männern.
Anarchasis Cloots stellte eine Abordnung von »Vertretern des Menschengeschlechts« zusammen, die der Revolutionsherrschaft in Frankreich ihre Aufwartung machte. Ihr gehörten bezopfte Chinesen, schwarze Äthiopier, Türken, Juden, Griechen, Tataren, Mongolen, Inder und bärtige Chaldäer an; in Wirklichkeit waren es natürlich verkleidete Pariser. Dieser Aufzug gerade zu Beginn des Rationalismus hatte eine doppelte symbolische Bedeutung. Er symbolisierte einmal den Wunsch Europas, nun die ganze »Menschheit« zu umarmen, und zum andern wies die Tatsache, daß die Abgesandten verkleidete Europäer waren, auf den Erfolg hin, der dieser intellektuellen Schwärmerei beschieden sein würde.
Der Jude hatte all das natürlich kommen sehen. Ein der Verfolgung ausgesetztes Leben trägt nicht gerade dazu bei, die Intelligenz und die Wachsamkeit zu vermindern. Bereits 1723 hatten die Juden in England das Recht auf Landbesitz erworben, und 1753 erlangten sie das englische Bürgerrecht; allerdings wurde es ihnen im nächsten Jahr auf Antrag aller Städte wieder entzogen. 1791 hatten sie in Frankreich die völlige Gleichstellung erreicht, und 1806 wurde vom Kaiser Napoleon der Große Sanhedrin (Hoher Rat; jüdische Staatsbehörde) einberufen und damit der Existenz der jüdischen Einheit von Nation-Staat-Volk innerhalb des Abendlandes offizielle Anerkennung erteilt.
Doch es gab etwas, was verhinderte, daß die neugeschaffene Lage so idyllisch war, wie die liberale Gefühlsduselei es haben wollte. Achthundert Jahre des Hasses, Raubs und Totschlags und der Verfolgung auf beiden Seiten hatten im Judentum eine Tradition des Hasses gegen den Westen hervorgebracht, die noch stärker war als der alte Haß des Westens gegen den Juden. Im Überschwang seiner neuen Großmut und Vergebungsfreudigkeit sagte sich Europa von den alten Gefühlen los, aber der Jude war zu gleichem nicht fähig. Achthundert Jahre des ohnmächtigen Hasses konnten nicht durch einen Neujahrsbeschluß des fremden Westens aus der Welt geschafft werden. Es standen sich hier überpersönliche Organismen gegenüber, die keine menschliche Vernunft und menschlichen Gefühle kennen, deren riesenhafte Lebensaufgabe »Toleranz« – außer als ein Krisenzeichen – ausschließt. In einem Kampf solcher Art sind die Menschen im Grunde bloße Zuschauer, selbst wenn sie eine aktive Rolle innehaben. Menschliche Böswilligkeit und Rachsucht spielen nur eine kleine, nebensächliche Rolle in derartigen Konflikten und sind, zeigen sie sich in einem Einzelmenschen, nur der Ausdruck der höheren, tiefen und totalen Unvereinbarkeit der überpersönlichen Ideen.
Die neuen Bewegungen – Kapitalismus, industrielle Revolution, Demokratie, Materialismus – waren für den Juden unerhört aufregend. Schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte er ihre Möglichkeiten gespürt und ihr Wachstum in jeder Weise gefördert. Als Außenstehender war er gezwungen, im geheimen zu handeln, und die Geheimgesellschaften der Illuminaten und ihre Ableger waren seine Schöpfungen, wie ihre kabbalistische Terminologie und ihre Ritualien beweisen. Mehr als zwei Drittel der Generalstände, die der französischen Revolution von 1789 den Weg bahnten, waren Mitglieder dieser Geheimgesellschaften und hatten sich verpflichtet, die Staatsautorität zu untergraben und die Idee der Demokratie einzuführen. Der Jude folgte der Aufforderung des Westens, an dessen öffentlichem Leben teilzuhaben, aber es war ihm unmöglich, über Nacht seine Identität zu verlieren, und so hatte er von nun an zwei öffentliche Leben.
Vor dem Ansturm der neuen Ideen zerbröckelten die alten europäischen Traditionen, und der Jude drängte an die Spitze. Die Rothschilds wurden 1822 österreichische Barone – was für beide Seiten hundert Jahre früher ungeheuerlich gewesen wäre. In England drangen die Juden 1833 in den Advokatenstand ein, und 1837 wurde ein Jude- der erste – von der Königin zum Ritter geschlagen. Der Westen billigte die Zweiheit des Juden, und eine Parlamentsakte (Statute of 9 Victoria) enthob Juden, die zu einem Gemeindeamt gewählt worden waren, der Eidesleistung. Von den vierziger Jahren an gab es jüdische Parlamentsmitglieder, und 1855 wurde ein Jude Oberbürgermeister von London. Die der Tradition verbundenen Kreise Europas leisteten all dem Widerstand, aber jedesmal errang der Jude einen neuen Triumph. Es war deutlich, daß das Bemühen um »Toleranz« auf beiden Seiten seinen Zweck verfehlte.
Der Fall des Knaben Mortara war ein aufschlußreicher Hinweis auf die Macht und den Einfluß, die der Jude gewonnen hatte. Dieses Kind war seinen jüdischen Eltern, gewöhnlichen Privatpersonen, 1858 vom Erzbischof von Bologna gewaltsam genommen worden unter dem Vorwand, daß es von einem Dienstmädchen getauft worden sei. Noch im selben Jahr erging eine offizielle dringende Aufforderung der französischen Regierung, den Eltern den Knaben zurückzugeben. Im nächsten Jahr unterzeichneten der Erzbischof von Canterbury, englische Bischöfe und Herren von Adel eine Bittschrift, die von Lord John Russell überreicht wurde und um Wiederherstellung des elterlichen Sorgerechts ersuchte.
Aber die Verfolgung ging weiter – es gab Unruhen in Bukarest 1866, in Rom 1864, in Berlin 1880 und in Rußland während des ganzen Jahrhunderts und bis in das 20. Jahrhundert hinein. Die Verfolgung in Rußland ergab Hinweise auf die Stärke des Juden in den westlichen Nationen. Proteste, Gesuche, Komitees suchten das Los der Juden in Rußland zu erleichtern und die russische Regierung lahmzulegen. Der Pogrom in der Ukraine nach dem russisch-japanischen Krieg 1905 veranlaßte die amerikanische Regierung, die diplomatischen Beziehungen zu Rußland abzubrechen.
Weder Haß noch Intoleranz können die zahlreichen unglückseligen Folgen, die die Zerstreuung der Juden in den westlichen Nationen hatte, erklären. Auch der Haß auf beiden Seiten war nur eine Folgeerscheinung. Je mehr man von Toleranz redete, desto mehr wurde die Aufmerksamkeit auf die Unterschiede gelenkt, und dadurch wurden sie zu Gegensätzen verschärft. Diese führten dann auf beiden Seiten zu offener oder versteckter Opposition und zu Tätlichkeiten. Auch das dem Juden vorgeworfene Versäumnis, sich zu assimilieren, ist keine Erklärung. Damit wirft man einem Menschen vor, er selbst zu sein, und die Begriffe der Ethik erstrecken sich nicht auf das, was man ist, sondern auf das, was man tut. Die »Judenfrage« kann weder auf ethischer noch auf rassischer, nationaler, religiöser oder sozialer Grundlage erklärt werden, sondern nur auf totaler, d. h. kultureller Grundlage. Der Europäer sah bisher, in Übereinstimmung mit der jeweiligen Kulturphase, in der er sich befand, immer nur einen Aspekt des Juden. In gotischer Zeit, während der religiösen Phase des Abendlandes, sah er nur den Religionsunterschied; während der Aufklärung mit ihren »Menschheits«-Ideen den sozialen Unterschied. Im materialistischen 19. Jahrhundert mit seinem vertikalen Rassismus wurde der Rassenunterschied hervorgehoben. Erst in diesem Jahrhundert, da der Westen in eine Einheit von Kultur, Nation, Rasse, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat übergeht, kann der Jude in seiner eigenen totalen Einheit klar erkannt werden – der Seele des Abendlandes innerlich ganz fremd.
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Das 19. Jahrhundert sah das Phänomen des Kulturschmarotzertums nur als Schmarotzertum innerhalb einer Nation und somit als eine lokale Gegebenheit. Aus diesem Grund war das in jedem Lande auftretende Phänomen, das man Antisemitismus nannte, nur eine partielle Reaktion auf einen in Wirklichkeit kulturellen, nicht nur nationalen Zustand.
Der Antisemitismus der Kulturpathologie entspricht in der Pathologie des Menschen der Bildung von Antikörpern im Blut. In beiden Fällen sträubt sich der Organismus gegen das fremde Leben. Beide sind ein unvermeidlicher, organisch notwendiger Ausdruck des Schicksals, das, indem es das ihm gemäße erfüllt, das Fremde bekämpft. Es kann nicht oft genug ausgesprochen werden, daß Haß und Böswilligkeit, Toleranz und guter Wille überhaupt nichts mit diesem fundamentalen Vorgang zu tun haben. Eine Kultur ist ein Organismus, zwar ein Organismus einer andern Klasse als der Mensch, aber die fundamentalen Regelmäßigkeiten organischen Lebens sind in allen Organismen jeder Klasse vorhanden, ob Pflanze, Tier, Mensch oder Kultur. Diese Rangordnung der Organismen ist offensichtlich ein Teil des göttlichen Planes und kann durch keine noch so unaufhörliche Propaganda, keine noch so sich selbst verleugnende »Toleranz« und keine noch so vollständige Selbsttäuschung geändert werden.
Bei der Behandlung des Antisemitismus erheben sich Fragen, die mehr in den Bereich der Kulturentstellung als in den des Kulturschmarotzertums gehören, und so genüge es hier zu sagen, daß der Antisemitismus – wiederum analog dem pathologischen Phänomen der Bildung von Abwehrstoffen im Blut des Menschen – die andere Seite des Vorhandenseins von Kulturschmarotzertum ist und nur als eine seiner Folgen verstanden werden kann. Der Antisemitismus ist organisch und irrational wie die Reaktion des menschlichen Körpers auf eine Krankheit. Das Kulturschmarotzertum ist das Phänomen der Koexistenz von Wirt und einem total Fremden und ist auch völlig irrational. Es gibt keinen vernünftigen Grund für Kulturschmarotzertum. Im Gegenteil, die Vernunft würde gebieten, daß die fremde Gruppe sich auflöst und sich in das sie umgebende Leben ergießt. Das würde der unerbittlichen Verfolgung, dem fruchtlosen Haß, dem nutzlosen Kämpfen ein Ende machen. Aber das Leben bleibt irrational, auch im Zeitalter des Rationalismus.
Das Phänomen des Kulturschmarotzertums in einer Hochkultur beschränkt sich, wie die Geschichte Amerikas zeigt, nicht auf das Mutterland der Kultur. Amerika entstand als eine Kolonie der abendländischen Kultur. Dieser eine Satz enthält Amerikas Schicksal. Er setzt den Möglichkeiten Amerikas im voraus die Grenzen. Zuerst ist die Idee der Kolonie zu untersuchen. Was ist eine Kolonie? Sie ist eine Schöpfung einer Kultur, ein Werk, das allein durch seine Anpflanzung etwas geistig Abgeschlossenes ist. Anders ausgedrückt: sie hat keine innere Notwendigkeit, keine Sendung, und ist daher für ihre geistige Nahrung von der Mutterkultur abhängig. Das gilt für Amerika in der abendländischen Kultur genauso wie es für Syrakus und Alexandria in der antiken und für Granada und Sevilla in der arabischen Kultur galt. Obwohl fruchtbare Impulse aus der Peripherie des Kulturkörpers kommen können – wenn auch selten – so erhalten sie doch erst Bedeutung bei ihrer Entwicklung im Zentrum der Kultur. Diese geistige Abhängigkeit der Kolonien ist eine Schwäche, die sich in dem fehlenden Widerstand gegen das Kulturfremde ausdrückt, und man erwartet, in einer Kolonie weniger Widerstand gegen das kulturell Fremde zu finden, denn das kulturelle Sendungsbewußtsein ist nicht allgemein, sondern höchstens in vereinzelten Menschen oder bestenfalls kleinen Gruppen vorhanden. Die Geschichte der Kolonien zeigt uns – Syrakus ist ein Beispiel – daß Kulturkrisen sich in ihnen stärker auswirken, selbst autopathische wie das Erscheinen des Rationalismus. Eine Kolonie kann leichter zersetzt werden, weil ihr die Gliederung der Kultur fehlt. In einer Kolonie gibt es keine, kann es keine kulturtragende Schicht geben. Diese Schicht ist ein Organ der landschaftsgebundenen Hochkultur. Die Kultur kann nicht verpflanzt werden, wenn auch ihre Bevölkerungen auswandern und mit dem Kulturkörper in Verbindung bleiben. Kolonien sind Geistesprodukte einer Kultur und verkörpern ein Leben auf einer weniger komplizierten und gegliederten Ebene als das der schöpferischen Kultur.
Diese elementare Tatsache ist in Amerika unbewußt stets durchaus verstanden worden, wurde aber im 20. Jahrhundert ebenso heftig bewußt geleugnet. Amerikanische Gelehrte und Schriftsteller im 19. Jahrhundert assimilierten die abendländische Kultur und wurden von ihr assimiliert. Die Erscheinung Edgar Poes hat immer wieder Staunen hervorgerufen wegen seines hochkultivierten Denkens und der Unabhängigkeit von seiner kolonialen Umwelt. Die geistig höherstehende schöne Literatur Amerikas hat stets, und in den meisten Fällen mit Recht, als ein Zweig der englischen Literatur gegolten.
Die Dürftigkeit der amerikanischen Literatur ist durch das koloniale Schicksal bedingt, während ihre wenigen großen Namen ein Ausdruck der abendländischen Kultur sind. Amerikaner aller Berufe, insofern sie Männer von Bedeutung waren oder sein wollten, haben in den vergangenen zwei Jahrhunderten ihren geistigen Schwerpunkt in Europa gehabt – Irving, Hawthorne, Emerson, Whistler, Frank Harris, Henry James, die Finanzplutokratie, Wilson, Ezra Pound. Eine Bildungsreise durch Europa gehört traditionsgemäß in Amerika zur Erziehung. Europa hat immer jene Elemente in Amerika gefangengenommen, die ein Gefühl für die Kultur oder kulturelle Ambitionen hatten.
Nach dem spanischen Krieg (1898-1899) trat Amerika als Weltmacht auf, und es wurde Mode, die geistige Abhängigkeit von Europa zu leugnen; aber dennoch blieb diese Tatsache bestehen. Es überrascht uns nun schon nicht mehr, wenn eine die Kultur betreffende Tatsache die Wünsche, Absichten, Forderungen und Behauptungen der Menschen nicht beachtet. Amerika ist indessen ein Thema, das gesondert behandelt werden muß, da die Erkrankung der abendländischen Kultur ihm eine neue Bedeutung in der Weltpolitik verschafft hat. An dieser Stelle kommt als einziger Aspekt das Vorkommen von Kulturschmarotzertum in Amerika in Betracht.
Vom frühen 17. Jahrhundert an bis in das 19. Jahrhundert hinein brachte der Sklavenhandel Millionen von afrikanischen Ureinwohnern nach Amerika. Diese bildeten während des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine große, überaus fruchtbare und total fremde schmarotzende Gruppe. Es ist ein gutes Beispiel für die kulturelle Bedeutung der Bezeichnung Schmarotzer, daß sie nichts mit Arbeit im wirtschaftlichen Sinn zu tun hat. Die Afrikaner in Amerika waren wirtschaftlich wichtig, und, nachdem man auf ihnen eine Wirtschaft aufgebaut hatte, waren sie faktisch auch nötig. Der Klassenkampf machte es zur Gepflogenheit, alle Personen, außer den Handarbeitern, als »Schmarotzer« zu bezeichnen. Das war eine polemische Bezeichnung und hat nichts mit dem Phänomen des Kulturschmarotzertums zu tun. Trotz wirtschaftlicher Nützlichkeit war der Neger in Amerika eine Erscheinung von Kulturschmarotzertum. Die erste Auswirkung der Anwesenheit einer solchen kulturschmarotzenden Gruppe ist uns bekannt. Sie verdrängt ungeborene weiße Menschen in Amerika. Indem sie bei der Ausführung der Lebensaufgabe mithilft, macht sie Millionen, die ungeboren bleiben, unnötig, und daher hat diese große Masse von Afrikanern die Bevölkerung Amerikas um zehn Prozent verringert, denn in diesem Augenblick – 1948 – gibt es 14 Millionen Neger bei einer Gesamtbevölkerung von 140 Millionen. Diese Verdrängung wird in Amerika auf modische und materialistische Weise damit erklärt, daß Weiße nicht Kinder auf die Welt bringen, um wirtschaftlich mit den Schwarzen und ihrem niedrigen Lebensstandard in Wettbewerb zu treten. Wird die Wirtschaft zur fixen Idee, dann wird natürlich alles wirtschaftlich erklärt. Aber die Tatsachen der Bevölkerungstrends zeigen, daß die Bevölkerung einer organischen Einheit ihrer Lebensbahn mit fast mathematischer Genauigkeit folgt, ganz unabhängig von Einwanderung, von den Wünschen der einzelnen und von unorganischen Erklärungen. Die Verdrängung ist kultureller Natur, d. h. total, und kann nicht allein wirtschaftlich erklärt werden.
Die durch die rationalistische Krise noch gründlicher zersetzte koloniale Mentalität war nicht imstande, sich gegen die zunehmende Verdrängung der weißen Bevölkerung durch den Afrikaner wirksam zu verteidigen. Mit der gleichen Unfähigkeit, auch nur zu begreifen oder gar sich zu wehren, leistete Amerika auch keinen Widerstand, als die Nachhut der arabischen Kultur einen viel größeren zahlenmäßigen Umfang annahm und sich eine weit größere Rolle anmaßte als je in Europa.
Etwa 1880 begannen die Juden, was Hilaire Belloc so treffend eine Invasion der Vereinigten Staaten genannt hat. Allein ihre Zahl würde diese Redewendung rechtfertigen. Obwohl sie nicht genau angegeben werden kann, weil aus der amerikanischen Einwanderungsstatistik nur die gesetzliche Herkunft, d. h. die Staatsangehörigkeit, hervorgeht, so erhält man sie doch ungefähr aus einer Untersuchung gegenwärtiger amerikanischer Bevölkerungszahlen und der jüdischen Geburtenziffer. Wie typisch ist es doch für die totale Inkongruenz zwischen zwei verschiedenen Kulturen, daß eine Massenbewegung von Angehörigen der einen Kultur innerhalb der andern Kultur vor sich geht, ohne in der Statistik eine Spur zu hinterlassen. Der Einwanderer wurde nach seinem Geburtsort gefragt, und das entschied im materialistischen 19. Jahrhundert alles andere. Es legte seine Sprache fest, die dann für seine Nationalität maßgebend war, von der man annahm, daß sie alles andere vorherbestimmt. Versteinerungen toter Kulturen – wie Indien, China, der Islam, das Judentum – wurden als »Nationen« im europäischen Sinn des Wortes angesehen. Amerika begann seine unabhängige politische Existenz als ein Geschöpf des Rationalismus. Seine Politiker billigten die Behauptung – äußerlich – daß »alle Menschen gleich geboren« seien, und sagten sogar, daß das selbstverständlich sei. Es selbstverständlich zu finden und also auf einen Beweis zu verzichten, war leichter und vielleicht auch klüger, als es zu beweisen. Ein Beweis hätte nur das zunichte gemacht, was ein Glaubenssatz war und damit über alle Vernunft erhaben. Der Rationalismus herrschte in Amerika in einer Weise, in der er in Europa nie hatte herrschen können. In Europa gab es immer Widerstand gegen ihn – bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der Tradition und von da an aufgrund der Vorahnung von dem kommenden antirationalistischen Geist des 20. Jahrhunderts, wofür Carlyle und Nietzsche ein Beispiel sind. Amerika hingegen hatte keine Tradition, und es konnte auch kein Vorgefühl haben, weil die Impulse der Kultur und kulturfördernde Erscheinungen von der Mutterlandschaft ausgehen und von ihr ausstrahlen.
Auch seine Juden erhielt Amerika von Europa und erlag ihnen ebenso wie der von dort übernommenen materialistischen Philosophie. Das war kein Zufall. Unter der jüdischen Bevölkerung Europas verbreitete sich sehr schnell die Kunde, daß der Antisemitismus in Amerika eine viel geringere Bedrohung war und daß andere Gelegenheiten, wie die wirtschaftlichen, denen, die Europa den Juden zu bieten hatte, gleichkamen. Das stimmte durchaus und gereichte dem jüdischen Instinkt zur Ehre. Amerika war im späten 19. Jahrhundert zweifellos ein Land, das dem Juden reiche Möglichkeiten gewährte. Von 1880 bis 1950 kamen ungefähr – wir erinnern uns, daß es keine genauen Zahlen gibt – fünf bis sieben Millionen Juden nach Amerika, die hauptsächlich dem Ostjudentum, den Aschkenasim, entstammten. Heute zählen die Juden in Amerika, bei Zugrundelegung der Religionsstatistik und der Geburtenziffer, acht bis zwölf Millionen. Das ist eine beträchtliche Zahl, und sie hat die Verdrängung der gleichen Anzahl Amerikaner zur Folge. Der amerikanische Schriftsteller Madison Grant schilderte 1916, wie der Amerikaner alten Schlags in New York City von Schwärmen von Juden von den Straßen vertrieben wird. Er nennt sie »polnische« Juden, nach dem damaligen Brauch, den Juden eine europäische Nationalität beizulegen. Demgemäß pflegten die Europäer zwischen englischen, deutschen usw. Juden zu unterscheiden.
Amerika hatte aus den dargelegten Gründen das geringste Verständnis für die Natur des Juden, während es in Europa selbst im 19. Jahrhundert doch immer einige Menschen gab – wie Carlyle – die die totale und nicht nur politische Fremdheit des Juden erkannten. Aber in dem traditionslosen Amerika gab es keine Carlyles und keine Lagardes. Folglich entschied Amerika um die Mitte des 19. Jahrhunderts, daß ein in Amerika geborener Chinese ein Anrecht auf das gleiche Bürgerrecht habe wie die einheimische weiße Bevölkerung europäischer Herkunft. Bezeichnenderweise wurde diese Entscheidung als Resultat eines Prozesses getroffen, gemäß einer amerikanischen Gewohnheit, politische Fragen in pseudolegaler Form zu klären. Es war offensichtlich, daß ein Regime, das keinen Unterschied zwischen Chinesen und gebürtigen Amerikanern machte, auch keine politische Schranke gegen den Juden aufrichten würde. Und so konnte schon 1928 der sich mit historischen und weltpolitischen Themen befassende französische Schriftsteller Andre Siegfried sagen, daß New York City semitisches Gepräge trage. Bis zur Mitte unseres Jahrhunderts war diese Entwicklung noch weiter fortgeschritten, und die Einwohner von New York City, der größten Stadt Amerikas, vielleicht der Welt, waren fast zur Hälfte jüdisch.
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Aber Amerika mit seinem totalen Mangel an geistiger Widerstandskraft, wie er der seelischen Schwäche einer Kolonie entspringt, wurde auch Gastland für andere große kulturschmarotzende Gruppen. Im Zeitraum der stärksten Einwanderung kamen nicht nur die Juden, sondern auch viele Millionen Slawen aus dem Balkan. Allein zwischen 1900 und 1915 wanderten 15 Millionen Menschen aus Asien, Afrika und Europa nach Amerika ein, die meisten von ihnen aus Rußland, der Levante und den Balkanländern. Eine ansehnliche Anzahl Italiener war die einzige Gruppe unter diesen Einwanderern, die der westlichen Zivilisation angehörten. Diese Millionen riefen schon durch ihre Zahl Erscheinungen des Kulturschmarotzertums hervor. Von der Peripherie jeder Gruppe gingen wohl einzelne im amerikanischen Lebensgefühl auf, aber die Gruppen als solche bestanden weiter. Es zeigte sich darin, daß jede Gruppe ihre eigene Presse in der eigenen Sprache hatte, in der Geschlossenheit der Gruppe gegenüber politischen Zielen, in der geographischen Zentralisierung der verschiedenen Gruppen und in ihrer gesellschaftlichen Abgeschlossenheit.
Bei der Untersuchung des Wesens der Rasse sahen wir, daß Slawen von europäischen Kulturvölkern assimiliert werden konnten und auch wurden. Zwei Hauptpunkte kennzeichnen das amerikanische Verhältnis zu den Slawen und erklären, warum die Slawen ihr Gruppendasein beibehielten, obgleich sie inmitten einer unter dem Einfluß der westlichen Zivilisation stehenden Bevölkerung lebten. Erstens konnte Amerika infolge seines kolonialen Lebensstils den Einwanderern nicht so kräftig den Stempel der Kulturidee aufdrücken wie dies die europäischen Nationen auf der Heimaterde der Kultur konnten. Zweitens erzeugten die viele Millionen zählenden Ankömmlinge allein durch ihre Masse einen pathologischen Zustand im amerikanischen Organismus. Selbst wenn diese Millionen europäischer, sagen wir französischer oder spanischer, Herkunft gewesen wären, hätten sie in politischer Hinsicht eine schmarotzende Gruppe gebildet. Natürlich hätte sich eine solche Gruppe schließlich aufgelöst, aber hätte doch dabei eine entstellende Wirkung auf die amerikanische Politik gehabt. So große slawische Gruppen anderseits, deren Führern ermöglicht wird, die Gruppe zu einer festen Einheit zu schmieden, werden sich unter solchen Umständen nur langsam, wenn überhaupt, im amerikanischen Wirtsvolk auflösen.
Amerika hat noch andere, kleinere schmarotzende Gruppen, deren jede den Platz von Amerikanern, die ihretwegen nicht geboren werden, einnimmt und bedauerliche Szenen von Haß und Bitterkeit hervorruft, die an dem überpersönlichen Leben zehren und es verbiegen. Dazu gehören eine japanische Gruppe, verschiedene levantinische Gruppen und die russische Gruppe.
Oberflächlich betrachtet könnte es scheinen, als spreche der Fall Amerikas gegen die früher dargelegte Auffassung von Rasse, aber das ist nicht so. Das amerikanische Beispiel kann nicht maßgebend für Europa sein, denn da Amerika eine Kolonie ist, ist es ein Gebiet herabgesetzter kultureller Sensibilität mit entsprechend geringerem Assimilationsvermögen. Mit andern Worten: seine Anpassungsfähigkeit ist schwächer als die des Mutterlandes. Im Fall Amerikas handelt es sich nicht darum, daß zuviel, sondern daß nicht genug assimiliert wurde. Fremde Gruppen- ob sie nun nur politisch fremd sind wie eine europäische Gruppe in einer andern europäischen Nation oder total fremd wie der Jude in einem europäischen Wirtsvolk – sind nur Schmarotzer, solange sie Gruppen bleiben. Lösen sie sich auf, so hat die Gesamtsumme der assimilierenden Bevölkerung zugenommen. Die Tatsache, daß dies der Einwanderung statt der Zunahme des Geburtsüberschusses bei der einheimischen Bevölkerung zuzuschreiben ist, ist nicht wichtig. Allein die Tatsache, daß sie assimiliert werden konnten, zeigt, daß sie nicht fremd im Sinne von Schmarotzern waren. Auch darf man bei der Untersuchung des Kulturschmarotzertums in Amerika folgendes nicht übersehen: Die amerikanische Bevölkerung hat während des 19. Jahrhunderts viele Millionen Deutsche, Iren, Engländer und Skandinavier in ihren Blutstrom aufgenommen, und auch die im 20. Jahrhundert noch aus diesen Ländern Eingewanderten wurden völlig assimiliert. Eine große Anzahl einwandernder Deutscher und Iren wurden im Sezessionskrieg von den Yankeearmeen eingesetzt und mit gutem Erfolg -, was niemals mit kulturfremden Gruppen, z.B. Juden oder Slawen, möglich gewesen wäre.
Man hat Amerika einen Schmelztiegel genannt. Das ist es nicht, denn die massiven Gruppen kulturfremder Herkunft haben sich nicht »verschmolzen«, sondern blieben abgesondert. Gruppen, die nicht kulturfremd waren, haben sich sofort assimiliert – d. h. in einer Generation – und also gilt die Rassenauffassung des 20. Jahrhunderts auch für die Tatsachen des amerikanischen Schauplatzes. Die nichtassimilierten Gruppen machen 30 bis 50 Prozent der amerikanischen Bevölkerung aus. Die slawischen Gruppen scheinen langsam assimiliert zu werden, aber selbst wenn sie ganz verschwänden, würden die verbleibenden kulturschmarotzenden Gruppen noch einen für Amerika äußerst bedenklichen pathologischen Zustand bedeuten.
Die überlebte Auffassung des vertikalen Rassismus kann aus dem Fall Amerikas keine Lehre ziehen, denn was wir da sehen, ist keine Mischung der Rassen, sondern ihre Nichtmischung. Alle diese schmarotzenden Gruppen wurden von ihren alten Landschaften losgerissen, haben aber keine neuen geistigen Bindungen. Nur der landlose Jude, der Nation, Kirche, Staat, Volk, Rasse und Kultur in sich trägt, hat seine uralten Wurzeln bewahrt. Das Phänomen des Kulturschmarotzertums, obwohl völlig losgelöst von aller Ethik, steht nicht außerhalb des politischen Bereichs. Es führt zu nichts, über kulturfremde Gruppen im Sinne von Lob und Tadel, Haß oder »Toleranz« zu sprechen.
Kriege, Unruhen, Blutbäder, Zerstörung, die ganze sinnlose Kräftevergeudung innerer Konflikte – alle diese Erscheinungen, die unweigerlich auftreten, wenn ein Kulturschmarotzer am Wirtsorganismus zehrt, bleiben bestehen, solange der pathologische Zustand anhält.
Das Kulturschmarotzertum hat, indem es Widerstandserscheinungen hervorruft, eine doppelt schädliche Auswirkung auf den Körper der Kultur und ihre Nationen. Das Fieber ist ein Abwehrsymptom des menschlichen Körpers, aber das macht das Fieber noch nicht zu einem positiven gesundheitlichen Wert. Sein Wert ist negativer Art, und es bleibt auch als heilender Faktor ein Bestandteil der Krankheit. Widerstandserscheinungen wie der Antijapanismus, der Antisemitismus und der Antinegroismus in Amerika sind ebensowenig wünschenswert wie die Zustände, die sie bekämpfen. Ähnlich hat auch der europäische Antisemitismus keinen positiven Wert und kann sich außerdem, wird er übertrieben, leicht zu einer andern Art von Kulturerkrankung entwickeln, zu jenem verschärften Zustand, den unter bestimmten Umständen auch das Kulturschmarotzertum hervorrufen kann: der Kulturentstellung.
Kulturentstellung
Das mächtige Schicksal einer Hochkultur hat dieselbe Gewalt über den Kulturorganismus wie das Pflanzenschicksal über die Pflanze, das Menschenschicksal über den Menschen. Diese Gewalt, so mächtig und unleugbar sie auch ist, ist dennoch nicht absolut. Sie ist organischer Natur, und ein Organismus ist eine Beziehung eines Inneren zu einem Äußeren, eines Mikrokosmos zu einem Makrokosmos. Obwohl keine innere Kraft sich gegen das Schicksal des Organismus behaupten kann, so können doch manchmal äußere Kräfte – auf allen Lebensebenen – Krankheit und Tod des Organismus herbeiführen. Die Mikroorganismen, die in den Körper eines Menschen eindringen, führen eine Krankheit herbei, weil ihre Lebensbedingungen sich von denen des Menschen völlig unterscheiden. Ihr Wohl bedeutet sein Verderben. Sie sind eine äußere Kraft, wenn sie auch im Innern des Organismus wirken. Außen ist also eine Bezeichnung für etwas Geistiges, nicht etwas Räumliches. Das, was eine separate Existenz hat, ist außen, ganz gleich, wie es sich in physischer Hinsicht verhalten mag. Alles, was ein Schicksal hat, ist eins; alles mit einem andern Schicksal ist etwas anderes. Im Kriege kann ein Verräter innerhalb einer Festung für die Belagerungsarmee so wertvoll sein wie die Hälfte ihrer Soldaten. Er ist, obwohl drinnen, draußen.
Leben ist die Verwirklichung des Möglichen. Aber das Leben ist vielgestaltig, und Organismen zerstören andere Organismen, indem sie ihre eigenen Möglichkeiten verwirklichen. Tiere verschlingen Pflanzen, Pflanzen vernichten einander, Menschen verwüsten ganze Arten und schlachten Millionen von Tieren. Hochkulturen rufen durch ihr Dasein bei den Außenstehenden negative Impulse hervor. Wer an der Kultur nicht teilhat, die den ihr Angehörenden eine so unbestrittene Überlegenheit verleiht, beschließt instinktiv, sie zu vernichten. Je stärker der Druck der Hochkultur auf die außenstehenden unterlegenen Völkerschaften ist, desto nihilistischer ist das in diesen entstehende Gefühl. Je ausgedehnter die geographische Expansion der Kultur, desto weiter verbreitet sich in der Welt unter den außerhalb der Kultur stehenden Völkern der Vernichtungswille. Lebensformen sind einander feind; die Erfüllung der einen ist der Tod anderer, oder anders ausgedrückt: Das Leben ist Krieg.
Eine Hochkultur ist keine Ausnahme von dieser Lebensregel. Ihr Dasein zerstört andere Formen, und anderseits ist sie, solange sie besteht, in einen Existenzkampf gegen den Außenstehenden verwickelt. Dabei zwischen Angriff und Verteidigung unterscheiden zu wollen, ist schierer Unsinn. Verteidigung ist Angriff, Angriff ist Verteidigung. Die Frage, wer in einem Krieg zuerst zuschlägt, steht auf der gleichen Stufe wie die Frage, wer in einem Boxkampf dem Gegner den ersten Schlag versetzt. Auf seinem Weg in ein Zeitalter der Kriege läßt das 20. Jahrhundert diese ganze Heuchelei und legalistische Taschenspielerei fallen. Aber während es dieser seiner kritischsten Zeit gegenübersteht, einer Zeit, die die höchsten Anforderungen an seine seelisch-geistigen Reserven und seine physikalischen Hilfsquellen stellt, ist es schwer krank. Diese Krankheit ist Kulturentstellung.
Kulturentstellung nennen wir den Zustand, bei dem äußere Lebensformen die Kultur von ihrem rechten Lebensweg abbringen. Ebenso wie eine Krankheit einen Menschen außer Gefecht setzen kann, ist es auch mit einer Kulturkrankheit, und das ist es, was mit dem Westen nach der Jahrhundertwende geschah. Der Westen muß klar erkennen, was Kulturentstellung ist.
Wir haben schon gesehen, daß das Wort außen, wenn es in organischem Sinn gebraucht wird, keine geographische Bedeutung hat. Das Phänomen der Kulturentstellung ist das Resultat des Wirkens äußerer Kräfte innerhalb des Kulturkörpers; diese nehmen am öffentlichen Leben und an der Politik teil und lenken die physischen und geistigen Kräfte der Kultur auf Probleme, die nichts mit ihrer inneren Aufgabe zu tun haben. Ein Augenblick des Nachdenkens genügt, um zu erkennen, daß während der Zeit der Kultur – im strengen Sinne – vor der Wende zur Zivilisation eine solche Kulturerkrankung eine Unmöglichkeit gewesen wäre. Während dieser Zeit waren die Formen der Kultur, in allen Lebensrichtungen, so hoch entwickelt, daß es nicht nur hochbegabter Menschen bedurfte, um sie zu meistern, sondern daß sie dabei auch selbst diese Menschen beherrschten. Ein europäischer Denker, Künstler oder Mann der Tat hätte im 17. Jahrhundert kaum versuchen können, europäische Kräfte auf asiatisches Denken, asiatische Kunst oder Formen des Handelns zu konzentrieren; auf jeden Fall ist das achthundert Jahre lang im Westen nicht vorgekommen, außer in rudimentären Anfängen. Wir können uns Cromwell, Oxenstierna oder Oldenbarneveldt nicht vorstellen, wie sie sich mit der Wiedereinsetzung der Dynastie der Abbasiden in Kleinasien befassen oder der Vertreibung der Mandschuusurpatoren aus der versteinerten chinesischen Kultur. Aber hätte ein europäischer Staatsmann mit Erfolg europäische Kräfte auf ein solches total fremdes und fruchtloses Unternehmen hingelenkt, so wäre das Kulturentstellung gewesen. Wenn es einem Künstler gelungen wäre, die abendländische Ölmalerei in den Stil der ägyptischen Linearmalerei oder der antiken Plastik zu verwandeln, so wäre auch das Kulturentstellung gewesen. Die zukünftige europäische Geschichtsphilosophie im 20. und 21. Jahrhundert wird ausführlich die entstellenden Auswirkungen aufzeichnen, die die von Winckelmann im 18. Jahrhundert eingeführte Schwärmerei für die Antike auf Architektur, Literatur und Wirtschaftstheorie an der Oberfläche mit sich brachte. Sie wird auch die unzähligen Entstellungen aufführen – in allen Bereichen des europäischen Lebens, auch in dem der Tat – die während des rationalistischen Zeitabschnitts (1750-1950) aus dem Kulturschmarotzertum hervorgingen. Dieses Werk befaßt sich in erster Linie mit der Tatseite des Lebens und mit den Entstellungserscheinungen der Gegenwart und der unmittelbaren Zukunft, d. h. der nächsten hundert Jahre.
Bei der Darstellung der Gliederung einer Hochkultur sahen wir, daß nicht die ganze Bevölkerung eines Kulturgebiets der Idee zugänglich ist. Die höhere, seelisch feinfühligere Schicht ist der Idee gegenüber aufgeschlossen, aber nach unten wird die Aufgeschlossenheit immer geringer; »unten« natürlich nicht im wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen, sondern im seelisch-geistigen Sinne. Also kann man einen Mann der allerniedrigsten geistigen Schicht in hoher Stellung finden, wie das Ungeheuer Marat. Solche Individuen sind allem Anschein nach Glieder der Kultur; sie gehören zu keiner andern Kultur, auch keiner toten aus der Vergangenheit, aber in ihren Seelen lebt der Wunsch nach Zerstörung alles gestaltenden Lebens. Auf ihre Motive kommt es nicht an, denn ihre Denkweise ist klar.
Solche Individuen – die in diesem Jahrhundert eine ganze große Schicht bilden – sind einfach unter der Kultur. Sie sind nur physisch innerhalb des Kulturkörpers. Sie drückten sich in England in Erscheinungen nach Art von Wat Tylers und Jack Cades Aufstand aus; in Deutschland im 16. Jahrhundert in den Bauernkriegen und in Frankreich im Terror von 1793 und in der Kommune von 1871. In der deutschen Nation des 19. Jahrhunderts war diese Schicht als der deutsche Michel bekannt. Erscheinungen dieser Art dürfen nicht mit Kulturschmarotzertum verwechselt werden. Das Michelelement – das in ganz Europa vorkommt und nicht nur in der vormaligen deutschen Nation – ist einfach der Bodensatz, aber es ist nicht an sich fremd. Es ist ein organischer Bestandteil jeder Kultur, wohingegen das Schmarotzertum nur zufällig ist und ohne Notwendigkeit. Das Michelelement einer Kultur ist nicht pathologisch und ist keine kulturelle Gefahr an sich. Seine einzige Gefahr liegt darin, daß es dem Vernichtungswillen dient, sei er autopathisch, wie im Liberalismus und Kommunismus und in der Demokratie, oder exopathisch, wie im Fall der außereuropäischen Mächte, die im Zeitalter der Weltkriege den Tiefpunkt der europäischen Zivilisation herbeiführten. Gerade in dieser Lage zeigte der europäische Michel sein Zerstörungspotential. Er betete entweder die Primitivität des russischen Vandalismus an oder das seelenverderbende Übel des Hollywoodismus. Einzig und allein dank dieser europäischen Michelschicht konnten die außereuropäischen Mächte Europa physisch und geistig unter sich aufteilen. Es waren die europäischen Michels, mit ihrer Neigung zum Formlosen, die Europa vor dem Barbaren und dem Verderber erliegen ließen. In ihrem abgrundtiefen Haß gegen alle Größe und Schöpferkraft ließen sie sich während des Zweiten Weltkrieges sogar zu Sabotage- und Kampfgruppen innerhalb Europas formieren, um für den militärischen Sieg der Barbaren zu arbeiten. Nach dem Kriege erfuhren sie indessen, daß ihr Geschick aber doch mit dem der schöpferischen Kräfte der Kultur eng verknüpft war, denn sie litten gemeinsam mit dem übrigen Europa unter den schauerlichen Nachwirkungen des Sieges der Barbaren und Verderber.
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Das Schicksal eines lebendigen Organismus darf nicht mit der gerade entgegengesetzten Prädestinationslehre verwechselt werden. Die letztere beruht auf einer kausalen Idee, sowohl in ihrer religiösen Form, dem Calvinismus, als auch in ihrer materialistischen Form, dem Mechanismus und Determinismus. Das Schicksal ist nicht kausale, sondern organische Notwendigkeit. Die Kausalität erhebt Anspruch auf absolute Notwendigkeit, das Schicksal dagegen ist nur innere Notwendigkeit, und jedes Kind, das beim Spielen infolge eines Unfalls getötet wird, zeigt uns, daß das Schicksal dem äußeren Zufall unterworfen ist. Das Schicksal sagt nur: Wenn es sein wird, dann wird es so und nicht anders sein.
Zu Beginn der Behandlung des Kulturvitalismus wurde gesagt, daß, wenn es den außerkulturellen Kräften nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen wäre, die ganze kulturtragende Schicht Europas zu zerstören, diese Schicht in dreißig bis sechzig Jahren wieder vorhanden gewesen wäre. Diese Behauptung war natürlich hypothetisch, denn es gelang ja nicht, diese Schicht zu zerstören, was allein durch die Tatsache bewiesen wird, daß dieses Werk geschrieben und gelesen wird. Die Grundlage für diese Behauptung bildete die gewaltige, immer junge Lebenskraft einer Hochkultur. Der Westen hat eine Zukunft, und diese Zukunft muß innerlich erfüllt werden. Wir unterscheiden zwischen innerlich und äußerlich, denn ob der Westen die äußeren Möglichkeiten erfüllt, ist ebensosehr eine Sache des Zufalls wie des Schicksals.
Die innere Zukunft des Westens schließt viele notwendige Entwicklungen ein wie die Wiedergeburt der Religion, die Erreichung neuer Höhepunkte in Technik und Chemie, Vervollkommnung des Rechts und der Verwaltung und andere. Diese könnten sich alle auch unter der dauernden Besetzung von Barbaren aus andern Erdteilen erfüllen. Die großartigste und mächtigste Seite des Lebens, die der Tat, des Krieges und der Politik, würde sich unter einem solchen Regime in anhaltender, unerbittlicher, bitterer Auflehnung gegen den Barbaren ausdrücken. Statt die Fahne des Westens an den entferntesten Punkten der Erde aufzurichten, müßte sie sich darauf beschränken, zu versuchen, den geweihten Boden Europas von der Gewaltherrschaft der Primitiven zu befreien. Daher war es kein kausales Prädestinationsdenken, wenn gesagt wurde, daß die kulturtragende Schicht sich auch dann wieder bilden würde, wenn alle ihre Glieder nach dem Kriege durch Henkergerichte beseitigt worden wären. Diese Behauptung schloß folgendes ein: Entweder wird der Westen sein gewaltiges, weltumspannendes Schicksal eines unbegrenzten, absoluten Imperialismus erfüllen oder – alle diese seine Kraft wird sich auf europäischem Boden im Krieg gegen den Fremden und die ihm dienenden europäischen Elemente erschöpfen. Wie bei allen Kriegen hat auch die Notwendigkeit dieses Geschehens nichts mit Haß zu tun. Es gibt nur die Wahl zwischen einem kulturfördernden und einem kulturentstellenden Krieg, nicht zwischen Krieg und Frieden.
Bleibt Europa unter der Herrschaft der äußeren Mächte, so wird es das Grab ihrer Soldaten werden, denn seine Kraft kann nicht durch eine Flut von Propaganda, Besatzungsheere von »Soldaten« oder gar durch Millionen von Verrätern aus der Michelschicht zunichte gemacht werden. Blut wird fließen, ob die Menschen es wollen oder nicht. Es liegt in der Natur überpersönlicher Organismen, ihre Möglichkeiten auszudrücken; wenn es auf die eine Weise nicht geschehen kann, dann geschieht es auf eine andre Weise. Diese Idee verpflichtet sich die Menschen und entläßt sie nur im Tod. Es ist eine selektive Verpflichtung: je höher die Gaben eines Menschen, desto stärker fesselt ihn die Idee.
Was können die Barbaren und die Verderber dem entgegenstellen? Gegen ihre mordgierigen russischen Sklaven, ihre primitiven Neger, ihre unglücklichen, heimverlangenden nordamerikanischen Rekruten setzt Europa seine unüberwindliche überpersönliche Überlegenheit ein. Europa steht am Anfang eines welthistorischen Prozesses, dessen Ende weder abzusehen ist, noch können wir sehen, wann – oder selbst ob – ihm völliger Erfolg beschieden sein wird. Vielleicht werden vor dem Ende die äußeren Mächte das Gewimmel der chinesischen und indischen Massen gegen die westliche Zivilisation mobilisieren. Das hat keinen Einfluß auf die Fortdauer des Konflikts, nur auf seinen Umfang.
Um Europa weiter unterjochen zu können, ist es absolut notwendig, daß die Außenmächte über eine große Anzahl Europäer – ganze Gesellschaftsgruppen, Schichten, Überreste der abgestorbenen Nationen des 19. Jahrhunderts – verfügen können. In ein vereintes Europa hätten sie nie eindringen können, und nur gegen ein geteiltes Europa können sie sich behaupten. Spalten! Teilen! Unterschiede machen! Das ist die Technik des Eroberers. Alte Ideen, alte Schlagworte wieder ausgraben, um Europäer gegen Europäer aufzuhetzen, aber dabei immer mit der schwachen, kulturlosen Schicht gegen die starken Träger der Kultur arbeiten. Diese müssen »vor Gericht gestellt« und gehängt werden. Solche Verwendung der Unterschicht der Kultur durch die äußeren Mächte ist die gefährlichste Form der Kulturkrankheit, die wir Kulturentstellung nennen. Sie ist indessen eng verwandt mit einer andern Krankheit, der Kulturreaktion.
Kulturreaktion als eine Form der Kulturentstellung
Bei der Untersuchung der Gliederung einer Kultur wurde der unaufhörliche Kampf zwischen Tradition und Neuerung sichtbar; dieser Kampf ist durchaus normal und begleitet die Kultur von der Feudalzeit bis in den Cäsarismus, vom gotischen Dom bis zum Wolkenkratzer, von Schütz bis Wagner, von Anselm von Canterbury bis zum Philosophen unserer Zeit. In der Zeit von 1000 bis 1800 kam indessen niemand, der gegen eine neue abendländische Idee kämpfte, der Gedanke, daß er ihre Verwirklichung um jeden Preis, sogar um den Preis der Kultur selbst, verhindern müsse. Genauer gesagt: Keine europäische Macht und kein europäischer Staatsmann hätte ganz Europa dem Barbaren ausgeliefert, nur um eine andre Macht oder einen andern Staatsmann besiegen zu können. Im Gegenteil, wenn der Barbar vor den Toren stand, trat ganz Europa ihm entgegen, wie damals, als es endlich im Augenblick der höchsten Gefahr gegen den Türken zusammenstand. Nach der Niederlage des europäischen Heeres bei Nikopolis 1396 schwor Sultan Bajazid, daß er nicht ruhen würde, bis er die Peterskirche in einen Pferdestall verwandelt hätte. Zu jenem Zeitpunkt der abendländischen Geschichte sollte das nicht sein. Die totale Unterwerfung Europas unter die äußeren Mächte der Vernichtung wurde erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts erreicht. Und sie wurde nur erreicht, weil gewisse Elemente Europas lieber ganz Europa zugrunde richteten, als es in die nächste Kulturphase, die des Wiedererwachens der Autorität, übergehen zu lassen.
Ein derartiges historisches Phänomen tritt nicht plötzlich auf; die Anfänge dieser verhängnisvollen Spaltung des Westens sind im Rationalismus zu suchen. Schon im österreichischen Erbfolgekrieg zeigte sich eine neue Wildheit, die die kommende Spaltung ankündigte. Die Verbündeten dieses Krieges beabsichtigten tatsächlich, das Gebiet einer Kulturnation, Preußen, vollständig unter Schweden, Österreich, Frankreich und – Rußland aufzuteilen. Zwar figurierte Rußland unter den Romanows, vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, als Staat und Nation europäischen Stils; dennoch gab es auf beiden Seiten unverhüllte Zweifel. Es war doch ein Unterschied, ob man ein asiatisches Grenzland wie Polen zwischen europäischen Mächten und Rußland aufteilte oder den europäischen Mutterboden mit Rußland teilte. In dem Kampf der Dynasten und Traditionalisten setzte sich diese Tendenz fort, und beim Wiener Kongreß konnte der Zar, dessen Truppen halb Europa besetzt hielten – eine Tatsache, an die er die europäischen Herrscher oft erinnerte – als Retter Europas auftreten. Als England und der Fürstenbund ihren Kampf gegen einen europäischen Herrscher, Napoleon, so weit trieben, daß sie russische Truppen in europäische Hauptstädte einließen, grenzte das schon ans kulturell Pathologische. Es ist jedoch ganz sicher, daß der europäische Anstrich, den Rußland sich gegeben hatte, dabei bestimmend war: Der Fürstenbund und Pitts England hätten kein nihilistisches Rußland oder den Türken nach Europa hineingelassen, um Napoleon zu besiegen und damit sich selbst.
Aber die Tendenz ging weiter im Ersten Weltkrieg, einem Krieg zwischen England und Deutschland als Nationen im Stile des 19. Jahrhunderts, nahm England wieder Rußland zum Bundesgenossen und stellte vor Europa und Amerika die Despotie der Romanows als »Demokratie« hin. Zum Glück für den Westen gab es eine Abwehrtendenz, und als die Bolschewisten nach dem Kriege den Marsch nach Westen antraten, wurden sie 1920 vor Warschau von einer europäischen Koalition zurückgeworfen. Diesen Armeen gegen den Bolschewismus gehörten Deutsche, Franzosen und Engländer an, die gestern noch Feinde gewesen waren, aber sich nun gegen die Barbaren vereinigten. Sogar die Amerikaner sandten zweimal Expeditionsstreitkräfte gegen die Bolschewisten aus, einmal nach Archangelsk, ein andermal nach Ostsibirien.
Vor dem Zweiten Weltkrieg schien es mehrmals, als ob der kommende Krieg die Form eines Kampfes einiger der kleinen europäischen Staaten gegen Rußland annehmen würde, bei dem andere europäische Staaten neutral bleiben und wirtschaftliche Hilfe leisten würden. So schien es auch im Juni 1936, als die führenden vier dieser kleinen Staaten ein Protokoll unterzeichneten, das einem allgemeinen Einverständnis zwischen ihnen konkrete Form gab. Dieses Protokoll wurde nie ratifiziert. Nicht weniger als zwanzig einzelne Versuche wurden 1933 bis 1939 von den Trägern der Idee des 20. Jahrhunderts unternommen, um zu einer allgemeinen Übereinstimmung mit den kleinen Staaten zu gelangen, die noch im Bann der Idee des 19. Jahrhunderts standen, obwohl diese inzwischen schon Zeichen von Leichenstarre aufwies. Selbstverständlich waren die führenden Geister der kulturtragenden Schicht in diesen kleinen Staaten in Fühlung mit der neuen Idee, aber gewisse Elemente standen ihr entgegen infolge ihres Mangels an geistiger Empfänglichkeit, ihrer materialistischen Flachheit, ihrer negativen Mißgunst, ihrer festen Verwurzelung in der Vergangenheit und – um den wichtigsten Grund zuletzt zu nennen – infolge ihres materiellen Interesses an der Verewigung der internationalen und binnenländischen Wirtschaft im Stile des 19. Jahrhunderts, aus der sie allein den Gewinn zogen und unter der die ganze westliche Zivilisation litt. Diese Elemente entschieden, lieber die Aufteilung Europas zwischen Asien und Amerika zuzulassen als die Zukunft des Westens zu bejahen.
Wenn der Kampf zwischen Tradition und Neuerung, dem Alten und dem Neuen, der in jeder Kultur natürlich und normal ist, ein solches Ausmaß erreicht, dann handelt es sich um eine Erkrankung der Kultur. Diese Kulturkrankheit ist an der Intensität des Hasses gegen die Zukunft der Kultur zu erkennen. Das kann soweit gehen, daß man lieber sich selbst vernichtet als die erstarrte Vergangenheit für die lebensvolle Zukunft aufgibt. Wenn es mit den konservativen Elementen dahin kommt, daß sie die schöpferischen Elemente so sehr hassen, daß sie alles tun, um ihre militärische Niederlage einschließlich der Selbstzerstörung herbeizuführen, dann tritt die Krankheit in ein akutes Stadium und wird zum Kulturverrat.
Das Kennzeichen dieser Kulturkrankheit ist einzig eine Frage der Intensität ihres Widerstandes. Jede neue Idee in der Kultur stieß auf Widerstand – in der Architektur, Musik, Literatur, Wirtschaft, in der Kriegführung und der Staatskunst. Aber bis zu dem schrecklichen Ausbruch der Krankheit in unserm Jahrhundert hatte dieser Widerstand gegen das schöpferische Neue niemals eine Totalität erreicht, die nur als wahnwitzig bezeichnet werden kann.
Krankhaft war auch während des Zweiten Weltkrieges die nichtswürdige Kriecherei dieser Elemente vor Schmarotzern und Barbaren, denen sie sich in ihrem Haß auf Europas Zukunft freiwillig unterworfen hatten. Unvergeßlich bleibt die Ehrlosigkeit, mit der sie den russischen Horden Millionen europäischer Soldaten auslieferten, die in den unbekannten Gräbern Sibiriens verschwanden. Dieses Michelelement half den Barbaren, arbeitete begeistert mit ihnen zusammen und übergab ihnen treuherzig alle seine Geheimnisse – was alles die Barbaren ohne Dank entgegennahmen und mit Argwohn, Sabotage und Haß vergalten.
Aber zusammen mit Europa wurden auch die Michels von Barbaren und Verderbern besiegt und unterworfen. Die Krankheit der Kulturreaktion hatte in diesem Fall für beide Teile tragische Folgen, nicht nur für die Vertreter der Zukunft, auch für die der Vergangenheit. Alles, was diese aus der allgemeinen Zerstörung gerettet haben, sind einige kleine persönliche Vorteile. Sie wurden von den Siegern als ihre Stellvertreter in Europa eingesetzt. Wie symbolisch war es doch, daß die Marionetten, denen man die einstmals wichtigen Ämter in Europa übertrug, alte Männer waren! Sie waren, selbst biologisch gesehen, alt, aber geistig waren sie zweihundert Jahre alt, verwurzelt in der abgestorbenen parlamentarischen Vergangenheit. Den neuen Beherrschern Europas war es gleichgültig, daß diesen überalterten Amtsträgern Lebenskraft und schöpferische Kraft fehlten – ja, sie hatten sie ja gerade deshalb ausgewählt, und jedermann, der Lebenskraft irgendwelcher Art erkennen ließ, wurde einer sorgfältigen Prüfung unterzogen.
Das ist das Resultat der Kulturreaktion. Ohne diese hätten die äußeren Mächte mit ihrer Primitivität und geistigen Unterlegenheit nie die Blüte der europäischen Kultur zertreten können. Jedoch hat die Kulturreaktion trotz alledem nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Das Studium der Krankheitserscheinungen anderer organischer Lebensformen bietet zahlreiche Beispiele für das gleichzeitige Auftreten von Krankheiten, wobei der von der einen Krankheit verursachte Schaden die Ausbreitung der andern Krankheit fördert, wie z. B. beim Menschen Tuberkulose und Lungenentzündung. Die gefährlichere Krankheit, die gleichzeitig mit der Krankheit der Kulturreaktion ihren Verlauf nahm und durch diese gefördert wurde, war eine verschärfte Form von Kulturschmarotzertum, das zu Kulturentstellung führt, wenn der Schmarotzer aktiv am Leben der Kultur teilnimmt.
Kulturentstellung als Folge von Schmarotzertätigkeit
Die grundlegenden Auswirkungen des Kulturschmarotzertums auf den Kulturkörper haben wir bereits gesehen: Verminderung der Kulturbevölkerung durch Verdrängung, Verlust an Kulturenergie durch Reibungen. Diese Auswirkungen entstehen aus dem bloßen Vorhandensein des Schmarotzers, wie passiv er sich auch verhalten mag. Weit tödlicher für die gesunde Verwirklichung der Kultur ist das Eindringen schmarotzender Elemente in das Kulturleben, die Tätigkeit des Kulturschmarotzers, seine Teilnahme an der Schaffung und Gestaltung der Kulturaufgaben, der Ideen und der Politik. Diese Tätigkeit des Schmarotzers erzeugt in stärkerem Maße die Reibungserscheinungen, die schon die passive Anwesenheit des Schmarotzers begleiten. In Kalifornien löste jede Zunahme der Wirtschaftsmacht der Chinesen, jede öffentliche Entfaltung ihrer Tatkraft, neue Ausbrüche antichinesischen Treibens unter den Amerikanern aus; das gleiche traf für die japanische Gruppe zu. Die schlimmsten Unruhen waren jedoch mit dem fortschreitenden Vordringen des Negers ins öffentliche Leben Amerikas verbunden. Solange der Neger sich passiv verhielt, war die Erbitterung zwischen den Rassen minimal. Von 1865 an verwandelte sich die Passivität des Negers indessen immer mehr in Aktivität. Das kam natürlich nicht von ungefähr; weiße rationalistische Elemente, Liberale, »Toleranz«-Apostel, Kommunisten begründeten die Bewegung, die die Rassengleichheit auf ihre Fahnen geschrieben hatte, und unter ihrer Führung nahm sie solche Ausmaße an, daß periodisch auftretende Rassenunruhen in den größten amerikanischen Städten zeitweise das öffentliche Leben lahmlegten. Tilsa, Beaumont, Jersey City, Chicago, Detroit, New York – sind nur einige der Städte, die in den letzten 25 Jahren der Schauplatz von Massenunruhen waren. Jedem Aufruhr geht eine Flut von rührseliger »Toleranz«-Propaganda voraus, und danach findet eine öffentliche Untersuchung statt, die als Ursache einen Mangel an »Toleranz« und »Erziehung« feststellt.
Während der amerikanischen Besetzung Englands (1942-1946) ereigneten sich mehrere größere Rassenkämpfe zwischen amerikanischen und Negertruppen, die doch beide im Einsatz gegen England und Europa waren. Das beweist die beschränkte Verwendbarkeit kulturschmarotzender Gruppen für den Wehrdienst. Diese Negertruppen nahmen eigentlich an einem amerikanischen Feldzug zur Zerstörung Europas teil, aber ein geringfügiger Vorfall in einem Wirtshaus genügte, um den Rassenhaß aufflammen zu lassen, den das Zusammenleben von Wirt und Schmarotzer erzeugt. Soldaten aus solchen Schmarotzergruppen, die immer einem Rassenaufstand nahe sind, haben wenig Wert, und was die Rationalisten und Liberalen nicht aus den Chroniken der fünftausendjährigen Geschichte der Hochkulturen gelernt hatten, lernten sie aus dieser Erfahrung. Diese Neger zeigten, daß sie gewillt waren, nicht nur Europa, sondern auch Amerika zu zerstören. Diese Beispiele erhöhter Spannung zwischen Wirt und Schmarotzer sind nur eine leichtere Form der Krankheit der Kulturentstellung, die aus der Tätigkeit von Schmarotzern entsteht. Zwischen ihnen und dem Widerstand gegen das Kulturschmarotzertum besteht nur ein Gradunterschied. Viel ernster ist die Form, bei der der Schmarotzer direkt in das öffentliche Leben der Kultur oder der Kulturnation eindringt und ihre Politik dirigiert. Weder in Amerika noch in Südafrika hat der Neger diese Bedeutung erlangt und bis jetzt auch ebensowenig die chinesischen, japanischen, levantinischen oder indianischen Gruppen in Amerika.
Eine Gruppe jedoch hat eine beträchtliche Kulturentstellung in der ganzen westlichen Zivilisation, einschließlich ihrer Kolonien in allen Erdteilen, hervorgerufen, und das ist die im Westen lebende Nachhut der vollendeten arabischen Kultur, der Jude in seiner Einheit von Kirche-Staat-Nation-Volk-Rasse.
Der arabischen Kultur, die sich um 1100 n. Chr. innerlich erfüllt hatte, verdankte der Jude seine Weltanschauung, Religion, Staatsform, sein Volksgefühl und seine Einheitlichkeit. Vom Westen aber erhielt er seine Rasse und seine Lebensaufgabe. Wir sahen, wie diese Rasse sich in den ersten achthundert Jahren unserer Kultur in den Ghettos entwickelte. Als der Rationalismus – von 1750 an – immer stärker hervortrat und der Jude die reicheren Möglichkeiten spürte, die ihm diese neue Lebensstufe des Westens versprach, begann er gegen das Ghetto, das er sich selbst in der ersten Zeit als Symbol seiner Einheit geschaffen hatte, Sturm zu laufen. Diese Rasse hatte ein anderes Rasseideal als der Westen, und es beeinflußte den rassischen Stoff, den die Ghettorasse aufnahm. Es gibt heute Juden von nordischer Färbung, aber die rassische Reinheit hat den neuen Zustrom dem alten rassischen Aussehen angeglichen. Dem vertikalen Rassismus des 19. Jahrhunderts war diese Erscheinung unheimlich, aber das 20. Jahrhundert hat das Primat des Seelisch-Geistigen bei der Rassenbildung erkannt. Wenn wir daher sagen, daß der Jude seine Rasse vom Westen erhielt, so ist damit nicht gemeint, daß er lediglich auf die Stämme der europäischen Völker zurückgriff, um seine eigene Rasse aufzufrischen – obgleich das bis zu einem gewissen Grade der Fall war und noch ist – sondern daß der Westen, indem er infolge des Imperativs seiner eigenen Kultur den Juden als eine total fremde Masse umgab, die Verwässerung und das Verschwinden der jüdischen Einheit verhütete. Denn es muß betont werden, daß, obzwar Berührung mit dem Fremden, wenn dieses innerhalb des Organismus ist, einem Organismus schadet, das Gegenteil zutrifft, wenn das Fremde außerhalb ist – ein solcher Kontakt stärkt den Organismus. Er erzeugt Krieg, und Krieg ist stärkend. Die Kreuzzüge, der Geburtsschrei des Abendlandes, machte den neuen Organismus stark, erwies seine Lebensfähigkeit. Die Kriege Kastiliens und Aragoniens gegen die Barbaren verliehen Spanien die innere Kraft, seine großartige ultramontane Sendung auf sich zu nehmen. Englands Siege auf den kolonialen Schlachtfeldern der ganzen Welt gaben ihm ein unwiderstehliches Sendungsbewußtsein. Roms Siege in den Anfängen seiner nationalen Existenz schenkten ihm die innere Festigkeit, die es in den Stand setzte, die punischen Kriege zu führen, durch welche es schließlich zum Herrn der Antike wurde.
So ist offensichtlich, daß die gegenseitige Berührung zwischen dem Westen und dem Juden für beide Organismen eine gegensätzliche Bedeutung hatte. Für den Juden war sie eine Quelle der Kraft und wirkte informierend; für den Westen war sie eine Belastung seiner Kraft und wirkte deformierend. Der Jude war innerhalb des Westens, aber der Westen nicht innerhalb des Judentums. Solange sie vor Ausrottung zurückschreckt, stärkt Verfolgung. Das Zitat, das am Anfang dieses Werkes steht, ist für den Westen heute so wahr, wie es das in der Frühzeit für den Juden war. Spricht man von Verfolgung, so nennt man den Ursprung der Lebensaufgabe des Juden. Ein Jahrtausend der Massaker, der Beraubungen, Beleidigungen, Mißhandlungen, Austreibungen und der Ausbeutung – das war das Geschenk des Westens für den Juden. Es stärkte ihn nicht nur und machte ihn rassenhart, sondern es gab ihm eine Sendung, die Sendung der Rache und der Zerstörung. Die europäischen Völker und Herrscher füllten die Seele des Fremden in ihrer Mitte mit Sprengstoff an.
Das Leben wird von der organischen Regelmäßigkeit des Krieges beherrscht. Selbst primitive afrikanische Stämme führen Kriege, wenn sie doch, soweit Kulturvölker das beurteilen können, gar nichts haben, um das zu kämpfen sich lohnt. Die Erscheinung einer Hochkultur und die Machtkonzentration, die Organisation und Gliederung ihr verleihen, erzeugen in ihrer menschlichen Umgebung, als Gegengewicht zum Schöpferwillen der Hochkultur, einen Abwehrwillen. Im Leben bedeutet Nicht-dazu-gehören soviel wie Dagegen-sein. Der Widerstand mag sich lange oder sogar immer in der Schwebe halten infolge anderen, stärkeren Widerstands; aber er ist da, als verborgene Möglichkeit. Die Berührung zweier überpersönlicher Organismen kann nur Widerstand und Krieg hervorrufen. Der Westen und der jüdische Organismus lagen während des Jahrtausends ihrer gegenseitigen Berührung in unaufhörlichem Krieg miteinander. Es war nicht der Krieg der Schlachtfelder, der feindliche Zusammenstoß von Linienschiffen, sondern ein Krieg anderer Art.
Die totale Fremdheit des Juden machte ihn für den Westen politisch unsichtbar. Er sah den Juden nicht als Nation, denn dieser hatte ja keine Dynastie, kein Territorium. Er sprach die Sprache seiner Umgebung. Er hatte keinen sichtbaren Staat im Stile des Westens. Es schien, als sei das Judentum einfach eine Religion und als solche keine politische Einheit, denn selbst im Dreißigjährigen Krieg hatte die Religion eine untergeordnete Rolle gespielt gegenüber der dynastischen Politik und der Politik der Fronde. Daher konnte der Westen, obwohl er selbst dem Juden seine politische Mission der Rache und Zerstörung gegeben hatte, ihn nicht als politische Einheit sehen. Und so war der Krieg zwischen der abendländischen Kultur und dem Juden ein unterirdischer Krieg. Der Jude konnte nicht als Einheit auftreten und den Westen offen bekämpfen, weil die Übermacht des Westens zu groß war. Gegen einen offenen jüdischen Angriff hätte sich Europa sofort zusammengeschlossen und den Juden völlig vernichtet. Der Jude mußte notgedrungen seine politischen Ziele verfolgen, indem er die Konflikte zwischen europäischen Kräften, Ideen, Staaten ergründete, sich in sie einschaltete und versuchte, das Ergebnis zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Er begünstigte immer die Seite, die auf Materialismus, auf Opposition gegen den Absolutismus und gegen die religiöse Einheit des Abendlandes, auf den Sieg der Wirtschaft, auf Freihandel und Wucher hinzielte. Das Geld war seine Waffe. Sein Leben in der Zerstreuung, sein Materialismus, sein vollendeter Kosmopolitismus schlössen den Juden von der Teilnahme am heroischen Kampf auf dem Schlachtfeld aus, und er war auf einen Krieg beschränkt, der in der Gewährung und Verweigerung von Darlehen, in Bestechung und in der Gewinnung gesetzlich vollstreckbarer Macht über Einzelpersonen bestand. Seitdem in der Frühzeit die Päpste den Christen verboten hatten, Zinsen zu nehmen, hatten sich die Juden einer begünstigten wirtschaftlichen Stellung erfreut. Cromwell holte sie nach England zurück, als er entschied, daß »nicht genug Geld im Land« sei. Im 17. Jahrhundert bereits gehörten ihnen die größten Bankhäuser in Europa. Die Bank of England selbst war auf Konzessionen gegründet, die Cromwell Ali-ben-Israel erteilt hatte. Diese Bank ging dazu über, auf Guthaben viereinhalb Prozent zu zahlen und sie an die Regierung für acht Prozent weiterzuverleihen. Bis zur Mitte unseres Jahrtausends war diese Taktik dem Juden nicht möglich gewesen. Die scholastische Philosophie, die Kirchengesetze, die Macht der Feudalherren, ihn zu berauben, der Zeitgeist – alles war gegen ihn gewesen. Thomas von Aquin z. B. lehrte im 13. Jahrhundert, daß der Handel, als Ausgeburt der Gewinnsucht, die zur Maßlosigkeit neige, verachtenswert sei; daß die Zinsnahme eine Ungerechtigkeit sei; daß den Juden das Geld, das sie durch Wucher eingenommen hatten, genommen und sie zur Arbeit und zum Aufgeben ihrer Profitgier gezwungen werden sollten. Verschiedene Päpste erließen Bullen gegen die Wirtschaftspraktiken, den Materialismus, den steigenden Einfluß der Juden.
Aber die Seele des Abendlandes veräußerlichte sich allmählich. Jahrhunderte langsamer Änderungen bereiteten den entscheidenden Wendepunkt des Jahres 1789 vor. Die alte Innerlichkeit, die der Feudalzeit ihren selbstverständlichen geistigen Zusammenhalt gegeben hatte, wurde mit der Zeit durch neue Konflikte untergraben, besonders durch die Gegensätze von Stadt und Land, Kaufmannsadel und Landadel, Materialismus und dem Geist der Religion. Die Reformation bedeutete einen Riß durch die Seele des Abendlandes. Sie brachte, als Symbol für den kommenden Sieg des Materialismus, das calvinistische System. Calvin lehrte die Unverletzlichkeit wirtschaftlicher Tätigkeit; er sanktionierte den Wucher; er deutete Reichtum als ein Zeichen der Auserwähltheit. Dieser Geist griff um sich; in England legalisierte Heinrich VIII. 1545 den Wucher. Die alte Lehre von der Sündhaftigkeit des Wuchers wurde verworfen.
Für den Juden bedeutete das die Befreiung, Erreichbarkeit der Macht, wenn auch verhüllter, unsichtbarer Macht. In der Reformationszeit kämpfte er überall gegen die Kirche, und er unterstützte Calvin gegen Luther, denn dieser, lehnte den Wucher ab. Als in England der Puritanismus – angewandter Calvinismus – siegte, schuf das dort dem Juden günstige Bedingungen. Der puritanische Schriftsteller Baxter erkannte es sogar als religiöse Pflicht an, von zwei wirtschaftlichen Möglichkeiten die einträglichere zu wählen; wählte man die weniger einträgliche, so mißachtete man den Willen Gottes. Diese Atmosphäre schützte den Juden und vermehrte seinen Reichtum und machte den alten Ausraubungen durch Monarchen und Barone ein Ende.
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Mit Beginn des 17. Jahrhunderts zeigt sich in der europäischen Geschichte eine verborgene Strömung, eine Verbiegung, eine Entstellung. In England hatte sie ihre größte Wirkung, und zwar vor allem im Wirtschaftsleben. Viele der habgierigsten Aspekte des aufkommenden Finanzkapitalismus waren gar nicht englisch, sondern waren auf den wachsenden Einfluß des Juden zurückzuführen. Aber nochmals: Diese Auswirkungen sind nicht die Schuld des Juden. Die Religion des Juden gestattete ihm, Zinsen zu nehmen, und schrieb ein unterschiedliches sittliches Verhalten vor, einmal für Juden untereinander und dann für Juden gegenüber den Goyim. Nach den jüdischen Religionsvorschriften war es verdienstlich, dem Goy Schaden zuzufügen. Dieser religiöse Grundsatz wäre vielleicht ein toter Buchstabe geblieben ohne die Lebensaufgabe des Juden, die sich in den Jahrhunderten der Verfolgung gebildet hatte. Der Jude war einfach er selbst, aber sein Einfluß war ein fremder und bedeutete eine Entstellung der abendländischen Kultur. Schon im 19. Jahrhundert, nachdem die Sanktionierung der Habgier sich dauernde Geltung verschafft hatte, wandte sich Carlyle voller Abscheu gegen dieses Schauspiel allgemeiner Dieberei und des Halsabschneidens unter schlauer, Zuhilfenahme der Gesetze, gegen das völlige Fehlen eines sozialen Gewissens, das ganze Schichten der Nation dem Elend und der Not überantwortete.
Die entstellenden Folgen, die die Anwesenheit des Juden auf das europäische Wirtschaftsleben von Anfang an hatte, sind von dem hervorragenden europäischen Nationalökonomen Werner Sombart in seinem Buch »Die Juden und das Wirtschaftsleben« (Leipzig 1911) eingehend dargelegt worden. Nachdem in der abendländischen Seele ein stärkeres Interesse für die materielle Welt erwacht war, wurde der Jude immer unentbehrlicher, mächtiger und seiner Sache gewisser. Andere Berufe als der Gelderwerb wären ihm, hätte er sie ergreifen wollen, verschlossen gewesen, denn die abendländischen Gilden ließen nur Christen zu. So blieb seine ursprüngliche wirtschaftliche Überlegenheit erhalten, und oft wurden hochgestellte Europäer von ihm abhängig. Sie wiederum konnten ihm nichts anhaben, denn das neue, den zunehmenden Handelsgeist widerspiegelnde Handelsrecht schützte ihn und seinen Besitz, seine Schuldscheine und Verträge. Die Geschichte von Shylock zeigt uns dieses Doppelantlitz des Juden: auf dem Rialto kriechend und im Gerichtssaal sich wie ein Löwe gebärdend. Es war Europa, das ihn zu diesen beiden Rollen verurteilte. Es erwartete von ihm, daß er eine ganz untergeordnete Rolle spielen würde, und eröffnete ihm gleichzeitig den Weg zu einer führenden Rolle.
Je materialistischer die Kultur wurde, desto ähnlicher wurde sie dem Juden, und desto vorteilhafter war es für ihn. Europa gab allmählich seine Exklusivität auf, aber der Jude nicht die seine – und das blieb Europa verborgen.
Um 1750 kommen die neuen Ideen auf: »Freiheit«, »Menschheit«, Widerstand gegen Religion und Absolutismus, »Demokratie«, Begeisterung für »das Volk«; der Glaube, daß der Mensch von Natur gut sei, »Rückkehr zur Natur«. In dieser Zeit gibt Lessing in seinem Schauspiel »Nathan der Weise« dem Juden die Titelrolle, was noch ein Jahrhundert früher lächerlich gewesen wäre. Die Intellektuellen begeisterten sich für den Mann aus dem Ghetto mit seinem verfeinerten Kastensystem und seiner Privatreligion. Er war der Kosmopolit, und als solcher schien er den europäischen Intellektuellen ein Hinweis auf die Zukunft zu sein. Zum ersten und letzten Male arbeiteten Europäer und Juden bei einer kulturellen Aufgabe – dem Verbreiten der neuen Ideen – zusammen. Die Kulturentstellung griff nun auf das politische Leben über. Die Form, in der sich die französische Revolution vollzog, war auf Kulturentstellung zurückzuführen. Die besondere Epoche, die dieses Ereignis bezeichnet, ist selbstverständlich eine organische Entwicklung. Die Entstellung offenbart sich in den besonderen Tatsachen, die auf diese besondere Weise in dieser besonderen Zeit und an diesem besonderen Ort geschehen. Anders ausgedrückt: Die Entstellung betraf die Oberfläche der Geschichte, nicht die Tiefe, denn in der Tiefe ist Entstellung nicht möglich, so wie Entstellung auch nur die Tatsachen im Leben eines Menschen ändern kann,- aber nicht seine innere Entwicklung. Entstellung ist nicht tödlich; sie bedeutet Verbiegung, Verzerrung, Frustration. Sie ist eine chronische Krankheit, ein Kräfteverschleiß, eine Unreinheit im Lebensstrom der Kultur. Das bekannteste Beispiel für Kulturentstellung, in der arabischen Kultur, hat O. Spengler ausführlich behandelt. Dort waren es die alten hochzivilisierten Römer, die das keimende Leben der aramäischen Welt durchdrangen. Diese neue Kultur mußte sich durch die Lebensformen der römischen Welt zwängen, um sich auszudrücken. Ihre ersten Jahrhunderte sind eine fortschreitende Emanzipation von der Kulturentstellung, ein Kampf gegen sie. Die mithridatischen Kriege sind ein früher Ausbruch dieses Kampfes. Die Römer waren die »Juden« jener Welt, d. h. die vollendeten Wirtschaftsdenker, mit vollständiger kultureller Einheit inmitten eines Gebietes erwachender Religion. Die Entstellung erstreckte sich auf jede Lebensrichtung – Recht, Philosophie, Wirtschaft, Politik, Literatur, Krieg – gerade am Beginn der Kultur, die sich nur langsam von der ganz fremden Welt des Römers befreite. Aber die innerste Seele dieser neuen Kultur blieb von der Entstellung unberührt – es waren ihre Verwirklichung, ihre Oberfläche, ihre Äußerungen, ihre Tatsachen, die entstellt wurden.
Und ähnlich sind es auch nur die Tatsachen der Zeit von 1775 bis 1815, die entstellt wurden. Der Übergang von der Kultur zur Zivilisation, den die schreckliche französische Revolution symbolisierte, hätte auch auf manche andere Weise vor sich gehen können. Es war die Politik der Kulturverderber, die französischen Staatsfinanzen von Schulden und Zinszahlung abhängig zu machen, wie sie es seit langem mit der englischen Regierung machten. Eine absolute Monarchie mit ihrer Machtzentralisierung widersetzt sich jedoch der Abhängigkeit des Staates von der Geldmacht. Deshalb sollte die konstitutionelle Monarchie in Frankreich eingeführt werden, und zu diesem Zweck erzwangen die Verderber und ihr Werkzeug Necker die Einberufung der Generalstände, deren Mitglieder großenteils auch von den Verderbern bestimmt wurden, und eine konstitutionelle Monarchie wurde eingeführt. Necker versuchte sofort, zwei große Anleihen aufzunehmen, doch ohne Erfolg. Talleyrand schlug zur Lösung der Finanzkrise die Einziehung der Kirchengüter vor. Mirabeau unterstützte diesen Vorschlag und empfahl die Emission einer Geldwährung mit dem konfiszierten Kirchengut als Deckung. Necker lehnte ab, denn solches Geld, das keine Zinsen trug und an keine Schuld geknüpft war, hätte den Verderbern nichts genützt. Während der Krise wurde Necker verbannt, und Mirabeau erhielt diktatorische Vollmachten. Er setzte sofort »Land-Geld«, wie er es ursprünglich vorgeschlagen hatte, in Umlauf, um eine Panik zu verhüten, die die Verderber hervorzurufen suchten. Aber Necker, der die Macht des Geldes und der Verderber verkörperte, brachte einen kontinentalen Krieg gegen Frankreich in Gang, zu dem er im Innern und von außen aufstachelte. Der Gedanke dabei war, daß ein Krieg Frankreich zu großen Ankäufen in England, Spanien und anderswo zwingen würde; daß die Assignaten, das Land-Geld, von den Geldmächten außerhalb Frankreichs zurückgewiesen würden und daß dann Frankreich gegenüber den Geldmonopolisten zum Nachgeben gezwungen sein würde. Von diesem Krieg führte eine gerade Linie zur Schreckensherrschaft.
Gleich zu Beginn der Zivilisationsperiode sehen wir den gigantischen Konflikt zwischen Autorität und Geld, der über Generationen hinweg in die Zukunft hineinreichen sollte. Es ist der Kampf Napoleons gegen sechs Koalitionen. Eine entstellende Geschichtsschreibung hat Napoleon als einen bloßen Eroberer dargestellt; seine Staatsphilosophie wird einfach ignoriert. Aber er hat seine Vorstellungen von einer autarken Wirtschaft Las Cases und Caulaincourt geschildert. Er sah die Wirtschaft als Produktion, nicht als Handel, und in erster Linie auf die Landwirtschaft, erst in zweiter Linie auf die Industrie und zuletzt auf den Außenhandel gegründet. Er war gegen zinstragendes Geld. Der Kampf der Verderber gegen diese Ideen trägt viel zur Form der Tatsachen der europäischen Geschichte bei, von Napoleons Amtsantritt als Konsul bis 1815. Ungeachtet dessen, wie diese Tatsachen sonst gewesen sein würden, ist es eine Entstellung der europäischen Geschichte, daß ein Kulturschmarotzer aktiv und entscheidend den Ausdruck der abendländischen Seele beeinflußte. In dem Kampf zwischen europäischen Kräften, dessen Ergebnis von der fortschreitenden Entwicklung unserer Kulturseele organisch gestaltet wird, ist es eine Verzerrung und Entstellung, wenn das Gleichgewicht durch das Eingreifen einer total fremden Macht gestört wird. Wir wissen nicht, wie die Geschichte andernfalls verlaufen wäre, aber es hegt auf der Hand, daß die Geldmacht während des 19. Jahrhunderts niemals eine so absolute Herrschaft ausgeübt hätte ohne die Krankheit der Kulturentstellung. Es wären dann immer zwei Pole in der abendländischen Seele – und in der jedes einzelnen – gewesen: der Pol des Denkens in Geld und der Pol der Autorität und Tradition. Der absolute Triumph des Geldes forderte von Europa einen schrecklichen Tribut an Menschenleben und Gesundheit. Er opferte die Bauernschaft ganzer Länder den selbstsüchtigen Interessen des Handels. Er entfesselte Kriege, in denen das Blut von Patrioten für private Interessen floß. Es genügt, den Opiumkrieg zu nennen – einen Krieg, in dem englische Soldaten und Matrosen sterben mußten, um dem chinesischen Kaiser die Anerkennung und den Schutz des Opiummonopols abzuzwingen, das Kulturverderber in Europa besaßen. Das Schuldensystem wurde jedem europäischen Staat aufgezwungen. Preußen borgte 1818 von Nathan Rothschild. Rußland, Österreich, Spanien, Portugal folgten. Aber der flache materialistische Zeitgeist blieb blind. Eine Philosophie, die Berkeley und Leibniz hervorgebracht hatte, gab sich nun mit Mill und Spencer zufrieden. Dem Wirtschaftsdenken der Zeit genügte Adam Smith, der – angesichts des Niedergangs und der Armut von Millionen – lehrte, daß, wenn nur jeder einzelne seinen eigenen selbstischen wirtschaftlichen Interessen nachginge, das gemeinsame Leben gefördert würde. Wenn so unbegreifliche Behauptungen allgemein akzeptiert werden, ist es nicht verwunderlich, daß nur wenige Europäer sich der Entstellung des europäischen Kulturlebens bewußt waren. Einer dieser wenigen war Byron, was uns »The Age of Bronze« und Zeilen in »Don Juan« und anderen Dichtungen zeigen. Auch Charles Lamb und Carlyle erkannten es, aber sonst waren die Europäer größtenteils darauf erpicht, der Aufforderung Louis Phillipes nachzukommen: »Enrichissevous!«
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Das Wirtschaftsleben, obwohl in seinen Formen von der Kultur beeinflußt, ist eigentlich nur der Rohstoff für die Kultur, eine Vorbedingung für das höhere Leben. Die Rolle der Wirtschaft in einer Hochkultur entspricht ihrer Rolle im Leben schöpferischer Menschen wie Cervantes, Dante oder Goethe. Wäre ein solcher Mann an eine Arbeitsstelle gefesselt, käme das einer Entstellung seines Lebens gleich. Jede Hochkultur ist schöpferisch – ihr ganzes Leben besteht in fortwährendem überpersönlichem Schaffen. Stellt man also das Wirtschaftsleben in den Mittelpunkt und sieht es als Leben an und alles andere als nebensächlich, dann ist das eine Entstellung der Kultur. Aber in diesem Sinne wirkten, von zwei Seiten, die Verderber. Die Meister des Geldes arbeiteten einzig daran, die Geldherrschaft über den alten Traditionen des Westens zu errichten, und von unten war es das Ziel des Marxismus, daß das Proletariat die europäische Zivilisation zu seinem Besten ausbeuten müsse.
Aus unserer Untersuchung der Gliederung einer Kultur kennen wir die kulturelle Bedeutung des »Proletariats«. Sie ist – in einem Wort gleich Null. Das ist eine schlichte Tatsache, nicht eine ideologische Behauptung, und weil es eine Tatsache ist, wählt der Verderber Marx, mit seinem abgrundtiefen Haß auf die europäische Zivilisation, das Proletariat als Werkzeug der Zerstörung. In ihrem instinktiven Versuch, den Körper des verhaßten Westens zu zerstören, suchten die Verderber von oben und von unten die einzigen Techniken anzuwenden, die sie verstanden – wirtschaftliche. Aber das – es kann nicht oft genug wiederholt werden – steht jenseits von Lob und Tadel: Die Verderber handelten aus innerem Zwang, ihr Verhalten war irrational, unbewußt, es entsprang organischer Notwendigkeit.
Die Idee des Geldes und die Idee des Klassenkampfes auf wirtschaftlicher Basis erscheinen auch in andern Kulturen in der entsprechenden Zeitstufe. Das bloße Vorhandensein dieser Erscheinungen ist noch keine Entstellung unseres Lebens, nur ihre Universalität, ihre absolute Form, und die Erbitterung, mit der sie den ganzen Westen verwirrten und spalteten. Die Gegenwart des Verderbers, als einer Art organischen Katalysators, ist in alle diese auflösenden und zerrüttenden Ideen und Entwicklungen verflochten. Nur infolge seiner eigenen Veräußerlichung erlag der Westen dieser Kulturentstellung. Sobald Europa angefangen hatte, sich mit dem Materialismus einzulassen, verstärkten die Verderber diese Tendenz. Nach dem Fallen der ersten Schranken arbeitete er auf die Beseitigung aller Unterscheidungen hin. Er verwandelte den Deismus in Atheismus – behielt aber seine eigenen Schriftzeichen und Gebetsriemen bei. Durch seine immer absoluteren Forderungen vertiefte er die Spaltung in dem Kampf zwischen Rationalismus und Tradition. Allein der Status des Verderbers gab Anlaß zu Zwietracht in den europäischen Nationen. In England wurde das öffentliche Leben durch die immer wieder zur Sprache kommende Frage des jüdischen Status entstellt. Diese Frage hatte nicht das geringste mit dem englischen Organismus zu tun, aber in einem Streitfall nach dem andern verzehrten sich die Engländer im Kampf für oder gegen Dinge wie jüdisches Bürgerrecht, Zulassung der Juden zum Parlament, zur Advokatur, zu den freien Berufen, zu Regierungsstellen. Ähnliche Kämpfe spalteten die europäische Gesellschaft in allen Ländern. Die stetig steigende Unterordnung des Wirtschaftslebens unter die Finanzherrschaft führte zu einer Verwüstung des materiellen und geistigen Lebens der arbeitenden Bevölkerung und der Bauern in allen europäischen Ländern. Daß während des 19. und des 20. Jahrhunderts Millionen infolge mangelnder Hygiene, Unterernährung und menschenunwürdiger Lebensbedingungen und durch Typhus und Tuberkulose umkamen, ist auf die Umwandlung der Produktionswirtschaft in ein Kampffeld des Meisters des Geldes gegen den Unternehmer und Industriellen zurückzuführen. Es war der Meister des Geldes, der den Sieg der Aktiengesellschaft als neue Form des Besitzes zustande brachte. Das zwang jeden Geschäftseigentümer in die Knechtschaft des Meisters des Geldes, denn dieser war es, der die Aktien kaufte und dann dazu überging, die Belegschaft der Unternehmen zu bedrücken, indem er den Gewinn der Industrie ganz in Dividenden verwandelte. Für einen Bankier sind die Löhne, die Menschen als wirtschaftliche Grundlage für ihr Leben gezahlt werden, lediglich »Produktionskosten«. Wurden diese »Kosten« gesenkt, so stieg sein Profit. Was machte es schon, ob das dazu führte, daß rachitische Kinder aufwuchsen, Familien hungerten und das Leben der Nation Schaden erlitt – das Ziel war der Profit. Der Theorie nach konnte jeder Arbeiter, wenn er wollte, ein Meister des Geldes werden. Es war seine eigene Schuld, wenn er es nicht wurde. Die Geldherren waren niemand etwas schuldig, denn sie hatten sich aus eigener Kraft hochgearbeitet. Etwas ganz anderes war es natürlich, wenn ihr ausländischer Besitz gefährdet war; dann war es die patriotische Pflicht der Hungerleider, die Meister des Geldes zu retten.
Es war nicht anders zu erwarten, als daß die schrecklichen Folgen der Geldherrschaft, nämlich daß ganze Bevölkerungsteile am Rande des Verhungerns dahinlebten, zu einer Gegenwirkung führten. Die gärende Unzufriedenheit der Massen wurde jedoch ebenfalls zu einem Werkzeug der Politik der Verderber gemacht. Von oben setzte die Finanztechnik, von unten die Gewerkschaftstechnik den Feind – den Körper der abendländischen Zivilisation – unter Druck. Die Rolle des Verderbers war es, die Spaltung zu vertiefen und zu seinem Vorteil auszunutzen. Kein Historiker hat die politische Taktik des Kulturverderbers und ihre Auswirkung jemals besser dargestellt als Baruch Levy in seinem berühmten Brief an Marx: »Das jüdische Volk, als Ganzes genommen, wird selbst sein Messias sein. Seine Herrschaft über die Welt wird erreicht werden durch die Vereinigung der übrigen menschlichen Rassen, die Beseitigung der Grenzen und der Monarchien, die der Wall des Partikularismus sind, und durch die Errichtung einer Weltrepublik, die überall den Juden die Bürgerrechte zubilligen wird. In dieser neuen Organisation der Menschheit werden ohne Opposition die Söhne Israels, die von jetzt an auf der ganzen Oberfläche der Erde verstreut sind, überall das führende Element sein, besonders wenn es ihnen gelingt, die Arbeitermassen unter die feste Leitung von einigen der ihrigen zu bringen. Die Regierungen der Völker, die die Weltrepublik bilden, werden mit Hilfe des Sieges des Proletariats ohne Anstrengungen alle in jüdische Hände geraten.
Das Privateigentum wird dann durch die Regierenden jüdischer Rasse unterdrückt werden können, die überall das Staatsvermögen verwalten werden. So wird die Verheißung des Talmud erfüllt werden, daß die Juden, wenn die Zeiten des Messias gekommen sind, die Schlüssel für die Güter aller Völker der Erde besitzen werden.«
So äußerte sich der Fremdkörper im abendländischen Organismus. Für den Verderber ist nichts Böses dabei – für ihn ist Europa ein gefühlloses Ungeheuer – stolz, selbstsüchtig und grausam. Die Lebensbedingungen dieser beiden Organismen – wie überhaupt zweier Organismen von solchem Rang – sind einfach ganz verschieden. Die wirtschaftliche Besessenheit des Westens, die seine Seele aushöhlt, ebnet dem Verderber den Weg, und so ist es für ihn nur ein selbstverständliches Gebot, sie zu fördern. Es ist das ewige Verhältnis von Wirt und Schmarotzer, wie wir es auch in der Pflanzen- und Tierwelt finden. Nicht daß Kulturentstellung den Wirt töten kann; sie kann nicht die Seele selbst erreichen, sondern nur auf die Äußerungen der Seele im Stadium der Verwirklichung einwirken. Könnte die Entstellung die Seele erreichen, dann würde sie nicht mehr als Entstellung empfunden werden. Aber die Seele besteht fort in unveränderter Reinheit und Intensität, nur ihre Veräußerlichung ist entstellt. Und hier liegt der Ursprung der Spannung: die Trennung zwischen dem, was möglich war, und dem, was tatsächlich wurde, ist sichtbar geworden. Die Gegenwirkung setzt ein: Mit jedem Sieg der Kulturentstellung wächst das Gefühl der Frustration, und um so entschlossener ist die Feindschaft der kulturtragenden Schicht. Diesen Prozeß kann keine Propaganda beeinflussen, denn er ist organisch und muß eintreten, solange der Organismus noch am Leben ist.
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Die Kulturentstellung zieht jeden Bereich des Kulturlebens in Mitleidenschaft. Befindet sich die Kultur politisch in einer nationalistischen Phase, wie Europa im 19. und im Anfang des 20. Jahrhunderts, können nicht nur das Leben jeder Nation entstellt werden, sondern auch die Beziehungen zwischen den Nationen. Wir wollen das an einem hypothetischen Beispiel erläutern. Nehmen wir an, der chinesischen Schmarotzergruppe in Amerika wäre ein kulturentstellender Einfluß möglich gewesen; hätte diese Gruppe dann zu einer Zeit, als, sagen wir, England seine Interessensphären in China absteckte, in Amerika öffentlichen Einfluß gehabt, dann hätte sie zwangsläufig auf einen Krieg Amerikas gegen England hingearbeitet. Und wäre ihr öffentlicher Einfluß stark genug gewesen, so wäre es ihr auch gelungen. Das wäre ein intrawestlicher Krieg aufgrund chinesischer Interessen gewesen und somit eine Entstellung des internationalen Lebens der westlichen Zivilisation. Dieser hypothetische Fall ist – nur mit anderen Partnern – während des 19. Jahrhunderts wiederholt eingetreten. Welches europäische Land auch immer den Kulturverderber verfolgte oder zu lange zögerte, ihm die Bürgerrechte, den Rechtsschutz und die finanziellen Möglichkeiten, die er brauchte, zu gewähren, wurde zum Objekt seiner Politik. Die Entstellung war niemals absolut, denn so weit reichte der öffentliche Einfluß des Verderbers nie; es war immer nur ein verborgener Einfluß, kein offener Befehl. Der Verderber erschien nie als er selbst, denn damit hätte er – ein kleiner Schmarotzer eines gigantischen Wirts – sich selbst vernichtet. Die Entstellung wurde immer in europäische Ideale gekleidet – Freiheit, Demokratie und so weiter. Auch das war wiederum nicht böse, denn diese politische Taktik war für den Verderber eine Lebensnotwendigkeit. Seine zahlenmäßige Unterlegenheit schloß einen offenen Kampf auf dem Schlachtfeld aus.
Während des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es außer der Geschichte der abendländischen Politik und Wirtschaft, an der Oberfläche des Geschehens, noch eine andere Geschichte – die des Vordringens des Kulturschmarotzers durch seine eigene Politik mit der sich daraus ergebenden Entstellung der europäischen Politik und Wirtschaft. Das zeitgenössische Europa konnte dieser Geschichte kaum gewahr werden. Infolge seines politischen Nationalismus konnte es sich eine politische Einheit ohne ein bestimmtes Territorium, ohne eine bestimmte Sprache, ohne eine »Verfassung«, ein Heer, eine Flotte, ein Kabinett, kurz ohne alles, was für europäische Begriffe dazugehört, nicht vorstellen. Es wußte nichts von der Geschichte der arabischen Kultur und ihrer Idee der Nation, noch von der Einheit ihres im Westen verstreut lebenden Überrestes. Aber mittlerweile arbeitete diese Einheit in jeder europäischen Nation für die Annahme von Verfassungen, die Schwächung der aristokratischen Formen, die Verbreitung der »Demokratie«, die Parteienherrschaft, die Erweiterung des Stimmrechts und die Beseitigung der alten Exklusivität des Abendlandes. Die Demokratisierung eines Landes war die Voraussetzung für die Eroberung der Macht. War der Widerstand dagegen zu groß, so wurden andere Staaten, wo man die Macht bereits an sich gerissen hatte, gegen die widerspenstige Nation mobilisiert, und ein Krieg war die Folge. Rußland – das immer noch als ein Mitglied des europäischen Staatensystems figurierte – Österreich und Preußen widerstanden während des ganzen 19. Jahrhunderts der Kulturentstellung.
Auch die Romkirche wehrte sich hartnäckig und wurde als Feind vorgemerkt. 1858 war, wie der Fall Mortara zeigt, der Punkt erreicht, da der Kulturverderber die französische Regierung und die englische öffentliche Meinung mobilisieren konnte. Wenn das Privatschicksal eines jüdischen Kindes einen internationalen Zwischenfall hervorrufen konnte, dann ist es nicht überraschend, daß wichtige jüdische Angelegenheiten viel schwerwiegendere internationale Folgen im politischen System des Westens nach sich zogen. Rußland, das Land der Pogrome, war der größte Feind. Wir haben gesehen, daß, als 1906 in Kiew ein großer Pogrom vorkam, die Roosevelt-Regierung in Amerika die diplomatischen Beziehungen zur russischen Regierung abbrach. Da keine Amerikaner in irgendeiner Weise von dem Pogrom betroffen wurden, verrät dieser Vorfall die Macht des Verderbers. Wären die Opfer des Pogroms Lappen, Kosaken, Balten oder Ukrainer gewesen, so hätte Washington keine Notiz davon genommen.
Der Erste Weltkrieg brachte, in seiner ursprünglichen Form wie auch in seiner weiteren Entwicklung, keineswegs die europäischen Probleme der Zeit zum Ausdruck. Dieser große Wendepunkt wird an andrer Stelle behandelt werden, aber die Folgen, die er für Rußland, den großen Feind des Verderbers, hatte, können dargelegt werden. In der ersten Zeit nach der bolschewistischen Revolution rühmte sich der Kulturverderber in seiner Presse laut der Verbindung mit dem Bolschewismus. Dem Rußland der Romanows wurden die Pogrome dreier Jahrhunderte tausendfach heimgezahlt. Der Zar und seine Familie wurden in Jekaterinburg erschossen und über ihren Körpern ein kabbalistisches Symbol hingeschmiert. Die ganze Schicht, die der Träger der europäischen Zivilisation in Rußland gewesen war, wurde ermordet oder vertrieben. Rußland war für Europa verloren und wurde zur größten Bedrohung des Westens. In den bolschewistischen Kriegen, Seuchen und Hungersnöten, die der Revolution folgten, kamen zwischen zehn und zwanzig Millionen Menschen um. Der Schlachtruf war: Reißt alles nieder! – was bedeutete: alles Westliche. Der Antisemitismus wurde als Verbrechen erklärt.
Dieses Beispiel führt uns vor Augen, welches Ausmaß die Kulturentstellung annehmen kann. Die gewaltige Formkraft der abendländischen Kultur hatte Rußland in ihren geistigen Wirkungskreis gezogen. Das Instrument dieser Entwicklung war Peter der Große. Die von ihm im 17. Jahrhundert begründete Romanow-Dynastie war das Symbol gewesen für den bestimmenden Einfluß des europäischen Geistes in dem ungeheuren Subkontinent, der Rußland genannt wurde, mit den wimmelnden Millionen seiner primitiven Völkerschaften. Die Umwandlung gelang natürlich nicht vollständig; das konnte sie nicht, denn eine Hochkultur ist an einen Standort gebunden und ist nicht frei beweglich. Nichtsdestoweniger gaben die Dynastie der Romanows und die europäische Schicht, die sie in Rußland repräsentierten, Europa dreihundert Jahre lang verhältnismäßige Sicherheit nach Osten. Diese Sicherheit hat der Bolschewismus beseitigt. Als die Armeen Zar Alexanders 1814 Paris besetzten, zwang die europäische Tünche ihrer Führer sie, sich wie europäische Truppen aufzuführen. Es war etwa, als besetzten europäische Truppen eine europäische Hauptstadt. Aber die bolschewistischen Truppen, die 1945 die rote Fahne im Herzen Europas aufpflanzten, hatten nicht das geringste mit Europa gemeinsam. Im Blut und in den Instinkten dieser primitiven Menschen war der wortlose Imperativ: Reißt alles nieder!
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Das Phänomen der Kulturentstellung beschränkt sich nicht auf den Bereich der Tat. Der Einfluß der antiken Kultur auf die frühe arabische Kultur, bis etwa 300 n. Chr., entstellte die Äußerungen der neu entstehenden Kultur. O. Spengler hat diese Situation, die Jahrhunderte dauerte, als »Pseudomorphose«, als Verfälschung der Formen aller Manifestationen der jungen Kulturseele beschrieben.
Die äußerste Verfeinerung unserer abendländischen Kunst und ihr esoterischer Charakter machten sie nur wenigen zugänglich und verhinderten ihre Entstellung durch Außenstehende. Europäer selbst suchten gelegentlich – wie z. B. Chippendale oder die Klassiker in der schönen Literatur, der Philosophie und den bildenden Künsten – außerkulturelle Motive einzuführen, aber indem sie sie verwandten, verwandelten sie sie auch und paßten sie unserm Gefühl an. Aber in keiner abendländischen Kunstrichtung gab es zur Zeit ihrer höchsten Blüte einen Kulturverderber. Man denke an Calderon, Rembrandt, Meister Erwin von Steinbach, Gottfried von Straßburg, Shakespeare, Bach, Leonardo, Mozart. Die Ölmalerei und die Musik blieben in der Zeit ihrer Erfüllung ganz und gar abendländisch. Als am Ende des 19. Jahrhunderts diese beiden großen Künste Geschichte geworden waren, erschienen die Verderber mit ihren gemalten Scheußlichkeiten und ihrem Musikgetöse. Infolge ihres öffentlichen Einflusses gelang es ihnen, diese Greuel als Werke hinzustellen, die eines Rembrandt oder eines Wagner würdig seien. Jeder kleinere Künstler, der in den alten Traditionen fortfuhr, wurde unterdrückt und ein Kulturverderber als großer Künstler gepriesen. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts schließlich war man soweit, einfach ganz offen alte Kunstwerke selbst zu nehmen und zu entstellen. Die Werke abendländischer Meister wurden in die Form einer »Musik« gezwungen, die man der Primitivkultur der Ureinwohner Afrikas entlehnt hatte. Es wurde nicht einmal mehr versucht, eine Originalität vorzuspiegeln. Wenn ein Kulturverderber ein Theaterstück produzierte, war es oft einfach ein Shakespearesches Schauspiel, entstellt, verbogen und dazu herabgewürdigt, die soziale Propaganda des Verderbers zu verbreiten. Jedes andere Schauspiel wurde durch das Übergewicht des Kulturfremden und seine Kontrolle des Werbewesens unterdrückt.
Die Exklusivität des Abendlandes hatte, wie im Bereich der Tat, so auch in diesem Bereich den Ausdruck seiner Seele rein erhalten, und erst infolge des Triumphes der Quantität in Ideen, Methoden und Gefühlen konnte der Kulturverderber ungehindert eindringen. Im Bereich der Tat hatten Geld, Demokratie und Wirtschaft – alle quantitativ, nicht exklusiv – den Kulturfremden öffentlichen Einfluß eingeräumt. Ohne den europäischen Materialismus und Liberalismus, ohne das Gelddenken wäre dem Fremden dieses Eindringen ebenso unmöglich gewesen wie einem Europäer die Beherrschung talmudischer Kasuistik.
Und damit kommen wir zur Zukunft. Die kommenden Entwicklungen der abendländischen Seele kennen wir. Die Autorität ersteht wieder, der alte Stolz und die alte Exklusivität des Abendlandes sind wieder da. Ein Phänomen wie Disraeli, ein Kulturverderber als Premierminister eines europäischen Staates, wäre hundert Jahre zuvor, zur Zeit Pitts, einfach undenkbar gewesen und ist heute und in der europäischen Zukunft ebenso undenkbar. Die Politik tritt in eine neue Sphäre ein: Die europäischen Nationen sind dahingegangen, aber die europäische Nation ist im Kommen. Das Wissen um die Einheit Europas verdrängt die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts. Nur Reaktionäre und Verderber traten nach dem Wiederaufstieg der Autorität der Vereinigung Europas entgegen.
Wir entfernen uns immer mehr vom Materialismus und damit vom Kulturverderber. Der Materialismus kämpft im Bereich des Denkens ein verzweifeltes Nachhutgefecht. In der Physik, Kosmogonie, Biologie, Psychologie, Philosophie und in der schönen Literatur ist er bereits überwunden. Diese unwiderstehliche Tendenz macht dem Verderber Entstellung unmöglich, denn die Angelegenheiten des Abendlandes sind ihm damit nicht mehr zugänglich. Das Abendland war immer esoterisch: Als 1790 Goethes Gesammelte Werke herausgegeben wurden, fanden sich nur 600 Subskribenten. Aber dieser Kreis genügte, um ihn in ganz Europa berühmt zu machen. Auch Buxtehude, Orlando Gibbons, Bach und Mozart schrieben für einen kleinen Zirkel, der keine Kulturverderber einschloß. Wenige Menschen des zeitgenössischen Europa verstanden Napoleons Politik in ihren letzten Verzweigungen. Die Verderber konnten nur das sehen, was sie anging. Die kulturtragende Schicht des Westens schließt sich über den zerfallenen Mauern des vertikalen Nationalismus zusammen. Das Abendland wirft den Materialismus ab und bereitet sich auf seine letzte große Aufgabe vor: die Schaffung der abendländischen Einheit von Kultur-Staat-Nation-Volk-Rasse-Reich als Grundlage für die Erfüllung des inneren Imperativs des absoluten Imperialismus.
Das Problem der Kulturentstellung ändert sich damit ganz wesentlich. Allein die Möglichkeit, daß ein Schmarotzer im öffentlichen Leben des Westens eine Rolle spielt, wird es bald nicht mehr geben. Sein gesunder Instinkt hat den Verderber veranlaßt, Europa aufzugeben und sich fortan außerhalb Europas niederzulassen. Die alten Werkzeuge des Finanzkapitalismus und des Klassenkampfes haben vor der wiedererstandenen Autorität ihre Wirksamkeit verloren, und es kommt nur noch auf Armeen an. Der Verderber sucht nun von draußen seinen alten, einem inneren Zwang entspringenden Racheauftrag zu erfüllen, wobei ihm zustatten kommt, daß es in einer westlichen Kolonie, Amerika, immer noch Kulturkrankheiten gibt, die von da aus einen entscheidenden Einfluß auf das Weltgeschehen ausgeübt haben und noch ausüben.
Viertes Kapitel. Amerika
Die Handhabung der amerikanischen Außenpolitik von 1933 an
Wie in dem Kapitel über Kulturschmarotzertum erwähnt wurde, führten die antisemitischen Ausschreitungen in Rußland nach dem russisch-japanischen Krieg (1904-1905) zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten. Da nie zuvor Ausschreitungen rassischer, kultureller, nationaler oder religiöser Art, die gegen nichtjüdische Bevölkerungsteile in Rußland oder einem andern Land gerichtet waren, dazu geführt hatten, daß eine amerikanische Regierung die diplomatischen lächerlich wirkten, wären sie doch ein Luxus für ein ausgeplündertes, besetztes Europa, das klar denken muß, wenn es wie Beziehungen abbrach, kann das nur als ein Beispiel für Kulturentstellung gedeutet werden. Veranlaßt wurde dieser aufsehenerregende internationale Schritt von gewissen Elementen in der Umgebung des damaligen Präsidenten Theodore Roosevelt, die derselben Kultur-Staat-Nation-Volk-Rasse-Einheit angehörten wie die Opfer des Pogroms.
Historiker werden ein Auftreten kulturpathologischer Erscheinungen von etwa 1900 an in der amerikanischen Außenpolitik verfolgen können. Hier kommt jedoch der Zeitabschnitt von 1933 an in Betracht, dem Jahr, das sowohl für Amerika als auch für Europa ein Schicksalsjahr war.
Die erste nicht routinemäßige Handlung des revolutionären Regimes, nach einer vorläufigen Festigung seiner Macht, war die diplomatische Anerkennung des bolschewistischen Rußland. Gegenüber einer spürbar aufgebrachten amerikanischen Öffentlichkeit wurde das damit beschönigt, daß es lediglich eine politisch ganz harmlose Routinehandlung sei ohne ideologische Bedeutung. In Wirklichkeit war es der Beginn einer Zusammenarbeit von Washington und Moskau, die, mit nur oberflächlichen Unterbrechungen, fortdauerte, bis die russischen und amerikanischen Armeen sich im Herzen des Abendlandes trafen und London und Berlin in den Staub getreten waren.
1936 stießen die bolschewistische Revolution und der europäische autoritäre Geist des 20. Jahrhunderts auf den Schlachtfeldern Spaniens zusammen. Die Funktionäre des in Amerika stationierten Regimes drückten privatim ihre Sympathien mit Rotspanien aus. Doch die unmißverständliche Opposition der katholischen Kirche gegen amerikanische Hilfe für die spanischen Bolschewisten verhinderte eine Intervention. Die katholische Kirche in Amerika hat zwanzig Millionen Anhänger, und das kulturentstellende Regime hatte seine Macht noch nicht genügend befestigt und konnte sich noch nicht auf einen innenpolitischen Konflikt einlassen, wie ihn eine Intervention nach sich gezogen hätte. Es war gerade dabei, zum zweiten Mal die Präsidentschaftswahl durchzuführen und hatte im Wahlkampf noch große organisierte Gruppen gegen sich. Ein Fehler in der Außenpolitik hätte sich zu jenem Zeitpunkt verhängnisvoll auswirken können. Dank seiner perfekten Wahltechnik blieb das Regime an der Regierung. Im Oktober 1937 wurde ganz offen mit Vorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg begonnen. Es wurde offiziell angekündigt, daß die amerikanische Regierung »Aggressoren unter Quarantäne stellen« würde. Die Propagandaorgane hatten das Wort »Aggressor« bereits mit Europa und den Hütern der europäischen Zukunft identifiziert. Um nationale Elemente zufriedenzustellen, wurde auch Japan zu den Aggressoren gerechnet, aber das Regime versah Japan weiter mit lebenswichtigen Rohstoffen für seine Kriegsindustrie, während es gleichzeitig den Verkauf von Rohstoffen an Europa ablehnte und die Einfuhr europäischer Waren, die aus Gebieten kamen, die nicht von dem kulturentstellenden Regime beherrscht wurden, boykottierte.
Im Herbst 1938 war die politische Szene für einen Weltkrieg bereit. Die Propaganda von fast halb Europa war unter die Botmäßigkeit Washingtons gebracht worden, und die Regierungen von fast halb Europa waren Washingtons Marionetten. Die Einverleibung Böhmens in Europa, das Ergebnis eines gegenseitigen Übereinkommens von vier europäischen Führern, die ihre eigenen Entscheidungen trafen, durchkreuzte, trotz sorgfältigster Vorbereitungen, die Pläne des Washingtoner Regimes. Aber das amerikanische Schatzamt stand dem Regime in Form eines »Stabilisierungsfonds« zur Verfügung, und es konnte dessen Milliarden in Anspruch nehmen, ohne darüber Rechnung legen zu müssen. Die Subsidien, die seine Propagandisten in europäischen Ländern erhielten, wurden nun so erhöht, daß als Folge davon bald fast halb Europa dazu gebracht worden war, die Führer zu hassen, die einen intraeuropäischen Krieg verhütet hatten.
Da es in Westeuropa keine direkte Möglichkeit für einen Krieg gab, brauchte man für den nächsten Zwischenfall einen östlichen Grenzstaat, und daher wurde Polen in die Pläne Washingtons einbezogen. Die polnische Regierung, angeblich der Hüter der nationalen Belange Polens, führte einen aussichtslosen Krieg herbei, und das unmittelbar nachdem Rußland öffentlich einer Teilung Polens zugestimmt hatte. Die Regierung, die den Ausbruch des Krieges veranlaßt hatte, verschwand danach sofort, und man hörte nie wieder etwas von ihr. Sie hatte sich ihr Ruhegehalt verdient. Die inländische amerikanische Propaganda aber verbreitete damals, daß Polen jahrelang Widerstand leisten könne.
1940 wurde der Krieg ernst. Frankreich und die Niederlande wurden in wenigen Wochen von Amerika abgeschnitten. Das amerikanische Regime mußte feststellen, daß seine Kontrolle über Europa beträchtliche Einbuße erlitten hatte und es außerdem mit einer einheimischen Bevölkerung zu tun hatte, die nicht nur keine Kriegsbegeisterung zeigte, sondern die jeder Art von Einmischung in den Krieg, den die Washingtoner Diktatur selbst heraufbeschworen hatte, feindselig gegenüberstand. Infolgedessen wurde die Leitung der Nichteinmischungsbewegung vom Kulturverderber selbst übernommen und eine Propaganda ersonnen, daß die Ausfuhr von Kriegsmaterial eine Methode sei, sich aus dem Krieg herauszuhalten. Mit andern Worten: eine begrenzte Teilnahme war Nichteinmischung. Für eine Bevölkerung ohne politisches Bewußtsein in einem Lande ohne Tradition, Staat und höhere Geschichte war das überzeugend, und die stark gegen eine Einmischung gerichtete Stimmung wurde auf diese Weise in den Dienst der Einmischungspläne Washingtons gestellt. Die begrenzte Teilnahme wurde immer weniger begrenzt. Ein Gesetz, das nationale Elemente lang vor dem Krieg durchgesetzt hatten, um diese Art von Kriegsbeteiligung zu verhindern, wurde in zynischer Weise beiseitegeschoben. Amerikanische Expeditionskorps wurden ins Ausland geschickt, amerikanischen Schiffen wurde befohlen, europäische Schiffe auf hoher See anzugreifen, Handelsschiffe europäischer Herkunft wurden beschlagnahmt – und all das von einer Regierung, die der Welt geradezu päpstliche Lektionen in Völkerrecht erteilt hatte.
Nachdem sich der Kriegsschauplatz auf das bolschewistische Rußland ausgedehnt hatte, wurden innerhalb zwei Wochen die Beziehungen zu Europa abgebrochen. Aber immer noch hinderte die innenpolitische Situation Washington an einer direkten Beteiligung, und Europa hatte sich von dem Krieg ohne Kriegserklärung, den Amerika zur See gegen es führte, nicht provozieren lassen. Die einzige verbleibende amerikanische Bastion in Europa war die englische Insel, und sie wurde nur durch politische und finanzielle Mittel und Wege gehalten, die in jedem Augenblick versagen konnten. Wenn der Krieg nicht mit einem europäischen Sieg über das asiatische Rußland enden sollte, war ein direktes Eingreifen Amerikas unter Einsatz seines ganzen Kriegspotentials notwendig. Ein europäischer Sieg würde zu einer allgemeinen Regelung aller alten politischen Streitfragen Westeuropas und als Folge davon zu einer europäischen Einheit von Kultur-Nation-Staat-Volk-Rasse führen mit einer autoritären politischen Grundlage, die für Kulturentstellung unangreifbar, die überdies durch ihr Beispiel zwangsläufig eine amerikanische nationale Revolution gegen das kulturentstellende Regime auslösen würde.
Da alle Bemühungen, sich Europa durch einen Krieg ohne Kriegserklärung zum Feind zu machen, nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt hatten, suchte man nun einen Krieg im Fernen Osten herbeizuführen, um auf diesem Umweg die Beteiligung an dem eigentlichen Krieg, gegen die europäische Zivilisation, zu erreichen. Zu diesem Zweck wurde im November 1941 der japanischen Regierung ein Ultimatum gestellt, das von Japan verlangte, alle seit Juli 1936 eroberten Gebiete zu räumen. Japans Antwort war die Versenkung der amerikanischen Schlachtflotte in Pearl Harbor im Dezember 1941. öffentliche und amtliche Untersuchungen, die nach dem Kriege von nationaler Seite durchgeführt wurden, erbrachten schlüssige Beweise, daß das Washingtoner Regime von dem bevorstehenden Angriff gewußt hatte und ihm sogar der Tag des Angriffs bekannt gewesen war, da es die japanischen Funksprüche hatte lesen können. Dennoch ergriff es keine militärischen Vorsichtsmaßregeln und opferte zynisch Tausende amerikanischer Soldaten und Matrosen. Die Propagandamaschine war schon darauf vorbereitet, den japanischen Angriff Europa zur Last zu legen, aber die nach Tagen erfolgende europäische Kriegserklärung machte diese Propaganda sinnlos.
Von da an wurden 80 Prozent der amerikanischen Kriegsanstrengung dem Krieg gegen die verhaßte europäische Zivilisation gewidmet. Australien und Indien blieben unbeachtet, abgesehen von schwachen Maßnahmen, eine zweite japanische Angriffswelle, die nie kam, abzuriegeln. Wäre sie gekommen, so wäre die weiße Bevölkerung Australiens als Folge pathologischer Entstellung der westlichen Zivilisation von Japan unterworfen worden. Die Europäer sollten sich die bedeutsame Erklärung des amerikanischen Befehlshabers merken, die er im Sommer 1942 gerade in diesem bedrohten Teil der weißen Welt abgab: »Die Zukunft der Zivilisation liegt bei den glorreichen Fahnen der russischen Armee.« Daraus ersehen wir, daß auch für einen hohen Militär Uniformität des Denkens eine Vorbedingung ist.
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Die amerikanische Kriegführung wich, auf höherer Ebene, ganz von der Ehrauffassung ab, die stets für den Umgang der europäischen Nationen und Führer bestimmend gewesen war. Der Hauptangriff gegen Europa wurde von Bombenflugzeugen getragen, die auf der europäischen Insel stationiert waren, welche 1942 von amerikanischen Truppen besetzt worden war. Das Luftbombardement richtete sich fast nur gegen die europäische Zivilbevölkerung, obwohl man wußte, daß dadurch keine Entscheidung herbeigeführt werden konnte. Die amerikanische Presse sprach blutdürstig von »block-busters« (»Wohnblockknacker«), womit eine Bombe gemeint war, die einen ganzen Wohnblock vernichten und mehrere hundert Menschen töten konnte. Stolz stellte man Fotografien zur Schau, auf denen die Resultate dieser schändlichen Kriegführung gegen Familien und Wohnstätten zu sehen waren. Man entfaltete eine Propaganda, daß jeder, der sich den Armeen oder der Ideologie Amerikas widersetzte, ein Verbrecher sei und sich in einem »Prozeß« wegen seiner »Verbrechen« verantworten müsse.
Europa war die Greuelpropaganda amerikanischer Provenienz nicht fremd. Infolge des durch Kulturentstellung und Kulturreaktion bewirkten niedrigen intellektuellen Niveaus wird in Amerika so etwas wörtlich genommen, während man in Europa es als das erkennt, was es ist, eine Massenpropaganda für Mindestbegabte. So verbreitete während des Ersten Weltkriegs die amerikanische Presse Geschichten von Greueln, welche – natürlich – die Gegner der amerikanischen Armeen begangen hatten. Als Schauplatz dieser Geschichten war Belgien gewählt worden, und es wurde behauptet, daß belgische Zivilisten von den Besatzungstruppen gekreuzigt worden seien. Aber das war nicht alles: Säuglingen hatte man die Hände abgehackt und dergleichen mehr. In Amerika hatte man das so ernst genommen, daß nach dem Kriege eine Abordnung amerikanischer Journalisten nach Belgien fuhr, um diese Geschichten zu untersuchen, und dann der amerikanischen Öffentlichkeit mitteilte, daß sie sich als unwahr herausgestellt hatten. So nahm man in Europa die These, daß jeder, der sich Amerika widersetzte, ipso facto ein Verbrecher sei, nicht ernst, aber sie diente dazu, das amerikanische Volk auf die Untaten vorzubereiten, die nach dem Kriege in Europa begangen werden sollten.
Eine Führung, die seit Jahren von »Kriegsverbrechen« geredet hatte, während sie gleichzeitig gegen die Zivilbevölkerung Krieg führte, rüstete sich schließlich 1945 mit einem Projektil aus, das nur gegen Zivilisten zu brauchen war, mit der »Atom«-Bombe. Unter den damaligen taktischen Bedingungen konnte diese Bombe nicht gegen militärische Streitkräfte eingesetzt werden, sondern nur gegen Großstädte, in denen sich im Kriege keine Männer in wehrfähigem Alter finden. Diese Bombe wurde ohne jede Gefühlsregung und ohne Warnung abgeworfen und löschte in wenigen Sekunden Hunderttausende von Zivilpersonen aus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die amerikanische Außenpolitik in der gleichen Weise fortgesetzt. Das besetzte Europa wurde als ein zu verwüstendes Gebiet behandelt, Fabriken wurden demontiert und die Maschinen an Rußland gegeben; andere technische Anlagen wurden in die Luft gesprengt als Teil eines überlegten politischen Plans, das europäische Industriepotential zu zerstören. Die Bevölkerung wurde als Untermenschen behandelt, und eine Aushungerungspolitik großen Stils wurde in Gang gesetzt, die 1948 noch andauert. Obgleich Amerika, ohne moralisch dazu verpflichtet zu sein, Lebensmittel in alle Teile der Welt ausführte, weigerte es sich nichtsdestoweniger, genug Lebensmittel in das besetzte Europa zu schicken, um dort die Menschen am Leben zu halten. Die Lebensmittelrationen wurden weit unter dem für die Gesundheit nötigen qualitativen und quantitativen Minimum festgesetzt, und in kurzer Zeit begannen Unterernährung, Hautleiden, Infektionskrankheiten und Verfallserkrankungen den Tod von Millionen herbeizuführen. Im ersten wilden »Sieges«-Taumel verbot die amerikanische Armee den Soldaten sogar, mit der Bevölkerung zu sprechen. Dieses Verbot wurde erst aufgehoben, als die Kriegsgerichtsverhandlungen zu zahlreich geworden waren, und wurde durch eine intensive Haßpropaganda unter den amerikanischen Truppen ersetzt. Die europäische Bevölkerung wurde behandelt, als stehe sie tief unter den siegreichen Amerikanern. In offiziellen Verlautbarungen nannte man sie »die eingeborene Bevölkerung«. In öffentlichen Gebäuden durften sie nicht dieselben sanitären Anlagen wie die soviel besseren Amerikaner und Neger benutzen. Ihre Häuser wurden in großem Umfang beschlagnahmt: Amerikanische Soldaten und Zivilisten durften ihre Familien aus Amerika kommen lassen und in die unbeschädigten Häuser, in denen vielleicht fünfzehn oder zwanzig Angehörige der »eingeborenen Bevölkerung« gelebt hatten, setzen. Meistens wurde den Hausbewohnern nur gestattet, Kleidung und Lebensmittel mitzunehmen. Es wurden keine Vorkehrungen getroffen, die so Enteigneten unterzubringen, denn sie wurden ja als Untermenschen angesehen und behandelt. Man nahm dieser Bevölkerung das Recht, sich gegen Amerikaner physisch zu verteidigen. Europäer, die einem Amerikaner einen Schlag mit einem Schlag vergalten, wurden von amerikanischen Militärgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Ein Europäer wurde, auf ein Gerücht hin, er habe einen jüdischen Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte einen »schmutzigen Juden« genannt, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Dies unehrenhafte Verhalten der amerikanischen Besatzungsarmeen ist Beweis genug für das Vorhandensein kulturfremder Elemente, denn keine europäische Nation oder Kolonie könnte sich zu solchem Betragen fortreißen lassen. Ihr innerstes Wesen, eine tausendjährige Tradition, würde ihr das verbieten. Welche europäische Nation würde die Frauen einer andern europäischen Nation auf den Status von Konkubinen herabdrücken und eine Eheschließung zwischen den eigenen Bürgern und denen einer andern europäischen Nation verbieten? Doch das hat die amerikanische Führung getan. Sie gestattete das Konkubinat, verbot aber die Ehe. Als Folge dieser Politik im besetzten Europa nahmen die Geschlechtskrankheiten seuchenartige Dimensionen an. Unter dieser hungernden, von Krankheiten heimgesuchten Bevölkerung leben die amerikanischen Soldaten und ihre Familien, von Gewehren und Stacheldraht geschützt, in den Häusern, die ihre Bomben übrigließen, und essen eine keiner Rationierung unterliegende Kost. Die Eigenschaften, die sich unter solchen Bedingungen entwickeln, sind nicht die besten. In der Anfangszeit der Besetzung wurden überschüssige Lebensmittel und Kleidungsstücke sogar im Beisein der hungernden und frierenden »eingeborenen Bevölkerung« verbrannt.
Als im Sommer 1947 aufgrund der Lebensmittelzuteilung Aufruhr drohte, gab einer der amerikanischen Gouverneure amtlich bekannt, daß das amerikanische Volk keinerlei Verpflichtungen habe, die unterworfene Bevölkerung im besetzten Europa zu ernähren, und daß im Falle eines Aufstands dieser mit Bajonetten und Maschinengewehren niedergeworfen werden würde. Das hier Beschriebene ist nur ein Ausschnitt aus dem Bild, wie es sich überall im amerikanisch besetzten Europa darbietet. Es besteht weiter fort und hat einen tiefen und umfassenden Einfluß auf das europäische Denken gehabt.
Wie bei der Untersuchung der Motive, die Kriege auslösen, gezeigt wurde, sind die Motive der Machtkämpfe unseres Jahrhunderts kulturellen Ursprungs. In den frühen Jahrhunderten entsprangen die Motive oft dem Kampf zwischen Kaiser und Papst um die Weltherrschaft, später religiösen Streitigkeiten, dann dynastischem Ehrgeiz und schließlich nationalen Einheiten und der Handelsrivalität. Heute ist die wichtigste Tatsache in der Welt die geistige Einheit der westlichen Zivilisation, deren diese sich gerade bewußt wird, und der erwachte Zerstörungswille der äußeren Welt. Im Bereich der Aktion nimmt dies die Form eines politischen Kampfes zwischen der westlichen Zivilisation und ihren Kolonien auf der einen Seite und den nichtwestlichen Kräften auf der andern Seite an. Die Feindschaft zwischen Amerika und Japan war daher natürlich, und alle nationalen Elemente in Amerika empfanden es so. Die entstellenden Elemente in Amerika jedoch sahen diese Feindschaft nie als wichtig an, denn es gab in Japan keinen Antisemitismus. Das läßt die amerikanische Politik, im besetzten Japan im richtigen Licht erscheinen
Nach der Eroberung Japans wurde von der amerikanischen Armee sofort eine Politik größter Freundlichkeit gegenüber der japanischen Bevölkerung propagiert und durchgeführt. Die Armee richtete offiziell Bordelle mit japanischen Frauen für ihre Soldaten ein. Es wurden keine Häuser beschlagnahmt, sondern Kasernen gebaut. Die Ernährung war ausreichend. Dem Kaiser wurden Rang und Stellung belassen, und seine Göttlichkeit blieb vor der Öffentlichkeit unangetastet. Infolge der achtungsvollen Behandlung, die japanischen Zivilisten gewöhnlich zuteil wurde, blieb die japanische Selbstachtung gewahrt. Die amerikanische Politik war darauf gerichtet, das Industriepotential des Landes wiederherzustellen und den Japanern Autonomie zu gestatten. Reichstag, Regierung und Verwaltung wurden aufrechterhalten. Früheren politischen Führern teilte man höflich mit, sich den Verhandlungen über Kriegsverbrechen zu stellen, denn dieser rechtsverdrehende Unsinn ist für amerikanische Armeen zum Zwang geworden, wo immer sie als Sieger hinkommen. Die einzige übermäßige Forderung, die an die Bevölkerung gestellt wurde, war die auf Annahme des »Demokratie«-Kultus. Für eine Bevölkerung, deren Nationalreligion bereits aus Konfuzianismus, Buddhismus, Schintoismus und dem Kaiserkult bestand, war das kein großes Opfer.
Die Führer, an denen das langwierige Ritual des Kriegsverbrechenexorzismus praktiziert wurde, wurden weder in der japanischen noch in der amerikanischen Presse geschmäht. Sie wurden auch nicht unaufhörlich fotografiert, Freudschen Verhören unterworfen, gezwungen, die Zigarettenstummel amerikanischer Soldaten aufzuheben, oder systematisch erniedrigt wie die europäischen Opfer der amerikanischen Armeen. Und vor allem wurde das »Kriegsverbrechen«-Verfahren nicht auf die gesamte Organisation des zivilen und militärischen japanischen Lebens ausgedehnt, wie es in Europa geschah und heute, 1948, noch geschieht.
Der Unterschied in der politischen Taktik bei der Besetzung von Europa und Japan ist groß genug, um den ganzen formenden Einfluß der amerikanischen Außenpolitik erkennen zu lassen. Der beherrschende Antrieb der Besatzungspolitik in Europa ist die Rache. Wie die Untersuchung des Wesens der Politik indessen zeigte, gehört Rache nicht in die Politik. Politik wird nicht betrieben, um den Feind zu demütigen oder die besiegte Bevölkerung auszurotten. Die Politik hat das Ziel, die Macht zu vermehren, aber das amerikanische Regime hat zu keinem Zeitpunkt bei der Formulierung und Durchführung seiner Politik im besetzten Europa Machtrealitäten berücksichtigt. In einem Gebiet mit enormem Kriegspotential, das es kontrolliert und für die eigenen Machtzwecke gebrauchen könnte, zerstört es planmäßig Fabriken und Maschinerie. Unter einer Bevölkerung, die sie mit Millionen der besten Soldaten der Welt versehen könnte, betragen sich die Amerikaner mit einer Wildheit und vorgetäuschten Überlegenheit, die es darauf anlegt, sich die »eingeborene Bevölkerung« für immer zu entfremden. Sie befinden sich in der Lage, die besten militärischen Führer der westlichen Zivilisation gefangengenommen zu haben, bei denen sie in die Schule gehen sollten, und gehen statt dessen dazu über, sie aufzuhängen für das Verbrechen, die amerikanischen Armeen im Felde bekämpft zu haben.
Kurz, statt die amerikanische Macht zu vermehren, hat die amerikanische Besatzungspolitik sie in jeder Weise vermindert. Das ist ein schlagender Beweis dafür, daß der Beweggrund für dieses Betragen nicht der Politik entspringt. Er entspringt der tiefen und totalen organischen Unversöhnlichkeit zwischen einer Hochkultur und einem sich in ihr befindenden schmarotzenden Organismus. Dieses Verhältnis geht über die gewöhnliche internationale Politik hinaus. Es gleicht dem Verhältnis zwischen den römischen Legionen und den Barbaren des Mithridates und des Jugurtha oder dem zwischen den Kreuzfahrern und den Sarazenen oder zwischen Europa und dem Türken im 16. Jahrhundert. Es geht noch tiefer als diese infolge der Verbiegung, die die Rachegefühle der Seele des Schmarotzers in den Jahrhunderten stummen Ertragens der unangreifbaren Überlegenheit des Wirts zugefügt haben. Als das geschlagene Europa – und insbesondere sein lebenswichtigster Teil, der Träger der großen europäischen Idee des 20. Jahrhunderts – zu Füßen dieses ganz und gar fremden Eroberers aus einer vergangenen Kultur lag, regte sich in dessen frohlockender Seele kein Gefühl der Großmut, Ritterlichkeit oder des Erbarmens. Seine Seele ist angefüllt mit der Bitternis, die er in tausend Jahren getrunken hatte, während er, unter dem Hochmut der fremden europäischen Völker schmachtend, die er immer als Barbaren, Goyim, gesehen hatte und noch sieht, seine Zeit abwartete. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, waren die amerikanischen Armeen ebenso vollständig besiegt wie die Armeen des Mutterbodens der Kultur. Der wahre Sieger war der Kulturfremde, der mit diesem Triumph über die ganze abendländische Zivilisation den Höhepunkt seines Schicksals erreicht hatte.
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Was Amerika betraf, war die amerikanische Politik seit der amerikanischen Revolution von 1933 im Endergebnis negativ. Amerikas natürliche, geopolitische, nationale Interessen liegen in Mittel- und Südamerika und im Fernen Osten. In einem Weltkampf um die Kontrolle unseres Planeten zwischen der abendländischen Zivilisation und den äußeren Mächten richtet sich das natürliche Interesse der Politik Europas auf Afrika, den Nahen Osten und die Weite des asiatischen Rußland. Es ist selbstverständlich, daß Amerika als Kolonie dieser Zivilisation, von der es seine ganze geistige Nahrung bezieht, nicht im Gegensatz zu diesem Interesse steht. Welches Interesse hat ein nationales Amerika an Rußland, Afrika, dem Nahen Osten? Und entsprechend – welches politische Interesse hat Europa an Mittel- oder Südamerika? Zwischen Europa und Amerika besteht keine natürliche, organische Machtkonvergenz, aber wohl zwischen Amerika und Japan.
Die amerikanische Außenpolitik verletzt jeden Punkt dieser natürlichen Anordnung. Sie machte Rußland zum Verbündeten Amerikas – nicht gegen Japan, was zu verstehen gewesen wäre, sondern gegen Europa, was für die wahren amerikanischen Interessen Wahnsinn war. Sie bekriegte Japan und ging nach dem Sieg dazu über, Japan zu rehabilitieren, statt es zu einem dauernden Bestandteil des amerikanischen Reiches umzugestalten. Sie bekriegte Amerikas Hauptverbündeten, Europa, das nicht nur ein natürlicher politischer Bundesgenosse ist, sondern Amerikas geistige Mutter, ein totaler kultureller Verbündeter. Als das Kriegsglück Amerika den militärischen Sieg verlieh, hätte es seine früheren Fehler wiedergutmachen können. Japan hätte dem amerikanischen Überseereich einverleibt, Europa hätte wiederhergestellt werden können. Genau das Gegenteil wurde getan. Europa wurde ausgeplündert und ausgehungert, während Japan, der natürliche Feind, für einen nächsten Krieg gegen Amerika wieder aufgebaut wurde. Kurz, die Außenpolitik Amerikas war nicht amerikanisch. Das zeigen allein ihre tatsächlichen Handlungen in überzeugender Weise.
Die Kulturentstellung hat seit 1933 in Amerika die höchste Gewalt ausgeübt, die der Entscheidung über Krieg oder Frieden. Der Sieg der amerikanischen Waffen trug Amerika keine Machtvermehrung ein. Japan stellte eine Ausgabe dar – ein großer Teil seiner Maschinen wurde Rußland gegeben und für sein Lebensmitteldefizit muß die amerikanische Bevölkerung aufkommen. Während Rußlands industrielle Stärke enorm zugenommen hat durch die Maschinen, die es Europa weggenommen hat und die es von Amerika aus dessen Hälfte Europas erhielt, hat Amerika nur mehr Ausgaben auf sich geladen. Es hat sein europäisches Besatzungsgebiet so gründlich verwüstet, daß ein gut Teil des materiellen Bedarfs seiner Armeen aus Amerika herbeigeschafft werden muß. Die amerikanischen Armeen haben China und Indien, Nordafrika und Persien geräumt und so das größte Reich der Weltgeschichte aufgegeben. Bei Ende des Zweiten Weltkrieges war Washington die Hauptstadt eines militärischen Herrschaftsbereichs, der neun Zehntel der Erdoberfläche umfaßte, einschließlich der Weltmeere.
Die Politik des Kulturverderbers war demnach durchaus nicht, wie manche Menschen sagten, auf Weltherrschaft gerichtet. Diese grandiose Idee konnte nur einer europäischen Schicht entspringen. Ein fremder Organismus im Körper der abendländischen Zivilisation kann das Leben des Westens nur entstellen. Der Schmarotzer kann nicht selbst abendländisch werden, und die Weltherrschaft ist eine abendländische Idee. Und es ist auch nicht eine Idee für jedermann, sondern wie alle formenden abendländischen Ideen schließt sie Menschen ohne Tiefe oder Intensität aus. Darum konnte Amerika das große Reich, das es gewonnen hatte, auch nicht halten. Amerika hat noch nicht genügend historische Erfahrung; es hat noch nicht das politische Bewußtsein entwickelt, das es befähigen würde, ein Reich zu gründen oder zu verwalten. Im Massendenken des Amerikaners hatte der ganze Zweite Weltkrieg das eine negative Ziel: die europäische Idee zu zerstören.
So verfolgte die Kulturentstellung in Amerika weder die nationalen Interessen Amerikas noch erstrebte sie, weder für sich noch für Amerika, die Unterwerfung der Welt. Als Folge davon erlitt Amerika im Zweiten Weltkrieg eine politische Niederlage. Für Europa ist das eine offenkundige Tatsache. Wichtiger ist, wieweit es in Amerika erkannt wird. Das berührt viele Fragen: Die Form der Zukunft Amerikas, den amerikanischen Nationalismus, die Aussicht auf eine Fortdauer der Kulturerkrankung und die geistigen Möglichkeiten Amerikas.
In Amerikas Entstehung liegt Amerikas Zukunft beschlossen. Wie Leibniz sagte: »Le présent est chargé du passé et gros de l'avenir.« Amerika entstand als eine Kolonie der abendländischen Kultur. Eine Hochkultur ist an die Landschaft ihrer Geburt gebunden. Hier wurde sie geboren und hier wird sie auch ihre letzten und gewaltigsten Probleme lösen. In ihrem jetzigen Stadium bestimmt die abendländische Zivilisation die geistige Ausrichtung der ganzen Welt. Einheiten wie Rußland und Japan existieren lediglich als aktive Auflehnung gegen die abendländische Zivilisation, als Verneinung ihrer Weltanschauung. Diese Zivilisation hat sogar ihre eigenen Gegner erschaffen; ihre Dynamik hat die äußeren Mächte mobilisiert und zu ihrer gegenwärtigen Aktivität veranlaßt. Die Kolonien, welche diese Kultur in der Zeit von 1600 bis 1800 überall in der Welt gegründet hat, haben ihre geistige Beziehung zum Mutterorganismus bewahrt. Die geistige Heimat der führenden Köpfe Argentiniens, Südafrikas, Australiens, Amerikas, Kanadas und der andern kleineren Kolonien ist Europa, und sie gewinnen ihre Weltanschauung, ihre Pläne, Ideen und ihren inneren Imperativ von dem befruchtenden Schöpfergeist der Mutterkultur. Diese Kolonien bleiben die geistigen Verbündeten der abendländischen Zivilisation. Ihre politischen Interessen können unmöglich zu denen Europas im Gegensatz stehen, denn das Schicksal Europas ist auch ihr Schicksal.
In diesem Zeitalter ist die Kultur die Triebkraft der Politik. Die Welt ist geteilt in die westliche Zivilisation und alles, was außerhalb dieser ist. Ein Sieg Europas über Rußland oder Indien ist auch für Amerika ein Sieg, und ein Sieg Amerikas über Japan oder China ist auch ein Sieg für Europa. Amerika und Europa bilden eine geistige Einheit. Es besteht daher eine wirkliche und organische Möglichkeit, daß Amerika und Europa wiederum politisch vereint sein werden. Alles mit dem gleichen Schicksal ist eigentlich eine politische Einheit, und die Fortdauer politischer Uneinigkeit ist künstlich und den Lebensinteressen des Organismus abträglich. Das Hauptziel des Lebens ist die Verwirklichung des Möglichen. Infolge der für die abendländische Zivilisation überaus gefährlichen Weltlage, die auch nach einem erfolgreichen Krieg gefährlich bleiben wird, werden sich die auf eine Wiedervereinigung Europas und Amerikas hinstrebenden organischen Strömungen zwangsläufig die besten Köpfe Amerikas und Europas erobern und mit der Notwendigkeit dieser Wiedervereinigung erfüllen. Für die Anfänge einer solchen Strömung braucht es nicht mehr als die Zeitspanne einer Generation. Ob sie verwirklicht werden wird, kann niemand voraussehen, genausowenig wie die Ramessiden das Schicksal Karnaks voraussehen konnten. Aber die Lebensnotwendigkeit dieser Strömung wird sie zum Mittelpunkt der Aktion machen.
Jedoch kann die organische Idee der Wiedervereinigung unmöglich verwirklicht werden, solange der Westen an inneren Kulturkrankheiten leidet. Das wirft die Frage auf, wie Amerika auf die Erkrankung der Kultur reagiert.
Die ersten Regungen der amerikanischen Volksseele offenbarten die Urbilder der freiheitsliebenden Kolonisten, der Pioniere, der Forscher, der Grenzer. Dieser Menschentyp zeichnet sich durch Findigkeit, Furchtlosigkeit und technische Fähigkeiten aus. Es war einfach wieder der alte gotische Drang in die Ferne und der Wille, das zu erobern, was trennend dazwischen hegt. Die ersten Amerikaner hatten ein instinktives Gefühl rassischer Überlegenheit, das mit einem starken Selbstvertrauen verbunden ist. Dieser Menschenstoff bildete die Grundlage für den Yankee, den der Sezessionskrieg schuf. Der Krieg prägte dem alten Typ die Form des materialistischen Wirtschaftszeitalters auf, was nur natürlich war, denn die ganze abendländische Zivilisation befand sich in einer Krise, der Zivilisationskrise. Das umwälzende Geschehen des Krieges formte die Seele des amerikanischen Volkes. Es ist ein spätes Volk, womit ein technisches, hartes, veräußerlichtes Volk gemeint ist, das bar aller Möglichkeiten auf kulturellem Gebiet, im engeren Sinn, ist. Diese Härte und dieses Nach-außen-gerichtet-sein und die technische Befähigung werden der amerikanischen Seele immer bleiben, denn sie machen ihr Wesen aus. Der ideologische Aufputz war eben nur Aufputz und gehörte zum Geist der Zeit. Dieser Geist ist tot, und Amerika kann vergangene Ideen ebensowenig verewigen wie ein Organismus sich vom Alter zur Jugend zurückentwickeln kann. Die amerikanische Ideologie und Weltanschauung haben keine Zukunft; die Seele des amerikanischen Volkes dagegen hat eine Zukunft, denn dieses Volk ist ein Organismus. Daß man dieses Volk einem von Massenidealen und Massendenken beherrschten Massendasein unterwarf, war eine Entstellung und Übertreibung der Tendenzen der amerikanischen Seele und der Möglichkeiten des materialistischen Zeitalters. Dieses Verbiegen des amerikanischen Schicksals war nur infolge von Kulturentstellung und Kulturreaktion möglich. Die unmittelbare Zukunft Amerikas ist daher eng verknüpft mit der Kulturentstellung und der amerikanischen Gegenwirkung. Es muß die Machtverteilung der geistigen und materiellen Kräfte, die dabei zur Wirkung kommen, eingeschätzt werden. Zuerst die kulturentstellende Gruppe.
Die Zahl der Angehörigen der jüdischen Einheit in Amerika wird auf acht bis zwölf Millionen geschätzt. Die Zahl ist indessen nicht das Wichtigste, denn diese organische Einheit hat starke Rasseninstinkte und ein mächtiges Sendungsbewußtsein. Die Zahl spielt gewiß eine Rolle, sowohl für das Ausmaß der Kulturentstellung als auch für Form und Ausmaß der Gegenwirkung, aber der öffentliche Einfluß der kulturentstellenden Gruppe beruht auf der Kontrolle, die sie über zentrale Organisationen ausübt. Bei der Propaganda ist diese Kontrolle absolut. Das schließt Kino, Radio, die Presse – Zeitungen, Zeitschriften, Bücher – die Universitäten und die Bühne ein. Das Radio wird durch die wenigen großen, das ganze Land erfassenden Sendegruppen kontrolliert, die die Programme der einzelnen Sendestationen überwachen, selbst wenn diese Privatbesitz sind. Die Zeitungspresse ist von den wenigen großen Nachrichtenagenturen abhängig, die im Besitz dieser Gruppe sind und die die Nachrichtenwiedergabe der Zeitungen überwachen, auch wenn diese Privatpersonen gehören; sie dürfen nichts, was die Agenturen ihnen geben, ändern. Zeitschriften und Bücher werden in den meisten Fällen durch das Eigentumsrecht an den Verlagen und Druckereien kontrolliert und in den restlichen Fällen durch gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, moralischen und gesetzlichen Druck. Die Bühne wird durch das Eigentumsrecht an den Theatern und durch die andern Druckmittel kontrolliert. Die Universitäten werden dadurch beherrscht, daß der zahlenmäßige Anteil der kulturentstellenden Gruppe sowohl beim Lehrkörper als auch bei der Studentenschaft unverhältnismäßig groß ist und diese eine gut organisierte aggressive Tätigkeit entfalten. Die kulturentstellende Gruppe kontrolliert auch beide politischen Parteien und zwar durch eine riesige Bürokratie, die seit 1933 geschaffen wurde. Sie wird von der Gruppe beherrscht, deren Angehörige einen unverhältnismäßig großen Teil des Beamtenstabs ausmachen. Diese administrative Kontrolle erstreckt sich auch auf die Streitkräfte.
In der Finanzwelt – die auch der Eigentümer der von ihr kontrollierten Industrie ist – steht der Einfluß dieser Gruppe ebenfalls in keinem Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil; er geht auf den Sezessionskrieg zurück, als einige Vorläufer der späteren Invasion den illegalen Waffenhandel zwischen den Konföderierten und dem Bundesheer betrieben.
Die Folge von all dem ist ein gewaltiger geistiger Einfluß auf das amerikanische Volk. Dieses Volk liest die Bücher, die Fremde für es schreiben und herausgeben. Es sieht die Theaterstücke und die Filme, die es sehen darf. Es denkt das, was man ihm einbläst. Es wird in Kriege getrieben, die gegen die amerikanischen Interessen sind und die es nur verlieren kann. Über die großen Lebensfragen Amerikas, bei denen es um Krieg oder Frieden, Leben oder Tod geht, entscheidet der Kulturfremde. Amerika wurde ein semitisches Gepräge gegeben. Amerikaner, die einflußreiche Stellungen bekleiden, bekleiden sie im Einverständnis mit dem Fremden. Kein Mann des öffentlichen Lebens wagt ihm entgegenzutreten. Den Amerikanern wurde gesagt, daß die Teilung Arabiens eine Angelegenheit sei, die sie direkt angehe, und es gab keinen öffentlichen Nachrichtenweg, über den ein Amerikaner das Weltbild, das eine solche Politik stützte, von Grund auf hätte verneinen können.
Aber wer den Geist der Geschichte kennt, weiß, daß das Fremde und das Eigene nicht verschmelzen können, daß sie sich nur bekämpfen können. Verstellung, Terror, Drohungen, Diktatur, Druck, Propaganda – das alles kann nicht den Kern dieser Beziehung erreichen. Das amerikanische Volk – das noch keine Nation ist – hat seine eigene Seele, und nur sein Mangel an historischer Erfahrung und die Entwicklungsstufe der Kultur, die dieses Volk schuf, ermöglichten die weite und gefährliche Verbreitung der Kulturerkrankung. Allein die Tatsache der Kulturentstellung setzt die Existenz – in aller inneren Reinheit – der Seele des Wirtsvolkes voraus. Die Entstellung kann den Wirt nicht zerstören, sie kann nur seine Energie auf falsche Probleme in die Richtung der Interessen des Schmarotzers lenken.
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Wie Europa nun weiß, war der Zweite Weltkrieg eine Krankheitserscheinung der Kultur. Er wurde in Amerika angestiftet, geschickt während der Jahre 1933 bis 1939 vorbereitet, und es wurde in raffinierter Weise der Anschein erweckt, als handle es sich um einen Streit zwischen zwei gestrigen europäischen Mächten, obgleich in Wirklichkeit eine große Frage alles überschattete: Die Vereinigung des Westens gegen die sich sammelnden, sein Leben bedrohenden Mächte von außerhalb – Rußland, China, Indien, der Islam, Afrika. Der wahre Sinn des Krieges wurde 1945 aller Welt offenbar, als das kulturentstellende Regime in Amerika und die Mongolen im Kreml als Sieger auftraten. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte war die Welt zwischen zwei Mächten aufgeteilt. Europa hatte den Krieg verloren und in der Niederlage die Einheit erlangt, die es durch seine Siege nicht ganz erreicht hatte. Es wurde ihm der Status zuteil, den China und Indien früher gehabt hatten – Beute zu sein für die äußeren Mächte.
Aber auch für Amerika war das Ergebnis des Krieges eine Niederlage, erstens weil die Frage, um die es dabei ging, die falsche war, und zweitens weil die Ausnutzung seiner militärischen Erfolge falsch war. Tatsachen von solcher Bedeutung können nicht verborgen bleiben.
Auch wenn man nichts über die Tatsachen einer in Amerika vorhandenen Gegenwirkung wüßte, würde einem das Wissen um die organische Natur der Geschichte sagen, daß es eine solche Gegenwirkung gibt. Die Tatsachen der amerikanischen nationalen Gegenwirkung entsprechen genau dem, was wir erwarten würden. Die Geschichte wirkt durch Minderheiten, und der zahlenmäßige Umfang dieser Minderheiten ist ein Spiegelbild der Notwendigkeit des historischen Phänomens. Die nationale Minderheit in Amerika umfaßt wenigstens zehn Millionen Menschen. Sie ist kaum organisiert. Es gibt ungefähr tausend Widerstandsorganisationen, aber sie sind politisch wirkungslos, wenn sie auch in geistiger Hinsicht höchst symptomatisch sind.
Die nationalistische Gegenwirkung auf die Invasion kulturfremder Elemente begann 1915 mit der Gründung des zweiten Ku-Klux-Klan. Im Rückblick wird dieses Jahr als der Beginn der ersten Phase der amerikanischen Revolution bezeichnet werden. Nehmen wir zehn Millionen als die ungefähre Stärke der nationalen Elemente an, so ist das zwar nur eine Schätzung, aber diese Zahl bezieht sich auf Personen, die stark unter dem Einfluß der nationalen Idee Amerikas stehen. In geringerem Grade teilen weite Kreise der Bevölkerung dieses Gefühl. Niemand hat jemals geleugnet, daß der Wunsch, sich aus dem Krieg herauszuhalten, den das Washingtoner Regime in Europa herbeigeführt hatte, bei der Bevölkerung weit überwog – und das trotz des schwersten Propagandatrommelfeuers, dem eine Bevölkerung je ausgesetzt war. Und zwar ist das nicht auf Pazifismus zurückzuführen, denn den gibt es in Amerika nicht. Es spiegelt einfach die Tatsache wider, daß die Seele des Volkes instinktiv dem ganzen Unternehmen mißtraute und es haßte. Bei der »Wahl« 1940 konnte es diesem Gefühl nicht Ausdruck verleihen, da beide Präsidentschaftskandidaten sich zur Intervention verpflichtet hatten. Die Lenkung der Wahlen hat bisher den Ausdruck der wahren amerikanischen Seele verhindert.
Dieser Nationalismus wird immer radikaler, wenn er auch noch kein politisches Ausmaß angenommen hat. Gewisse amerikanische Nationalisten kamen ins Gefängnis, weil sie 1941 sagten, daß man Amerika eine militärische Niederlage wünschen müsse, da eine solche die Macht der kulturverderbenden Gruppe zerstören würde. Das nationale amerikanische Element hoffte im allgemeinen auf eine Niederlage der amerikanischen Armeen, die sich aus zwangsweise eingezogenen, widerwilligen jungen Männern zusammensetzten, unterstützte aber gleichzeitig den Krieg gegen Japan, den natürlichen geopolitischen Feind Amerikas.
Das Prinzip der Individualität, der Kontinuität von Seele und Charakter, gilt nicht nur für Personen, sondern ebenso für Völker, und so weiß man, daß der Geist, der Männer wie Nathaniel Green, Mad Anthony Wayne, Ethan Allen, Nathan Haie, Richard Henry Lee, John Adams, Daniel Morgan und die Männer von Alamo und San Jacinto, Stonewall Jackson, Robert E. Lee, William Walker und Homer Lea beseelte, nicht tot ist. Das Jahrhundert des Materialismus konnte keinen Heroismus hervorrufen, aber das 20. Jahrhundert wird Amerikas geistigen Aspekt verwandeln, wie es Europa verwandelt hat. Das strenge Schöpfertum des Zeitalters der absoluten Politik wird das schlafende Heldentum des amerikanischen Volkes wiedererwecken. Trotz des Umfangs der Kulturentstellung und ihrer Versuche, ein Volk für immer zu einer kraftlosen uniformen Masse zu machen, gibt es noch Millionen, die sich instinktiv ferngehalten haben. Sie sind der Mittelpunkt starker historischer Kräfte. Sie kämpfen gegen eine gewaltige Übermacht und sie kämpfen unter erschwerten Bedingungen.
Der amerikanische Nationalismus kann sich nicht auf eine große Tradition des Lebens, Denkens und Handelns stützen. Es obliegt ihm eine politisch revolutionäre Sendung, und das amerikanische Volk ist nicht revolutionär. Seine Reaktion auf eine Krankheit der Kultur hat urwüchsige rassische Formen angenommen. Es steht einer gewaltigen politischen Aufgabe gegenüber, aber es ist sich immer noch nicht der Notwendigkeiten des Machtdenkens bewußt. Sein Intellekt ist noch nicht frei von der überholten »Gleichheits«-Ideologie, die 1775 geboren wurde, aber noch von dem kulturentstellenden Element für seine Zwecke benutzt wird.
Das dem amerikanischen Volk eingehämmerte Massendenken war im Grunde lediglich eine Technik, ein Kniff. Es stimmt zwar, daß eine starke Individualität übertönt wurde, aber eine starke Individualität kann nicht vernichtet werden. Das Zeitalter der absoluten Politik wird das wieder wecken, was an Schöpferischem im amerikanischen Menschenschlag noch vorhanden ist, und unter der Massenschablone wird sich die amerikanische Seele wieder regen in Gestalt einzelner Führer, denen absolute Macht übertragen werden wird.
Die verschiedensten Elemente werden an dem kommenden Kampf zwischen dem amerikanischen Nationalismus und dem kulturpathologischen Element beteiligt sein. Wahrscheinlich wird die amerikanische Revolution sich nicht mehr in konstitutioneller Form vollziehen können. Die vervollkommneten parlamentarischen und Wahlkampftechniken später demokratischer Zustände scheinen diese Möglichkeit auszuschließen. Es bleibt dann nur der Bürgerkrieg. In einem solchen Krieg werden der Rassenkrieg zwischen Negern und Weißen, der Klassenkampf der Gewerkschaften gegen die Manager, der Finanzkrieg der Gelddiktatoren gegen den kommenden autoritären Nationalismus und der Kampf auf Leben und Tod zwischen Kulturverderber und dem amerikanischen Volk zum Austrag kommen.
Ob diese Krise scharf und ausgeprägt wie der Sezessionskrieg sein oder die Form einer ungewissen und sich lang hinziehenden Evolution annehmen wird, wie der Dreißigjährige Krieg oder der Kampf zwischen Cromwellschem Geist und der Restauration, können wir nicht voraussehen. Wir wissen nur, daß dieser Kampf sein wird, denn er ist organisch notwendig, aber wir wissen nicht, in welcher Form und wann er stattfinden wird.
Das sind Unwägbarkeiten. Die amerikanische Revolution wird, wenn sie politisch Gestalt gewinnt, der gleichen Quelle entspringen, der die europäische Revolution von 1933 entsprang. Deshalb ist das, was hier geschrieben wird, auch für das wahre Amerika geschrieben, auch wenn das wirkende heutige Amerika und das Amerika der nahen Zukunft ein feindliches Amerika ist, ein Amerika williger, vermaßter Werkzeuge im Dienst des kulturverderbenden politischen und totalen Feindes der abendländischen Zivilisation.
Fünftes Kapitel. Die Weltlage
Rußlands Mitwirkung an der europäischen Geschichte im Sinne einer politischen Einheit, beginnt mit Peter dem Großen. Davor hatte Rußland nur zu slawischen Staaten, die an das europäische Kulturgebiet grenzten, Beziehungen gehabt. In den Jahrhunderten vor Peter hatte es m Rußland immer zwei Arten des Denkens gegeben: die eine war das gefühlsbetonte Denken der breiten Masse, die andere der verstandesmäßigere Wunsch, europäische Formen des Denkens und Handelns anzunehmen und sie der slawischen Bevölkerung aufzuzwingen. Dieser Wunsch blieb auf eine kleine Schicht beschränkt, die leiblichen Nachkommen der Waräger, die zur Zeit Karls des Großen von Skandinavien her in Rußland eindrangen und die von Zeit zu Zeit frische Blutzufuhr aus Schweden und Deutschland erhielten. Mit Hilfe dieser Schicht überwand Peter die »altrussische« Gruppe und zog ein widerstrebendes Rußland in die Gemeinschaft der europäischen Nationen.
Aber nie gelang es ihm, so wenig wie der Romanow-Dynastie nach ihm, die russische Seele mit abendländischen Ideen zu erfüllen. Rußland, der wahre Geist Rußlands, ist primitiv und fromm. Es verabscheut alles Westliche: europäische Kultur und Zivilisation, die europäischen Nationen, Künste, Staatsformen, Ideen, Religionen, Städte, die europäische Technologie. Dieser Haß ist natürlich und organisch, denn die russische Bevölkerung gehört nicht zum abendländischen Organismus, und alles Westliche ist deshalb todbringend für die russische Seele. Dieses wahre Rußland wollte der Petrinismus zwingen, das Rußland Iljas von Murom, Iwans des Schrecklichen, Theopils von Pskow, Boris Godunows, Araktschejews, Dostojewskis, der Skopzen und Wassilij Schuiskijs; das Rußland Moskaus, des »dritten Roms«, des mystischen Nachfolgers von Rom und Byzanz. »Ein viertes kann es nicht geben«, schrieb der Mönch Theophil. Dieses Rußland identifiziert sich mit der Menschheit und verachtet den »faulen Westen«. Da Rußland primitiv ist, liegt sein geistiger Schwerpunkt im Instinkt, und daher kam es, daß selbst während des rationalistisch-egalitären 19. Jahrhunderts Rußland ein Land der Pogrome war. Der Russe empfand die völlige Fremdheit des Juden, und das zaristische Regime wies den Juden einen eigenen Siedlungsraum zu.
Die europäisierte russische Oberschicht, die mit der europäischen materialistischen Philosophie liebäugelte, Deutsch und Französisch sprach, in die europäischen Bäder reiste und europäische Kabinettspolitik betrieb, war für die reinen Russen, die Nihilisten, das Objekt wilden Hasses. Ob diese destruktive Idee sich in religiöser Form, als Geltendmachung der einzigen Wahrheit, der des östlichen orthodoxen Christentums, ausdrückte oder in der späteren politischen Form des Slawophilismus und Panslawismus oder im heutigen marxistischen Bolschewismus – ihr wohnt derselbe innere Imperativ inne: alles Westliche zu zerstören, von dem es glaubt, daß es die russische Seele ersticke.
Die bolschewistische Revolution vom Oktober 1917 war sowohl für Rußland als auch für Europa eine schicksalhafte Wende. Es hatte natürlich immer die Möglichkeit einer solchen Revolution bestanden, wie Pugatschews Empörung unter der Regierung Katharinas der Großen zeigt und ebenso die zahlreichen Attentate im 19. und 20. Jahrhundert, die riesenhafte Unterwelt, wie sie in den Werken Dostojewskis an den Tag tritt, und der Umfang der Geheimpolizei und des Spionagenetzes. Als die Revolution dann tatsächlich ausbrach, hatte sie zwei Gesichter: Einmal war sie der Aufstand der primitiven russischen Seele gegen das westliche Regime der Romanows und alles, was es verkörperte, und gleichzeitig war sie die Machtergreifung der jüdischen Einheit von Kultur-Nation-Staat-Rasse, die die Führung des Aufstandes übernahm. Die notwendige Finanzierung verschaffte man sich in New York von Angehörigen der dortigen kulturentstellenden Gruppe.
Der Einfluß der Kulturentstellung auf die russische Politik ist nicht so stark wie in Amerika, zumindest auf die Außenpolitik, denn Rußlands außenpolitisches Ziel ist das gleiche wie das der kulturentstellenden Gruppe – die Zerstörung des Feindes Europa. Dennoch ist er vorhanden und in großem Maße für die russische Politik verantwortlich. Auf geschickte und brutale Weise erhielt diese Gruppe sich in Rußland an der Macht.
Das Doppelgesicht der bolschewistischen Revolution brachte es mit sich, daß ihre eine Seite, die primitive, instinktive, asiatische Seite, ein Fehlschlag war, da das Ziel der russischen Erhebung gewesen war, alle westlichen Einrichtungen, Ideen, Formen und Realitäten hinwegzufegen. Folglich wollte sie auch die westliche Technologie und die westlichen Wirtschaftsformen ausrotten. Das gelang ihr nicht, denn die bolschewistische Minderheit machte sich daran, Rußland in höchstem Maße nach europäischem Vorbild zu industrialisieren als Vorbereitung für Krieg gegen das verhaßte Europa.
Von 1918 bis 1939 wurde die russische Politik im Ausland durch die internationale Organisation der Komintern verwirklicht, die alle kommunistischen Parteien in der westlichen Zivilisation umfaßte. Die Politik der entstellenden Gruppe deckt sich mit der Politik des wahren Rußland in der Unterminierung des Westens unter Zuhilfenahme der abgenutzten Anschauung des 19. Jahrhunderts in ihren degeneriertesten Formen: Klassenkampf, Gewerkschaftswesen, Finanzmanipulationen, Pazifismus, Demokratie, Verfall von Kunst und Literatur, Zerfall der Gesellschaftstraditionen. Das sollte natürlich nur der Auftakt sein für die völlige Unterwerfung. Nötigenfalls sollte dann, wenn die innere Fäulnis einen Widerstand aussichtslos gemacht hatte, die militärische Besetzung folgen. Aber infolge der europäischen Revolution von 1933 hatte diese Technik keine Aussicht auf Erfolg. Indem diese die Instinkte Europas aufs kraftvollste wiedererweckte und Europa seine Sendung zurückgab, machte sie alle Unterminierungsversuche zunichte, denn die abendländische Exklusivität des 20. Jahrhunderts macht Europa dem Kulturfremden organisch unzugänglich.
Den Kriegsausbruch 1939 brachte die Kulturentstellung innerhalb des Westens im Bunde mit dem bolschewistischen Regime in Moskau zustande. Die Bolschewisten dachten, daß der intraeuropäische Krieg Europa so weit schwächen würde, daß russische Armeen ganz Europa mit verhältnismäßig geringem militärischem Aufwand besetzen und die Weltherrschaft des »Dritten Rom« auf den Ruinen des Abendlandes errichten könnten. Die Dinge verliefen indessen nicht gleich ganz so, und das bolschewistische Regime sah sich während des Krieges zu einem Zeitpunkt beinahe schon in New York. Aber schließlich führte die kulturentstellende Gruppe in Amerika die amerikanische Intervention herbei, und als Folge davon wurde Rußland nicht nur gerettet, sondern ihm ein militärischer Sieg geschenkt, der es zum Herrn des größten zusammenhängenden Reiches der Weltgeschichte machte, eines Reiches überdies, das im Mittelpunkt der politischen Welt liegt, dem nordöstlichen Quadranten unseres Planeten.
Es gibt also zwei Rußland: das bolschewistische Regime und darunter das wahre Rußland. Der Bolschewismus, mit seiner Anbetung der westlichen Technologie und der dummen ausländischen Klassenkampftheorie, drückt nicht die Seele des wahren Rußland aus. Diese Seele brach hervor in dem Aufstand der Strelitzen gegen Peter den Großen und dem des Pugatschew gegen Katharina die Große. Pugatschew und seine Bauern ermordeten jeden Offizier, Beamten und Adligen, der ihnen in die Hände fiel. Alles von europäischer Herkunft wurde verbrannt oder zerstört. Ganze Stämme schlössen sich den Aufständischen an, die drei Jahre (1772-1775) so fortfuhren, und einmal war selbst der Moskauer Hof in Gefahr. Nach seiner Gefangennahme erklärte Pugatschew vor Gericht, daß es Gottes Wille gewesen sei, daß er Rußland züchtige. Dieser Geist lebt fort, da er organisch ist und nicht getötet werden kann, sondern sich ausdrücken muß. Das ist der Geist des asiatischen Bolschewismus, den sich der Bolschewismus des Moskauer Regimes, mit seiner wirtschaftlich-technischen Besessenheit, zunutze macht.
Damit kommen wir zu der Rolle, die die bolschewistische Ideologie in der heutigen Weltlage spielt. Daß man im Westen Rußland mit einer Klassenkampftheorie gleichsetzt, ist allein schon ein Triumph der russischen Propaganda. In der Politik sind Theorien Techniken. Politik ist Machttätigkeit, nicht Argumentation, Diskutieren oder Beweisen. Wenn ein Europäer glaubt, daß Rußland den Wunsch habe, die Gesellschaft oder die Wirtschaft zu verbessern und diese oder jene Klasse zu begünstigen, dann beweist das nur, daß er nicht fähig ist, politisch zu denken. Und nicht weniger falsch ist es zu glauben, daß Rußland die ganze Welt nach den wirtschaftlich-sozialpolitischen Richtlinien des heutigen Rußland neu gestalten wolle. Die russische Sendung ist, den Westen zu zerstören, und jede innere Agitation im Westen leistet ihr Vorschub. Der Klassenkampf, der Rassenkrieg, der Verfall der Gesellschaft, dekadente Filme, verrückte Kunst, wilde Theorien und Philosophien – das alles dient dem russischen Plan. Auch der Kommunismus gehört dazu, und wenn morgen etwas anderes wirksamer wäre, so würde das an seine Stelle treten.
Das Ideal des Kommunismus, als eines theoretischen Programms für die Reorganisation der Gesellschaft, gibt es in der Welt der Tatsachen nicht, weder in Rußland noch in Amerika. Der Kommunismus, den der Westen zu fürchten hat, hat zwei Varianten, und beide sind alles andere als theoretisch: erstens den Klassenkampf und zweitens die kommunistische Organisation. Der Klassenkampf ist eine innere Angelegenheit und kann nur durch die Idee des ethischen Sozialismus überwunden werden; bis dahin dient er dem russischen Ziel, den Westen von innen zu schwächen und aufzulösen. Die kommunistische Organisation ist einfach das direkte Werkzeug Moskaus, das im Westen dessen politische Befehle durchführt.
Im Augenblick – 1948 – hat Rußland nur noch einen einzigen Feind – Amerika. Ihm gegenüber hat Rußland eine in jeder Hinsicht, außer der technischen, überlegene Position. Seine Waffe gegen Amerika ist innere Unterminierung durch Propaganda und gesellschaftliche Degeneration. Diese Methoden sind in Amerika besonders wirksam infolge der geistigen Spaltung zwischen der wahren Seele des amerikanischen Volkes und der oberen kulturentstellenden Schicht. Auch trägt die Kulturreaktion in Amerika noch zur nachdrücklichen Wirksamkeit der materialistischen Propaganda und der überspannten sozialen Ideale bei. Der Einfluß des Verderbers zeigt sich in Rußland darin, daß der Anteil dieser Gruppe an der Funktionärskaste unverhältnismäßig groß ist, daß Antisemitismus ein Verbrechen ist und vor allem in der russischen Politik hinsichtlich Palästinas. Von 1944 bis 1948 war die russische Politik in allen Punkten eine Verneinung der amerikanischen Politik. Trotzdem war sich das Moskauer Regime bei der Teilung Palästinas, das zur islamischen Welt gehört, nicht einig, ob es die Weltpolitik der jüdischen Kultur-Staat-Nation-Rasse-Einheit unterstützen solle, obgleich es im imperialistischen Interesse Rußlands lag, Amerika in dieser Frage entgegenzutreten.
Aber die augenblickliche Lage zeigt auch deutlich, daß die Kulturentstellung weiter nichts als eine Krankheit ist. Trotz ihrer ähnlichen inneren Situation bewegen sich Rußland und Amerika auf einen Krieg gegeneinander zu. Diese Zeit ist eine Zeit der Vorbereitung auf und für den dritten Weltkrieg. Das Wesen der Politik, der politischen Seite der menschlichen Natur, zwingt zu diesem Krieg, und das Vorhandensein aktiver fremder Gruppen in beiden politischen Großmächten spielt angesichts dieser bedeutsamen Tatsache nur eine untergeordnete Rolle. Ihre Rolle ist, den Krieg so zu lenken, daß der Ausgang ihrer eigenen Weltstellung nicht schadet. Rußlands strategische Position ist der Amerikas weit überlegen. Zuerst einmal ist seine geographische Lage ein unschätzbarer Vorteil. Der nordöstliche Quadrant ist, wie wir gesehen haben, im Zeitalter der absoluten Politik der Mittelpunkt für die Kontrolle der Welt. Rußland liegt in diesem Quadranten, wohingegen Amerika nicht einmal in der politischen Welt liegt, die sich in der östlichen Hemisphäre befindet, dem Ausgangspunkt für sechsmal so viel Macht, wie sie die westliche Hemisphäre bieten kann. Militärisch wird der nordöstliche Quadrant teils von Rußland, teils von Amerika kontrolliert. Das russische Gebiet ist zusammenhängend und einheitlich. Die russische Diplomatie besteht in militärischer Besetzung, Terror, Verschleppung und Mord. Die amerikanische Diplomatie besteht in degenerierender Propaganda, Marionettenregierungen, die einen eigenen Terror ausüben, und Finanzherrschaft. Die russische Methode ist bei weitem die überlegenere. Kriege werden mit Soldaten, nicht mit Geld geführt; die Diplomatie dient lediglich der Kriegsvorbereitung und der Ausnutzung der Ergebnisse des Krieges. Finanzielle Mittel ergänzen daher nur die militärischen. Die amerikanischen Gebiete im nordöstlichen Quadranten wurden gekauft, sie können aber nie endgültig bezahlt werden. Ihr Besitz hängt von der Aufrechterhaltung der Marionettenregierungen ab, die der wertlosesten Schicht Europas angehören, den Parteipolitikern, die sich für Geld verkaufen. Daher würde ein Aufstand der kraftvolleren und ehrenhafteren Schicht in der amerikanischen Einflußsphäre Europas Amerikas Übergewicht automatisch beenden, wohingegen Aufstände im russischen Bereich unter den gegenwärtigen Umständen im Blut erstickt würden. Natürlich steht Amerikas Finanzdiplomatie im Schutz amerikanischer Bajonette, aber die gefährliche Illusion des amerikanischen Denkens in bezug auf den Wert finanzieller Mittel bleibt bestehen.
Die russische Diplomatie vermehrt das russische Ansehen, während die amerikanische Diplomatie in den unterworfenen Völkern nur die Hoffnung auf materiellen Gewinn weckt und den niedrigen Trieben der Habgier und Faulheit Vorschub leistet. Amerika befriedigt in nichtendenwollenden »Hängt sie«-»Kriegsverbrecher«-Prozessen die alte semitische Rachsucht. Rußland schätzt die Einzelpersonen der unterworfenen Bevölkerung nach ihrem gegenwärtigen und zukünftigen Wert für die russischen Pläne ein und kümmert sich nicht um ihr früheres Tun. Indessen, wenn Rußland beschlösse, ein »Kriegsverbrechen«-Hängefest zu veranstalten, so könnte es die Amerikaner die passende Technik lehren. Der Florinsky-Prozeß während des Roten Terrors in Kiew im Sommer 1919 diene als Beispiel für einen solchen Anschauungsunterricht. Professor Florinsky von der Universität Kiew war des Antisemitismus angeklagt. Einer seiner Richter, Rosa Schwartz, gereizt durch seine mangelnde Demut, zog bei der »Gerichtsverhandlung« einen Revolver und schoß ihn tot.
Rußlands Lage im nordöstlichen Quadranten ermöglicht ihm, die strategischen Prinzipien der Zusammenfassung und Ausnutzung der Kräfte in hohem Maße anzuwenden. Amerikas abgelegene Lage dagegen zwingt es, eine ungeheure Flotte zu unterhalten, um überhaupt einen Soldaten auf den Kriegsschauplatz versetzen zu können. Rußland hat vor Amerika den Vorteil der inneren Linie voraus.
Wir können nun die abschließenden Bemerkungen über Rußland, seine Sendung und seine Möglichkeiten machen. Rußland gehört nicht zum Westen; sein Imperialismus ist lediglich eine Verneinung des unbegrenzten, organisatorischen abendländischen Imperialismus. Was den Westen anbetrifft, ist Rußlands Sendung somit eine rein destruktive. Von Rußland kann der Westen sich nichts erhoffen, und jeder, der dergleichen glaubt, ist, kulturell gesehen, ein Idiot. Rußland ist innerlich gespalten; das herrschende Regime verkörpert nicht die wahre, gläubige, primitive asiatische Seele, sondern ist eine technokratische Karikatur des Petrinismus, und aus diesem Grunde könnte das Regime eines Tages den Weg der Romanows gehen. Diese Spaltung kann gegen Rußland ausgenutzt werden, gerade so wie Rußland versucht, gegen seine politischen Feinde von einer innerrevolutionären Taktik Gebrauch zu machen. Eine solche Taktik wurde 1917 mit Erfolg vom Westen gegen das Romanow-Regime angewandt. Aufgrund seiner geographischen Lage an der Grenze zum Westen wird und muß Rußland immer der Feind des Westens sein, solange diese Bevölkerungen als politische Einheit organisiert sind.
Dieses Buch ist anders als andere Bücher. Bis jetzt richteten sich alle imperativischen politischen Werke immer nur an eine einzelne europäische Nation. Dieses Buch wendet sich an ganz Europa und insbesondere an dessen kulturtragende Schicht.
Die Bedeutung des Wortes Europa hat sich gewandelt. Von jetzt an wird darunter die abendländische Zivilisation verstanden, die organische Einheit, die als Stufen ihres Lebens die spanische, italienische, französische, englische und deutsche Idee der Nation hervorbrachte. Diese ehemaligen Nationen sind alle tot, die Epoche des politischen Nationalismus ist zu Ende, nicht durch logische Notwendigkeit, sondern durch den organischen Fortgang der abendländischen Geschichte.
Das heutige Chaos kann unmittelbar auf den Versuch zurückgeführt werden, den Zusammenschluß Europas zu verhindern. Infolgedessen befindet sich Europa in einem Sumpf und die ehemaligen europäischen Nationen sind zu Kolonien außereuropäischer Mächte herabgesunken. Entweder Europa vereinigt sich oder es verschwindet aus der Geschichte, und seine führenden Kräfte und seine Leistungen stehen für immer außereuropäischen Mächten zu Diensten.
In erster Linie verurteilt werden hier die verächtlichen Pläne reaktionärer Kreaturen, Europa als Wirtschaftsraum zu »einigen«, um es mit Hilfe des Imperialismus außereuropäischer Mächte und der gleichzeitigen Stärkung eben dieses Imperialismus umso leichter ausbeuten zu können.
Nicht Handel und Bankgeschäfte, nicht Import und Export, sondern Heldenmut und Heldengeist allein können Europa von den finanziellen Machenschaften der Reaktionäre, von der Kleinstaaterei der Parteipolitiker und von den Besatzungsarmeen der außereuropäischen Mächte befreien.
Dieses Buch ist bereits der erste Schlag im Kampf für die Befreiung Europas. Der Hauptfeind ist der Verräter innerhalb Europas. Zwischen ihm und dem Geist des zwanzigsten Jahrhunderts herrscht unaufhörlicher Krieg.
Francis Parker Yockey