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Die Religion der Menschenrechte


Alain de Benoist

Dr. Pierre Krebs | Mut zur Identität

Mut zur Identität
Alternativen zum Prinzip des Gleichheit / hrsg. Von Pierre Krebs.
ISBN 3-922314-79-1
© Pierre Krebs, 1988

Wir leben einen politischen Bruch: der alte Streit zwischen ,rechts’ und ,links’, die soziale Frage betreffend, verliert an Kraft. Die offiziellen Rechten und Linken begeben sich zunehmend in eine ideologische Umarmung, der die politische auf dem Fuß folgt: sie haben Gemeinsamkeiten entdeckt, was den Fortbestand der sogenannten westlichen Zivilisation betrifft, und zwar vor allem in den negativ zu bewertenden Bereichen dieser Zivilisation, in den Bereichen ihrer machtstrukturellen, besonders ihrer egalitären, ökonomistischen und universalistischen ,Werte’.

Dieses Buch will etwas dagegen tun. Die einzelnen Abhandlungen zeigen auf, daß sich eine neue Trennungslinie entwickelt, zwischen den Anhängern des Kosmopolitismus und den Verfechtern der ethnokulturellen Identität. In unserer Zeit der Entfremdung von kultureller Schöpferkraft und Tradition eines Volkes ist es unerläßlich geworden, die Wurzeln der Identität, der geistigen Selbsterhaltung und Selbstentfaltung des Einzelnen sowie der verschiedenen Lebens- und Kulturgemeinschaften zu beschreiben, ferner eine Argumentationsbasis für eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Geist der Entmündigung, Auflösung und Zerstörung herzustellen.

Die neuen Streitgespräche über die Problematik der Einwanderung und der mehrrassischen, mehr- und mischkulturellen Gesellschaft, über den Verlust von kulturellem Erbe und der Tradition eines Volkes sowie über die technische Entwicklung werfen bezeichnenderweise stets als eine entscheidende Frage die nach der Identität auf. Auch die Bedrohungen auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiet stehen im Mittelpunkt der Identitätsdiskussion. Im Kampf gegen die universale Mischkultur muß man die nationalen europäischen Identitäten vereinigen, sie als einander ergänzend betrachten und sie nicht gegenüberstellen. Es gilt, die nationale Identität von oben (Europa) zu ergänzen und von unten (die Region) zu verankern. Mut zur Identität verficht das Modell einer heterogenen Welt homogener Völker, und nicht umgekehrt!

Anlaß für diese Publikation war
die Hinrichtung Saddam Husseins.

(Redaktion)

Alain de Benoist

Auf die Frage, wie sich so viele Vertreter relativ verschiedener Ideologien über den Begriff ‚Menschenrechte’ einig sein könnten, soll ein Mitglied jener Kommission, die mit der Ausarbeitung der 1948 beschlossenen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beauftragt worden war, geantwortet haben, daß tatsächlich ein Konsens bei diesem Begriff bestehe, unter der Bedingung allerdings, daß niemand nach dem ,Warum’ frage.1

Es ist offenbar sehr schön zu behaupten, daß „alle Menschen Rechte haben“ oder daß „alle Menschen gleich an Würde sind.“ Aber was bedeuten genau diese Worte? Aufgrund welcher Tatsache haben die Menschen Rechte? Von welchem Menschen ist die Rede? Was ist eine „gleiche Würde“? Auf diese Fragen möchten wir eine Antwort geben. Die Ideologie der Menschenrechte beruht auf vier Glaubensartikeln: der Glaube an die Einheit des Menschengeschlechts und an die moralische Bedeutung dieser Einheit; der Glaube an die Existenz einer ,menschlichen Person’, die von den konkreten Merkmalen eines jeden Individuums unabhängig ist; der Glaube an eine ,menschliche Natur’, die Anlaß zu einem ,Naturrecht’ gibt; schließlich der Glaube an den Vorrang des Individuums über die organischen und historischen Gemeinschaften, wie die Kulturen, die Völker und die Nationen. Der erste Glaube hält für selbstverständlich erwiesen, „daß jeder einzeln aufgefaßte Mensch Mitglied einer einzigartigen, allgemein vorherrschenden Tiergattung, des homo sapiens, ist, daß aber diese biologische Tatsache auch moralische Folgen in sich schließt“.2 Die Einheit des Menschengeschlechts muß hier im Sinne von Gleichwertigkeit aufgefaßt werden. Die Menschheit sei ,homogen’ genug, um alle Individuen für durchaus gleichwertig halten zu können — so daß die unter den Menschen feststellbaren Unterschiede als oberflächlich, zweitrangig oder vorübergehend betrachtet werden müßten. Als einleuchtende Erkenntnis’ ist diese Anschauung ja relativ neu: Zu Recht weist Michel Foucault darauf hin, daß „der Mensch eine Erfindung ist, deren junges Datum die Archäologie unseres Denkens offen zeigt“.3 Diese Behauptung hat aber eine lange Geschichte hinter sich.

„Die Vorstellung vom Menschen ist biblisch“, behauptet Blandine Barret-Kriegel.4 Als erste nämlich bringt die Bibel für den Uranfang der Zeiten einen einzigen Menschen (oder ein einziges Menschengeschlecht) auf die Weltbühne, der von einem ebenso einmaligen Gott geschaffen wurde. „Wenn der Hebräer über die ersten Augenblicke der Menschheit sinnt,“ schreiben Josy Eisenberg und Armand Abecassis, „setzt er spontan an deren Ausgangspunkt einen einzigen Urvater. Warum? Weil er auf der Ebene der ihn geistig quälenden Werte die Gleichheit der Menschen ausdrücklich betonen will, und er führt sie auf die ursprüngliche Einheit zurück ..., auf die Einheit des Menschen, aber auch Einheit des Menschengeschlechts. Unsere Rabbiner sagen: Gott hat die Menschheit von einem einzigen Menschen aus schon deshalb geschaffen, damit keiner sagen kann: mein Vorfahr ist deinem vorausgegangen.“5 Dem fügen sie hinzu: „ Alle Menschen sind insofern gleich, als sie von ein und demselben Gott geschaffen wurden ... Gott hat einen einzigen Menschen geschaffen, um den Glauben, daß es mehrere Götter geben könnte, nicht aufkommen zu lassen. Die Einmaligkeit des Menschen zeugt also von der Einmaligkeit Gottes.“6 Die auf dem Monohumanismus gründende Religion der Menschenrechte hängt also anscheinend von vornherein mit dem Egalitarismus und mit dem Monotheismus zusammen. Das biblische Denken ist auch deshalb monohumanistisch und -genetisch, weil es monotheistisch ist. Es ist die Zwangsvorstellung vom Gleichen, die Herrschaft des als fixe Idee eingesetzten monos: alle Menschen sind vor Jahwe vollkommen gleich.

Diese Behauptungen sind unseres Erachtens nicht stichhaltig. Der ,Mensch’ existiert für die Alten nicht. Es gibt nur Menschen: Griechen, Römer, Barbaren, Patrizier, Sklaven usw. Im 18. Jahrhundert übernahm Edmund Burke bei seiner Kritik am revolutionären Gedankengut diese Einstellung. Fast zur gleichen Zeit schreibt Joseph de Maistre: „Es gibt keinen einzigen Menschen auf der Welt. In meinem Leben habe ich unter anderem Franzosen, Italiener, Russen gesehen. Ich weiß sogar, dank Montesquieu, daß man ein Perser sein kann: was aber den Menschen anbelangt, ist er mir noch nie begegnet.“7 Zwar können wir weiterhin im allgemeinen Sinne vom ,Menschen’ - im Singular -sprechen. Es handelt sich aber hierbei lediglich um eine Sprachbequemlichkeit, um eine Abstraktion, die letztlich auf der Wahrnehmung einer gewissen Anzahl einzelner Menschen gründet. Zu den Rechten der Menschen können wir uns äußern. Wir wissen Bescheid über die Grundrechte der Russen, der Afghanen, der Polen, aber auch über die der Völker, die vom amerikanischen Imperialismus unterworfen wurden. Um die abstrakten Rechte eines Menschen an sich wissen wir aber nichts - und können auch nichts wissen. Der universale’ Mensch existiert nicht.

Was allerdings existiert, ist eine zoologische Einheit des Menschengeschlechts; im strengen Sinne macht die Art Mensch die ,Menschheit’ aus. Ein solcher Begriff hat aber eine rein biologische Bedeutung. Nun glauben wir nicht, daß der Mensch sein Wesen aufgrund seiner biologischen Merkmale bestimmen kann. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß das Spezifische am Menschen, d. h. was den Menschen-als-Menschen gründet und ausmacht, aus der Kultur und der Geschichte hervorgeht.

Der Mensch ist nicht nur ein Tier: er definiert sich nicht nur aufgrund seiner Gattungszugehörigkeit. Von allen Tieren ist er sogar das einzige, das von dieser Zugehörigkeit behandelt wird. Der Mensch ist ein Kulturwesen. Auf kultureller Ebene gibt es aber kein Muster für die gesamte Menschheit. Historisch gesehen entfalten sich die Kulturen immer in der Mehrzahl. In einem kulturellen rein menschlichen Sinne von ,Menschheit’ zu sprechen heißt nichts anderes, als die Kultur zur Natur zurückzuführen, als die Geschichte auf die Biologie zu reduzieren. Es ist durchaus bemerkenswert, daß die Anhänger der Ideologie der Menschenrechte gerade in diesen biologischen Reduktionismus’ verfallen, indem sie ein moralisches Gebot aus einem Umstand folgern, der nur mit Zoologie zu tun hat.

Im übrigen ist der Begriff ,Art’ bzw. ,Gattung’ selbst vorübergehend: der selektive Anpassungsprozeß ruft einen Polyphormismus hervor, der mit der Zeit immer zu neuen Arten führen kann. Und vor allem zweifeln wir, daß dieser - auf den Menschen bezogene - Begriff überhaupt angemessen ist. Sofern beim Menschen die „kulturelle Vererbung“ (Jacques Ruffie) die genetische ablöst, dürfen wir die Ansicht vertreten, daß sich gerade innerhalb der menschlichen Kulturen jene Differenzierung fortsetzt, die in den übrigen Gattungen ausschließlich auf der biologischen Ebene stattfindet. Die Art homo sapiens, unterstreicht Edmund Leach, könnte als Einheit nur unter der Bedingung betrachtet werden, daß die Kreuzungen ohne jeden kulturellen Zwang geschehen. Das trifft selbstverständlich nicht zu. „Infolge ihrer kulturellen Hemmungen verhalten sich die Menschen allesamt und überall in der Welt, als wenn sie Angehörige zahlreicher verschiedener Arten wären.“8

Die zweite Überzeugung, auf der die Ideologie der Menschenrechte gründet, der Glaube an die Existenz einer ,menschlichen Person’ nämlich, läuft darauf hinaus, ein unveräußerliches Wesen des Individuums zu behaupten, das von seinen gesamten Merkmalen unabhängig wäre. „Die allgemeine Eigenschaft des Menschen, die alle übrigen umfaßt und deren Einheit bildet“, schreibt Henri Ahrens, „ist seine Eigenschaft-als-Person.“9 Diese ,Eigenschaft’ gründe auf einem „absoluten und göttlichen“ Element, das in der Vernunft zutage trete. „Indem die Vernunft den Menschen über seine enge Individualität erhebt, eröffnet sie seinem Verstand die Welt der Prinzipien, der Gesetze, der ewigen Ideen, des Guten und Wahren.“10 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte behauptet ihrerseits, daß alle Menschen „Vernunft besitzen“ (Artikel 1). Die gleiche Ansicht vertrat bereits Thomas von Aquin.

Diese Behauptungen sind in Wirklichkeit einfach sinnlos. Zum einen ist die Person nicht von dem zu trennen, was sie bildet, das heißt von den Eigenschaften und Merkmalen eines jeden. Sie läßt sich folglich nur differenziert von einer gegebenen Form aus erfassen. Zum anderen dürfen Person und Individuum nicht miteinander verwechselt werden. Nicht alle Individuen sind in der Lage, ebenfalls personalisiert’ zu werden. Und schließlich berechtigt nichts zu der Annahme, daß die Vernunft bei allen Menschen gleichmäßig verteilt ist. Die ,Welt der Prinzipien’ kann nur subjektiv bestehen. Es gibt ebensowenig ,ewige Ideen’ wie das ,Gute’ oder das ,Wahre’ an sich.

„Eine Person zu sein“, schreibt Julius Evola, „ist keine einheitliche oder gleichmäßig zugeteilte Eigenschaft, ist keine bei allen in gleichem Grad vorhandene Würde, die dem Individuum automatisch zukäme, weil er der biologischen Art ,Mensch’ angehört. Die ,Würde der menschlichen Person’, von der die Verfechter des Naturrechts und die Liberalen soviel Aufhebens machen, muß - mit allem, was sie in sich schließt - da erkannt werden, wo sie tatsächlich existiert, und nicht beim erstbesten. Und wo sie überhaupt existiert, darf sie nicht in allen Fällen als gleich betrachtet werden. Sie weist verschiedene Phasen auf, und die Gerechtigkeit besteht darin, jeder dieser Stufen ein unterschiedliches Recht, eine unterschiedliche Freiheit zuzusprechen ... Außerhalb dieses Rahmens ist die Achtung vor der menschlichen Person im allgemeinen nur ein Aberglaube.“11

Der Glaube an ein ,Naturrecht’ rührt folgerichtig von der Behauptung einer abstrakten .menschlichen’ Person her. Es ist die Vorstellung, wonach es im Menschen ein Recht gebe, „das seiner Natur innewohnt und sich von dem in seiner Vernunft zutage tretenden göttlichen Prinzip ableitet.“12 Daran sehen wir, daß die Ideologie der Menschenrechte eine naturalistische ist. Von Thomas von Aquin (Summa theologica, 1265-73) bis Claude Levi-Strauss (Droit naturel et histoire, 1954) setzt diese Ideologie voraus, daß ein ,Naturzustand’ des Menschen bestanden hat oder bestehen kann. Und die Gesellschaft hat ihren Zweck darin, diesen Zustand wiederherzustellen (Rousseau) oder zu schaffen (Locke). Diese Überzeugung verbindet das klassische Judäo-Christentum, das an die ,Naturordnung’ glaubt, mit dem modernen Rationalismus, der aufgrund ,objektiver’ Realitäten und angeblich .universaler’ Gesetze argumentiert.

Alle diese Begriffe der ,Naturordnung’, des ,Naturrechts’, der ,menschlichen Natur’ u. a. sind an sich ohnehin nicht eindeutig, da man von der Natur die unterschiedlichsten Vorstellungen haben kann. Der ,Naturzustand’ hat bei Kallikles, Hobbes und Rousseau nicht die gleiche Bedeutung! Stellt er einen Kriegs- oder einen Friedenszustand dar? Einen Zustand der Gerechtigkeit oder der Ungerechtigkeit? Diese Fragen warf Pufendorf in seinem Meinungsstreit mit Hobbes auf.

Wir werden sie an diesem Ort nicht beantworten; wir möchten lediglich daran erinnern, daß der Mensch unseres Erachtens keine andere Natur hat als die Kultur, kraft deren er sich selbst aufbaut. Wird der Mensch allein, in abstracto, außerhalb jeglicher Gelegenheit, sich in Form zu setzen, aufgefaßt, so ist er weder gut noch böse. Nur der durch die historischen Institutionen und Verwirklichungen in Form gesetzte Mensch existiert als Mensch. A. Gramsci ist, wenn auch von den marxistischen Denkschemata gehemmt, realistischer als die gewöhnlichen Verfechter der Ideologie der Menschenrechte, wenn er schreibt, daß „es keine abstrakte, beständige, unveränderliche menschliche Natur gibt“, denn „die menschliche Natur umfaßt sämtliche historisch bestimmten sozialen Beziehungen“.13 Es gibt keine Naturmenschen’. Die Gesellschaft hat die ,menschliche Person’ unserer Ansicht nach weniger zu erkennen, als sie mitzugestalten.

Das Postulat des Individualismus schließlich rührt ebenfalls vom Monohumanismus her. Gibt es einen ,Menschen an sich’, so fallen alle gemeinschaftlichen Zugehörigkeiten, die die Menschen voneinander unterscheiden, recht wenig in Betracht. „Die monotheistische Mentalität und ihre humanistische Behauptung bevorzugen gewissermaßen das Individuum“, schreiben Josy Eisenberg und Armand Abecassis.14 Im Namen der universal bestimmten .menschlichen Person’ ist es ja immer möglich, sich von jeglicher Verpflichtung gegenüber einer bestimmten Gemeinschaft als entbunden zu betrachten. Die Absolutheit der Menschheit stößt dann auf die Absolutheit des Individuums, so wie der Objektivismus des Jusnaturalismus (Theorie des ,Naturrechts’) und der unbändigste individuelle Subjektivismus einander berühren: ein Beweis, daß die Extreme zusammenlaufen. Die verneinte Dimension ist die mittlere: die der Verankerung innerhalb einer Kultur, eines Volkes oder einer Nation.

Nun aber haben die dazwischen liegenden Gemeinschaften ebenso Rechte, wie sie Pflichten haben. Das Volk hat Rechte. Die Nation hat Rechte. Die Gesellschaft und der Staat haben Rechte. Umgekehrt hat der Einzelne auch Rechte, gemäß der historischen, ethnischen oder kulturellen Sphäre, der er angehört: es sind Rechte, die von den Werten und Merkmalen dieser Sphäre nicht zu trennen sind. Deshalb sind individuelle und kollektive Rechte in einer organischen Gesellschaftsform ebensowenig unvereinbar wie das Individuum selbst und das Volk, dem es angehört.

Eine solche Unvereinbarkeit erweist sich dagegen als bestimmend in der Sicht der Ideologie der Menschenrechte, die auf der Idee einer abstrakten ,Person’ und auf dem Egalitarismus gründet. „Ohne Hierarchie“, gibt Edmund Leach zu erkennen, „kann es keine Legitimität geben, und ohne Legitimität keine dauerhafte Gesellschaftsordnung“.15

In der Tat: „Werden in einer Gesellschaft die egalitären Ideen ernstgenommen, so glaubt jedes Individuum, daß das letztlich vom Göttlichen herrührende moralische Charisma unmittelbar und individuell in seiner Person verkörpert wird. Meine Handlungen sind ihre eigene Rechtfertigung. Ich erkenne keine moralische Autorität außerhalb meines eigenen existentiellen Ichs. Es gibt keine Übertragung der Legitimität auf andere. Die Regierungsgewalt wird nunmehr als Übel an sich betrachtet, und die sozialen Beziehungen, die das Gesellschaftsraster bilden, stehen vor der Auflösung.“16

„Die kollektiven Rechte“, schreibt Ghislaine Rene Cassin, „sind nicht die Menschenrechte.“17 Die Ideologie der Menschenrechte offenbart ursprünglich sogar eine echte Phobie vor der Gemeinschaft. Das Le Chapelier-Gesetz vom 14. Juni 1791, das die früheren Zünfte aufhob, untersagt die fachgenossenschaftlichen Vereinigungen unter dem Vorwand, daß sie „der Erklärung der Menschenrechte zuwiderlaufen“! Dennoch müssen wir an diesem Ort zwischen einzelnen Erscheinungsformen der Ideologie der Menschenrechte unterscheiden: im Gegensatz zur .populistischen’ Form, die die gesellschaftliche Solidarität entschiedener in den Mittelpunkt rückt und manchmal den Staat nach wie vor als Garant des Rechts hinstellt, erweist sich die ohnehin individualistischste liberale Form eindeutig auch als die schrecklichste. Sich auf jene (juristische) Strömung stützend, die Gesellschaft und Staat, Individuum und Autorität, organische Zelle und gesellschaftlichen Körper gegeneinander aufwiegelte, verwirft sie Autorität und ,Herrschaft’ am ausdrücklichsten. Die von ihr entwickelte Logik schließlich läuft den kollektiven Wesenheiten am ehesten zuwider.

Wie Max Weber es nachwies,18 ist das ,Naturrecht’ grundsätzlich revolutionär, denn die gesellschaftliche Ordnung wird immer in seinem Namen in Frage gestellt, und zwar dadurch, daß eine vermeintliche Legitimität einer feststehenden Legalität entgegengehalten wird. Die Ideologie der Menschenrechte, die - wie an späterer Stelle ersichtlich - gegenüber den zeitgenössischen Despotismen völlig wirkungslos bleibt, ist an die De-Strukturierung der ,freien’ Gesellschaften dagegen vollkommen angepaßt. „Treiben Sie den Fanatismus etwas weiter“, schreibt Louis Pauwels, „und Sie werden merken, daß alles, was das Individuum zwingt, sich als Bürger zu verhalten, den Menschenrechten entgegensteht. Sie werden den Kult des gegen den Staat gerichteten Individuums feiern. Sie werden das Steueramt, das Polizeirevier, die Kaserne und die Schule als Zwingburgen betrachten, die den Menschen erdrücken. Sie werden um die Gnade Gottes bitten, daß er Sie von Ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Staat, dem Schicksal der Nation und des Vaterlands entbinden. Jede Zwangmaßregel zugunsten eines kollektiven Guts wird den Menschenrechten entgegenarbeiten19.“

Die Ideologie der Menschenrechte ist nicht nur unfähig, die individuellen Freiheiten bei den anderen zum Erstarken zu bringen; sie trägt auch dazu bei, daß die zivilen Freiheiten bei uns verkümmern. Indem sie die Rechte des abstrakten Einzelnen über die konkreten Zugehörigkeiten stellt, neigt die Ideologie der Menschenrechte eben sowie der Liberalismus, im Namen einer fortwährenden Gegenwart die Vergangenheit wegzuradieren und die Zukunft zurückzusetzen. „Dieser Liberalismus“, bemerkt Raymond Ruyer, „wirkte sich zerstörerischer aus als die revolutionärsten, anarchistischsten Sittenlehren ... Die Forderungen der Menschenrechte’ sind im Grunde genommen die Forderung des Rechts, sich nicht mehr für die Lebensdauer, den Fortbestand des Volkes, dem man angehört, zu interessieren; gegen seine vierte Dimension gleichgültig zu werden und in der Freiheit des Jetzt zu leben.“20

Als profane Übertragung der mosaischen Gesetze und der noachidischen Gebote kann die Ideologie der Menschenrechte eigentlich nur eine Reduzierung oder eine Homogenisierung bewirken (und wahrscheinlich auch bezwecken). „Jene vereinheitlichende Funktion des Dekalogs gegenüber dem Volk Moses“, schreibt Ghislaine Rene Cassin ferner, „soll die Allgemeine Erklärung diesmal gegenüber der gesamten Menschheit ausüben.“21 Zu diesem Zweck gilt es, auf die Rechte des Menschen an sich hinzuweisen, und zwar gegen die konkreten Rechte der konkreten Menschen innerhalb ihrer konkreten Gemeinschaften. Der Mensch, den die Ideologie der Menschenrechte beschützt, ist ein nicht-bodenständiger. Er hat kein Erbe und keine Zugehörigkeit - oder er will beide zerstören. Dieser Mensch möchte gern, daß die anderen ebenfalls ungebunden werden. Er würde gern zusehen, wie sie ihr eigenes Erbe abtreten und zu Nachtwandlern werden. Dieses Schreckgespenst berührt uns aber nicht.

Von der Freiheit zur Schreckensherrschaft

Zu den Forderungen der Ideologie der Menschenrechte gehört die Freiheit an erster Stelle. Augustin Cochin erinnert daran, daß bereits in der liberalen Philosophie des 18. Jahrhunderts das „Gesetz der Freiheit den Leitgedanken“ bildete.22 Dieses Gesetz, fügt er hinzu, läßt sich folgendermaßen formulieren: „Die Natur ist gut: sie trachtet nach dem Guten. Der Wille sucht es: denn wer will schon seine Zerstörung? Die Vernunft findet es. So wird der Mensch als Natur- und Vernunftwesen zwangsläufig seinen Zweck, das Gute, und sein Ziel, das Glück, erreichen - unter der einzigen Bedingung allerdings, daß man ihn frei läßt. Die Freiheit ist das Mittel zu allem Guten, sie ist das erste aller

49Güter. Das Streben nach dem Guten ist aber eine Pflicht; folglich ist die Freiheit als Voraussetzung alles Guten die erste aller Pflichten. Und der gute Wille hat ein Recht auf das Gute: also ist Freiheit das erste aller Rechte.“23

Diese Theorie einer kritischen Analyse unterziehend, stellt A. Cochin gleich fest, daß sie sich auf eine besondere Definition der Freiheit stützt. Es besteht nämlich ein großer Unterschied „zwischen den tatsächlichen Freiheiten, die als Privilegien erfochten wurden, und der prinzipiellen, als Recht geforderten Freiheit.“ Auch Edmund Burke hält der Ideologie der Menschenrechte ihr potentiell antidemokratisches’ Wesen vor und äußert die Überzeugung, daß sie die Freiheiten des Volkes gefährdet zugunsten der als „metaphysischer Entität“ aufgefaßten Freiheit, die auf einer falschen Auffassung von ,Natur’ und ,Vernunft’ beruht und den Arm des erstbesten Tyrannen stärken kann. „Hat man ein Recht auf alles“, schreibt er, „so vergißt man alles.“ Er fügt hinzu: „Der Zwang gehört ebensowie die Freiheit zum Recht der Menschen ... Alle vermeintlichen Rechte jener Theoretiker sind extrem; und so wahr sie metaphysisch auch sein mögen, so falsch sind sie moralisch und politisch.“

Damit stellen wir erneut fest, wie die widersprüchlichsten Absolutheiten zueinander stoßen können. Indem die Ideologie der Menschenrechte Recht und Freiheit auf Universalien, auf eine ,abstrakte Vollkommenheit’ gründet, untergräbt sie die Freiheiten und die konkreten Rechte der Individuen und Gemeinschaften. Indem sie verschiedene Quellen des Rechts homogenisiert, d. h. vermischt, schafft sie die (für moderne Gewaltherrschaften günstigen) Voraussetzungen zu einer ständigen Aufhebung der besonderen, differenzierten Rechte im Namen eines .Universal- und Naturrechts’.

Was bedeutet Freiheit für die Anhänger der Menschenrechte? Blandine Barret-Kriegel antwortet: Es ist „die Zerstörung aller Disziplin.“24 Deutlicher geht es nicht. In diesem Sinne wird die Freiheit als ein Naturzustand des Menschen wahrgenommen, der u. a. der Gesellschaft, der Regierungsherrschaft, der sozialen Ordnung entfremdet ist. Es ist eine .unbegrenzte Freiheit’, die dem eigentlichen Wesen des Menschen bei Rousseau entspricht; eine Freiheit, die den Menschen aufgrund ihres individuellen, als souverän aufgefaßten Willens rechtmäßig innewohnt (souverän, sofern er mit einer absoluten Souveränität verwandt ist, die vor der Gesellschaft bestanden hat.) Diese Freiheit muß von der Regierungsmacht als eine axiomatische (unanzweifelbare) Freiheit -als eine Berechtigung anerkannt werden. Da sie einer .Befreiung’ gleichkommt, führt sie zur Verwerfung der Zugehörigkeit und der Disziplin. Sie arbeitet der Notwendigkeit entgegen; sie bedeutet Erlösung von der Notwendigkeit. ,Frei’ ist das Individuum, dem das Recht zuerkannt wurde, sich von jedem Zwang zu befreien - das Individuum, dessen individuelles, angeborenes Recht über das aus einer geschichtlichen Tat hervorgehende kollektive Recht gestellt wurde. Die Auffassung der Freiheit, der wir uns anschließen, ist eine ganz andere. In dieser Auffassung „gibt es keine allgemeine abstrakte Freiheit, sondern Freiheiten, die dem eigentlichen Wesen des Menschen gemäß zum Ausdruck kommen.“25 Ein freier Wille existiert nämlich nicht im Abstrakten; es gibt nur Willen, die von Kräften getrieben und mit Projekten verknüpft werden. Der Freiheitsbegriff ist kein philosophischer oder moralischer, sondern ein praktischer und politischer. Die Freiheit ist dem Menschen nicht präexistent, wie ein metaphysisches Recht, das er sozusagen im Wasserzeichen seiner ,Person’ besäße. Sie muß vielmehr erobert werden. Sie hat keine .spontanen Nutznießer’, sondern nur Stifter und Bürgen. Frei wird niemand geboren, aber manche werden es. Die Freiheit geht nämlich aus der Unternehmung hervor, sie einzuführen oder zu erobern. Eine solche Unternehmung können sowohl Individuen als auch Gemeinschaften geplant haben. Innerhalb der Gesellschaft muß eine eroberte Freiheit vom Staat gewährleistet werden - gegen eine staatsbürgerliche Verpflichtung seitens der Gesellschaftsmitglieder. Die Freiheit an sich’ ist nicht in der gesellschaftspolitischen Ordnung zu beobachten. Zu beobachten ist lediglich ein Netz von bestimmten Rechten und Pflichten, die einer Tradition entstammen und deren Gewähr weniger in Prinzipien als in dem Vorhandensein einer wirklichen politischen Kraft enthalten ist. Die politische Freiheit, schreibt Julien Freund, „eben weil sie politisch ist, kann sich den Voraussetzungen des Politischen nicht entziehen ... Mit anderen Worten: die politische Freiheit ist nicht nur im Staat, aber man braucht einen Staat, damit sie sich äußern kann.“26

Weit davon entfernt, „Zwanglosigkeit“ zu sein, „erscheint die Freiheit nur dort, wo Zwangsläufigkeit besteht; d. h. sie ist Einwilligung in oder Opposition gegen einen Determinismus.“27 Sie bewirkt nicht, daß der Zwang beseitigt wird, sondern sie geht beim Individuum aus jenem Vermögen hervor, sich seinen eigenen Merkmalen entsprechend in Form zu setzen. Sie ist keine Ursache, sie ist eine Folge. Die eroberten, verdienten, im einzelnen bestimmten, schließlich verbürgten Freiheiten haben stets einen kulturellen Wert, sofern sie mit staatsbürgerlichen Verpflichtungen verbunden sind. Sie stehen also niemals im Widerspruch zu den gemeinschaftlichen Rechten. „Freiheit“, schreibt der Dichter Rudolf G. Binding, „ist die freiwillige Einfügung oder Einordnung in eine höchste unter Menschen geltende Ordnung. Anders wäre Freiheit Unordnung und Anarchie. Fühle, daß sie das nicht sein kann. Wir leben unter dem Gewölbe der Freiheit wie unter einem weit gespannten Himmel, der über uns steht; aber wir ständen im Leeren und entfielen allen menschlichen hohen Gesetzen und Rechten, wenn wir den Himmel durchstießen.“28 Für Binding gibt es freie Menschen nur innerhalb ein und derselben Ordnung. Frei ist man nur unter freien Menschen. Frei zu sein heißt, die Freiheit derjenigen anerkennen, die unter dem Himmel der Freiheit leben. Jean-Paul Sartres Auffassung (Der Existentialismus ist ein Humanismus, 1946) entgegen ist der Wille zur Freiheit um der Freiheit willen sinnlos. Freiheit ist nur da, damit etwas aus ihr gemacht wird. Da das Leben immer ein Kräfteverhältnis darstellt, ist die Freiheit im Abstrakten nichts anderes als der Fuchs im Hühnerstall. Lacordaire schrieb bereits: „Bei den Starken und den Schwachen unterdrückt die Freiheit, und das Gesetz befreit.“ Wir müssen demnach zwischen der Freiheit-zu-tun und der Freiheit-um-zu-tun unterscheiden. Die erste Form ist negativ, sie zieht ab; die zweite ist positiv; sie fügt hinzu. Außerdem ist die im wesentlichen unförmige Freiheit-zu-tun mit Gleichheit unvereinbar: wenn es jedem ,frei’ steht zu tun, was er will, so werden ja nicht alle diese Freiheit gleichermaßen anwenden. Die Freiheit-um-zu-tun dagegen ist von einem bestimmten Zweck nicht zu trennen. Sie ermöglicht jedem, sich zu verwirklichen, d. h. seinen eigenen Fähigkeiten entsprechend zu werden.

In Sachen Freiheit haben die Erben der europäischen Kultur übrigens von niemandem etwas zu lernen. Der Begriff der politischen Freiheit entstand im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in Athen. Bei den Kelten und den Germanen nahm das gesamte Volk an den politischen Entscheidungen teil. (Dort wurde auch die Frau immer als Person angesehen.) Die konkreten Freiheiten entstanden in Rom aus dem System der gegenseitigen Leistungen, innerhalb dessen Verpflichtungen und erhaltene Dienste sich die Waage hielten. Und nicht zu Unrecht rühmte Montesquieu - bei seinem Vergleich zwischen den alten europäischen Demokratien und den orientalischen Despotismen - gerade jene aus dem Norden stammenden „tapferen Völker, die aus ihrem Land ausziehen, um Tyrannen und Sklaven zu vernichten.“29 Wir könnten sogar der Frage nachgehen, ob die öffentlichen Freiheiten wegen dieses Erbes, dieser Tradition der gemeinschaftlichen Freiheiten, heutzutage noch (relativ) besser in Nordeuropa geschützt sind als in den südlichen Ländern.

Blandine Barret-Kriegel erkennt diese „aristokratische Verkettung der Freiheiten“ an. „ Es ist kein Zufall“, schreibt sie, „wenn die Erhaltung der Meinungsfreiheit — man denke an das Freidenkertum — von den hohen Adligen unterstützt wurde; und es ist auch kein Zufall, wenn dort, wo die Aristokratien (im zaristischen Rußland und im revolutionären Frankreich) erniedrigt wurden, die Freiheit gleichzeitig ins Wanken geriet.“30 Dann führt sie aber eine Unterscheidung zwischen „menschlicher Freiheit“ und „bürgerlicher Freiheit“ ein und schreibt: „Der freiherrliche Ursprung der individuellen Freiheit und insbesondere ihre juristische Anerkennung betreffen lediglich einen Aspekt dessen, was man als Freiheit bezeichnet: die Unabhängigkeit, und nicht die Befreiung; die Autonomie, und nicht die Emanzipierung; die Freiheiten, und nicht die Freiheit.“

Gerade diese Unterscheidung kommt uns trügerisch vor. Denn die Freiheit besteht ja eigentlich in der Unabhängigkeit’ und .Autonomie’. Die ,Befreiung’ und die ,Emanzipierung’, werden sie einmal von der Unabhängigkeit und der Autonomie getrennt aufgefaßt, haben nichts mehr mit dem Kampf um Freiheiten, sondern nur noch mit Kulturpathologie zu tun. Sich von seinen Zugehörigkeiten .emanzipieren’ zu wollen heißt, sich selbst vernichten und verleugnen. Keine Gesellschaft darf zulassen, daß in ihr im Namen der ,Freiheit’ sich Mitglieder absondern und sie zerstören.

Abgesehen davon, daß die Behauptung eines solchen Rechts auf ,Emanzipation’ den Individuen keineswegs mehr an realer Freiheit einbringt, ist sie auch dazu geeignet, die schlimmsten Gewaltherrschaften zu nähren. Wenn die Freiheit nur eine zurückzuerobernde ,Natur’ ist, kann diese Zurückeroberung als ein entferntes Ziel hingestellt werden, dessen Zielsetzung die sofortige Negierung der konkreten Freiheiten rechtfertigt. Die Revolution von 1789 mündete somit durchaus folgerichtig in die Schreckensherrschaft von 1793. Stalin wurde zu seinen Lebzeiten als der bislang größte Förderer der Freiheitsidee hochgepriesen. Die Erhöhung einer abstrakten Freiheit führt immer zur Negierung der konkreten Freiheiten, so wie die Erhöhung des .Menschen an sich’ immer auf Kosten der Einzelnen geschieht. Das ,Universal-recht’ ist der allerschlimmste Feind der Privatrechte. Am 15. Juni 1980 äußerte Philippe Sollers in seiner Rede vor dem Comité des intellectuels pour l’Europe des libertés (CIEL) zu Recht: „Humanitarismus und Totalitarismus sind zwei eng verbundene Denkhaltungen; ihnen wohnt die Darstellung von jener berühmten Ganzheit inne, die das Menschengeschlecht angeblich bildet... Es ist der Tanz um das Menschenkalb.“

Die Kulturen sind in Gefahr

Der mit dem Monotheismus zusammenhängende Monohumanismus führt logischerweise zu jener besonderen Erscheinungsform des Rassismus, die auf dem Ethnozentrismus gründet. Zu behaupten, daß es grundsätzlich nur .einen’ Menschen gebe, heißt letzten Endes nämlich alle Menschen nach denselben Kriterien beurteilen, sie durch das gleiche Sieb schütten. Völlig objektive Kriterien kann es allerdings nicht geben - umso weniger, als es auf kultureller und geschichtlicher Ebene kein Muster für die gesamte Menschheit gibt. Die Menschen als gleich, die Kulturen als zusammengehörig zu betrachten, ihnen die gleichen Bestrebungen und Rechte zuzuschreiben heißt, sie immer von einem einzelnen Standpunkt aus betrachten, dem gegenüber sie nicht gleich sein können. „Für den Durchschnittsmenschen“, schreibt Edmund Leach, „bezeichnet der Begriff Mensch ,unseresgleichen, Leute unseres Schlages’, und oft ist der Anwendungsbereich einer solchen Kategorie äußerst begrenzt. Daraus folgern wir, daß es eine effektive Menschengesellschaft, innerhalb deren alle Individuen, selbst nur annähernd und in irgendeinem Sinne, untereinander gleich sind, nie gab und nie geben wird - außer daß sie winzigen Ausmaßes wäre.“31 Mit anderen Worten, der Egalitarismus besteht darin, alle Menschen als gleich zu betrachten, „unter der Bedingung allerdings, daß sie meine moralischen Werte akzeptieren.“32

Und Leach schließt mit den Worten: „Möglicherweise wird eine künftige Generation aufdecken, was der verheerende Trugschluß unserer Zeit war: nachdem wir mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Methoden entdeckt hatten, daß der Mensch als zoologische Art tatsächlich einzig ist, waren wir - mit Zwang und politischer Propaganda - bestrebt, dem Menschen als Kulturwesen und moralischer Person eine ähnliche Einheitsbedeutung aufzuerlegen, die dem eigentlichen Wesen unserer menschlichen Natur widerspricht.“33

Die Ideologie der Menschenrechte liefert das beste Beispiel für diesen ,okzidental-biblischen’ Ethnozentrismus. An der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte fällt nämlich am meisten auf, daß sich das »Allgemeine’ auf ihre Anmaßung, es zu werden, beschränkt. In den Werten einer besonderen Religion, dem jüdisch-christlichen Monotheismus, gründend, ist sie nach den Worten Marcel Boisards „ein Synthese-Kompromiß zwischen dem westlichen Liberalismus, der gegenüber der Gesellschaft abstrakte Persönlichkeitsrechte definiert, und dem Marxismus, der das Individuum durch die Bindung an die Sozialgruppe zu schützen trachtet.“34 Ebenso bemerkenswert ist übrigens, daß kein einziger Vertreter der Dritten Welt in der achtköpfigen Kommission zu finden war, die mit der Ausarbeitung dieser Allgemeinen Erklärung beauftragt worden war.

Wenn wir die seit 1948 in der UNO ratifizierten Menschenrechtskonventionen auf ihren Inhalt prüfen, so lassen sich vier kanonische Abteilungen bilden. Zunächst die Grundsätze des habeas corpus: Selbstverfügungsrecht, Folter- und Sklavereiverbot, Bewegungsfreiheit, Recht auf Gesundheitsschutz usw. Dann die Grundsätze des habeas animus: Geistes-, Glaubens- und Meinungsfreiheit, Recht auf Bildung, freie Teilnahme am kulturellen Leben usw. Danach kommen jene Grundsätze, die nicht etwa individuelle Rechte zu legitimieren trachten, sondern die westliche demokratische Staatsform: Stimmrecht und Wählbarkeit, geheime Abstimmung, gleiches Recht auf Eintritt in den Beamtendienst usw. Zuletzt werden manche recht undeutliche soziale Rechte bekräftigt: Recht auf Arbeit, Recht „auf anständige und befriedigende Arbeitsbedingungen“ (Artikel 23), Recht auf gewerkschaftliche Betätigung usw.

Es leuchtet ein, daß manche dieser Grundsätze selbstverständlich sein müssen und daß sie meistens, ohne sie weltweit verkünden zu müssen, auch in allen Kulturen selbstverständlich sind, die ihr Gleichgewicht und ihre Spezifität bewahrt haben. Andere offenbaren dagegen einen aufschlußreichen Ethnozentrismus.

Was beinhaltet beispielsweise das Recht auf Kultur und Schulunterricht? Gibt es etwa auf der ganzen Erde nur eine Einheitskultur, deren Modell überall durch ein nach westlichen Kriterien zivilisiertes’ Schulsystem gelehrt werden müßte? Besteht nicht in manchen Kulturen auch eine traditionelle Schulung, die außerhalb der Schule geschieht? Der Westen versucht, der ganzen Menschheit eine einheitliche Form des Unterrichts und der Wissensübertragung, folglich auch eine einheitliche Kultur und Weltanschauung aufzuzwingen. Was ist andererseits unter ,Sklaverei’ zu verstehen? Nach Auffassung der Ideologie der Menschenrechte hört die Sklaverei auf, sobald die Arbeit mit Geld entlohnt wird. Würde aber nicht die Einfuhr einer billigen fremdländischen Arbeitskraft nach Europa - aus der Sicht eines Irokesen zum Beispiel - als neue Form der Sklaverei erscheinen? Und überhaupt: Hat die westliche Welt nicht etwa neue Formen der ‚Sklaverei’ und der kollektiven Unterdrückung geschaffen, und zwar durch den wirtschaftlichen Imperialismus, die kulturelle Beherrschung und die ‚Diktatur der Medien’?

Auf diese Weise erkennen wir die Gefahr, welche die ,universalen’ Prinzipien in sich bergen. Sie schließen nämlich in juristischen Bezeichnungen sowie in typisch okzidentalischen Vorstellungen Begriffe ein, die von jeder Kultur unterschiedlich wahrgenommen werden. Mit der gesamten christlichen, dann rationalistischen Philosophie — von Thomas von Aquin bis Descartes - münden sie in dieselbe Illusion ein: sie geben vor, eine juristische und philosophische Sprache für den ganzen Planeten freizulegen. Sie wollen einen einzigen Signifikanten (Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens) für alle Signifikate (Inhaltsseite des sprachlichen Zeichens) finden.

Diese Verfahrensweise stößt auf allerlei Hindernisse. Die islamischen Länder zum Beispiel weigern sich, die 1962 verabschiedete Konvention über die freie Partnerwahl, das Heiratsmindestalter und die Registrierung der Eheschließung zu unterzeichnen. In dem bereits erwähnten Artikel geht Marcel Boisard übrigens der Frage nach, ob es eine typische islamische Auffassung der Menschenrechte gebe. Er stellt insbesondere fest, daß in den Ländern islamischer Kultur „die Pflicht des Individuums vor seinem Recht geht. Die soziale Qualität in höchstem Grad ist eher kollektiv als interindividuell. Jener traditionelle Gegensatz, den die abendländische Philosophie zwischen persönlichem Vorteil und Gemeingut aufstellte, ist im islamischen sozialen Denken somit theoretisch nicht anzutreffen.“ „Da Welt, Gesellschaft und Individuum alle, auf verschiedenen Ebenen, moralische Gebote darstellen, besteht das höchste Wohl folglich in der harmonischen Anpassung an diese Gebote.“ Die ,Rechte Gottes’ durch die Menschenrechte ersetzen zu wollen kann dem Islam nur widersinnig vorkommen. Der Artikel 29 der Allgemeinen Erklärung von 1948, der einzige übrigens, in dem es um die Pflichten des Individuums gegenüber der Gemeinschaft geht, erscheint in juristischer Hinsicht besonders widersprüchlich und verworren. Der Rechtsphilosoph John Finnis beurteilt ihn als „unklar“ und „vieldeutig“.35 Um welche Gemeinschaft’ handelt es sich eigentlich? Um die Familie, die Nation, die Firma, den Stamm? Die Erklärung hält anscheinend für eine Tatsache (oder für wünschenswert), daß alle Menschen in einer gleichartigen Sozialgruppe leben, die nach westlichem Vorbild rationell und juristisch organisiert ist. Zu den im besagten Artikel erwähnten ,Pflichten’ gehört die Berücksichtigung „der Moral, öffentlichen Ordnung und allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft“. Die Rechte und Pflichten, die mit der wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Unabhängigkeit der Nationalgruppen zusammenhängen, werden dagegen in keiner Weise erwähnt.

Es gilt lediglich das ,demokratisch’-liberal-kapitalistische Modell, das auf dem westlichen Universalismus und dem bürgerlichen Individualismus gründet, in Achtung zu bringen. Was können aber außerhalb jeder kulturellen Norm die Begriffe ,Moral’ und ,öffentliche Ordnung’ überhaupt bedeuten? Letzterer Ausdruck hat nicht einmal die gleiche Bedeutung im Englischen wie im Französischen! Der Versuch, für die gesamte Menschheit die psychischen Normen der allgemeinen Wohlfahrt’ (general welfare) nach dem Hedonismus Benthams zu bestimmen, kann auf juristischer Ebene ebensowenig ernstgenommen werden.

Indem sie das Schwinden der ethisch-kulturellen Eigentümlichkeiten legitimiert, bekräftigt die Ideologie der Menschenrechte die Erhöhung des Lebensniveaus - die jedem ,gebührt’ - als allgemeingültiges Ideal und wesentliches ,Erfolgs’-Kriterium für die einzelnen Staatsformen. In diesem Sinne ist beispielsweise der 1966 geschlossene „Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte“ zu verstehen. Ein solches durchaus antihistorisches Ideal ist nichts anderes, wie Jürgen Habermas es treuherzig formulierte, als eine Perspektive auf Ruhe und Befriedigung im Leben. Es steht aber keineswegs fest, ob diese Aussicht dem Wunsch aller Menschengruppen entspricht oder entsprechen muß. Das Glück hat nämlich nicht nur mit Materiellem zu tun. Es besteht auch in dem zwangsläufig besonderen Schicksal, das sich die Völker verleihen wollen.

Die Ideologie der Menschenrechte kann sich als eine aus dem Westen importierte Lehre nur verheerend auf die Rechts- und Verfassungssysteme der Dritte-Welt-Länder auswirken. In manchen Gesellschaften bedeutet das Auseinandernehmen der Hierarchien nichts anderes, als mühevoll errungene Gleichgewichte zu zerstören. Der Verfall der Gewohnheitsrechte, die Abschaffung jener zum Schutz der Gemeinschaften gedachten Vorrichtungen erweisen sich als ebenso verhängnisvoll. Die Verfasser der Allgemeinen Erklärung von 1948 konnten sich offenbar nicht vorstellen, daß ein persönliches Recht für einen afrikanischen Bauern nicht unbedingt die gleiche Bedeutung hat wie für einen wohlhabenden Bürger aus New-York. ,Das Individuum zu schützen’ bedeutet nicht, daß man ihm überall die Vorrechte zuweist, die im christlichen kanonischen Recht oder im angelsächsischen Jusnaturalismus verankert sind. In den ländlichen Demokratien Südamerikas führt das in ein parlamentarisches Repräsentativsystem mündende Wahlrecht dazu, das Wahlgangstertum zu fördern und das Volk der Tyrannei feudaler Politiker zu unterwerfen. In manchen afrikanischen Gesellschaften kann die »Bewegungsfreiheit’ den Zusammenbruch der traditionellen Strukturen sowie die ,wilde’ Proletarisierung eines nicht unwesentlichen Teils der Bevölkerung hervorrufen usw. „Im Namen der Menschenrechte“, bemerkt Gilles Anquetil, „kann man ohne weiteres und ungeprüft die islamisch geprägte Rechtspflege, das Kastensystem in Indien oder unzählige afrikanische Gesellschaftsriten in den Bereich der Barbarei zurückwerfen, ohne dabei die von solchen gesellschaftlichen Vorschriften übertragenen Werte zu berücksichtigen, die eine authentische Weltordnung organisieren.“36 Wir sind aufgrund der bisherigen Ausführungen nun berechtigt, die Verbreitung der Philosophie der Menschenrechte in den Dritte-Welt-Ländern als ein (wenigstens zum Teil) Phänomen der politisch-juristischen Akkulturation auszulegen sowie als Verzicht auf Normen authentischen Rechts zugunsten abstrakter ‚universaler’ Normen, die im kulturellen Erfahrungsgut der betroffenen Länder auf nichts verweisen. Diese Akkulturation stellt ohne Zweifel eine Form des Neokolonialismus dar, die im unmittelbaren Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht der Völker steht, im Namen dessen sich die Entkolonisierung gerechterweise vollzog.

„Die Ideologie der Menschenrechte“, schreibt Gilles Anquetil ferner, „postuliert in ihrem Universalismus und durchaus kantischen Rigorismus, daß alle Menschen den gleichen Bezug zum Leben und zum Tod haben und daß man ohne Bedenken von den kulturellen und religiösen Traditionen absehen kann, die diesen Bezug bestimmen.“37 Und dennoch, „so schockierend es uns erscheinen mag, müssen wir uns damit abfinden, daß ein afghanischer Untergrundkämpfer nicht nur ausschließlich für den Triumph dessen kämpft, was wir als Menschenrechte bezeichnen. Er kämpft, um eine kulturelle Ordnung zu verteidigen, in der das Verhältnis zum gegebenen oder erhaltenen Tod, die moralischen Werte, die Zeit und das Gesellschaftsprojekt in keiner Weise dem entsprechen, worum die Abendländer kämpfen.“38

Im Dienst des Liberalkapitalismus39

„Der Kern der bürgerlichen Ideologie“, schreibt Louis Althusser, „ist das Paar Ökonomismus-Humanismus. Der Humanismus, wenn er kein bloßes großmütiges Gerede, sondern ein zusammenhängendes und dauerhaftes System ist, hat immer eine Kehrseite: den Ökonomismus.“40 Seinerseits schreibt Edmund Leach: „Der Mensch, dieser Einheitsbegriff von universaler Tragweite, ist in Wirklichkeit ein Unterprodukt des postkartesianischen Versuchs, alles in dieser Welt zu objektivieren, die zwischenmenschlichen Beziehungen als Waren aufzufassen, jede Sache als quantifizierbar, voraussehbar und kausal leicht überschaubar zu betrachten."41

Beide Äußerungen lassen erkennen, welche Hauptfunktion die Ideologie der Menschenrechte übernimmt: nämlich die Legitimation (und zwar auf der höchst unanfechtbaren, sowohl ideologischen, wie auch juristischen und moralischen Ebene) einer auf der Handelstätigkeit und dem bürgerlichen Liberalismus gründenden Gesellschaftsform. Das .Recht auf Glück’, insbesondere auf das wirtschaftliche Glück juristisch zu garantieren, heißt letzten Endes die Moral des make money zu stärken. Die Freiheit, so wie die Ideologie der Menschenrechte sie auffaßt, liefert dem Liberalkapitalismus tatsächlich ein wunderbares Alibi, da sie nun mit einem ,Recht auf das öffentliche Wohl’ in Verbindung gebracht wird, das die Bewegungsfreiheit der Menschen, aber auch der Produkte, die Durchlässigkeit der Grenzen, die Zerbröcklung der kollektiven Identitäten, schließlich die Atomisierung sowie die Verwandlung der Völker in Massen beinhaltet. Diesen Massen, die bloße Additionen von Einzel-,Personen’ darstellen, steht es ,frei’, das ,Glück’ auf dem Weg der materiellen Bereicherung und des Konsums zu finden. In der auf Konsum und Geschäft basierenden ,Freizeitkultur’ ist der Trieb zum ,liberalkapitalistischen Konsum’ nämlich die einzige Form für das - von der Staatsgewalt ,befreite’ - Individuum, sein Recht auf Freiheit’ und auf ,Glück’ geltend zu machen; das einzige, ihm zur Verfügung stehende Mittel, um seine Existenz zu verwirklichen, um seine Persönlichkeit unter Umständen zurückzufinden, die ihm keine organische Gruppe, kein mobilisierendes politisches Projekt, keine Volksangehörigkeit mehr geben können noch dürfen. Die unter ihrem doppelten Aspekt von transnationaler Zivilisation und wirtschaftlichem Makrosystem aufgefaßte liberalkapitalistische Gesellschaft findet demnach ihre Berechtigung in dem Ideal des auffallenden Konsums ( con-spicuous consumption), das ,befreite’ und ,verglückte’ Individuen erzeugt.

In Technik und Gesellschaft als ‚Ideologie’ weist Jürgen Habermas darauf hin, daß die liberalistische Gesellschaft ebenso wie - allerdings etwas später - die sowjetische durch die Erweiterung von „Sub-Systemen zweckrationalen Handelns“ gekennzeichnet ist.

Max Weber weist seinerseits nach, daß in einer solchen Gesellschaft die Kohäsion nicht mehr durch politische Führung erfolgt, sondern durch eine dezentralisierte Selbstregulierung technokratischen Wesens. Der Konsens beruht dann auf der praktischen Einwilligung der Individuen in eine Lebensweise, auf die sie nicht mehr verzichten können; diese Einwilligung geschieht auf der Ebene der Sub-Systeme, und nicht mehr auf allgemeiner Ebene. (Diese integrierenden Sub-Systeme können u. a. der Betrieb, die Berufssphäre, die Vereinstätigkeit, die Welt des Autos, die häusliche Sphäre sein.) Um seine Herrschaft zu behaupten, braucht das System folglich keinen politischen Diskurs und keine nationalen’ mobilisierenden Mythen mehr. Aus dieser Tatsache ergibt sich eine Entpolitisierung und Entnationalisierung der bürgerlichen Gesellschaft - was Max Weber als deren Säkularisierung“ bezeichnete. Die Legitimation der gesamten Gesellschaftsstruktur durch politische Argumentation oder „fraglose Traditionen“ weicht einer Legitimation durch wirtschaftliche Ideologien (wie Louis Dumont es nachwies) oder durch private Ethiken, die eine materielle Lebensauffassung rechtfertigen (und sich selbst an dem mechanistischen und ökonomistischen Aspekt des internationalen zu legitimierenden Systems orientieren). So unterschiedlichen Autoren wie Max Weber, Arnold Gehlen, Helmut Schelsky oder Martin Heidegger zufolge beruht das allgemeine System der liberalkapitalistischen Gesellschaft letzten Endes auf einer Deutung der Wissenschaft und der Technik als Tätigkeiten, die dem Einzelnen zweckrational zu seinem ökonomischen’ Glück verhelfen sollen. Es kommt also darauf an, über eine Theorie zu verfügen, die eine Synthese der beiden Schlüsselbegriffe Glück und Rationalität in höchstem Maße bestätigt. Die Theorie ist die Ideologie der Menschenrechte.

Aus der Sicht ihrer Urheber weist die Ideologie der Menschenrechte mehrere Vorteile auf. In erster Linie besitzt sie ein moralisches Wesen, kraft dessen sie zumeist auch dort annehmbar ist, wo ein rein technokratischer’ Diskurs unter Umständen schlecht angenommen werden würde. „Die Lösung technischer Aufgaben“, schreibt Habermas, „ist auf öffentliche Diskussion nicht angewiesen, öffentliche Diskussionen könnten vielmehr die Randbedingungen des Systems, innerhalb dessen die Aufgaben der Staatstätigkeit als technische sich darstellen, problematisieren.“ Außerdem verdeckt diese Ideologie die Macht- und Bedeutungslosigkeit des politischen Diskurses einer führenden Klasse, die - da sie eine immer mehr durchökonomisierte Gesellschaft ,auf Sicht’ steuert - jeglichen legitimierenden ideologischen Diskurs vom herkömmlichen Typ entbehrt. Mit anderen Worten: In dem Augenblick, da die moderne Zivilisation, die ja auf allen Ebenen ihrer Sub-Systeme - mit Ausnahme der Erfahrungsebene - umstritten ist, keine politische Ideologie zu deren Legitimation findet, vermag nur noch die Lehre der Menschenrechte einen Konsens zu schaffen, und zwar in der (etwas lockeren) Form des kleinsten gemeinsamen ideologischen Nenners.

Daß die Ideologie der Menschenrechte größtenteils als eine amerikanische Ideologie hervortritt, ist unter diesen Bedingungen folgerichtig. Es ist nämlich kein Zufall, wenn die Vereinigten Staaten gleichzeitig die größten Anhänger des liberalkapitalistischen Gesellschaftsmodells sind; und wenn die zentralen Begriffe der liberalistischen Rechtsphilosophie zur Theorie der amerikanischen kapitalistischen Praxis wurde - oder genauer zum legitimierenden Kodex eines Signifikats, das nichts anderes als der Handelsaufschwung der USA ist. Das hauptsächlich biblische Wesen der amerikanischen Ideologie der Anfänge erwies sich in dieser Hinsicht als prädisponierendes Element. „Die dialektische Verwandtschaft des amerikanischen Grundgesetzes mit dem mosaischen Gesetz drängt sich einem beinahe auf“, schreibt Pol Castel. Dem fügt er hinzu: „Es ist kein Zufall, wenn die amerikanische Demokratie so viele Ähnlichkeiten mit der ersten hebräischen Regierung aufweist, denn die Founding Fathers waren mit der biblischen Welt hinlänglich bekannt“ (Le Monde, v. 4. Juni 1979). In Le Monde diplomatique42 bemerkt Cao Huy Thuan seinerseits: „Die Menschenrechte bilden in der amerikanischen Öffentlichkeit das Fundament einer politischen Philosophie, ihr Wesen, ihre Nahrung ... Von John Quincy bis J. F. Kennedy ist der Moralismus ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Politik. Jede Zunahme des amerikanischen Einflusses fällt mit einer Rückkehr der idealistischen Begeisterung zusammen. In keinem anderen Land ist der Moralismus so ausgeprägt wie in den Vereinigten Staaten.“ Die Präsidentschaft Jimmy’ Carters bekräftigte dies bekanntlich aufs beste. Die 1776 in Philadelphia unterzeichnete Unabhängigkeitserklärung von Amerika postuliert: „Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören’ daß zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt werden.“ Es ist wahrlich schwierig, in so wenig Sätzen soviel Unsinn auszusprechen. Daß „alle Menschen gleich geschaffen sind“, stimmt nicht - und die Überlegung, ob es gut ist, daß sie es werden, kann nur subjektiv sein: Nur der Mensch ist wirklich Schöpfer, und er kann nicht von ,Natur aus’ mit irgendeinem Recht oder irgendeiner Pflicht ausgestattet worden sein. Die Regierungen wurden nicht nur eingesetzt, um die persönlichen Rechte zu sichern; sie setzten sich vielmehr selbst ein, um verschiedenen Verpflichtungen nachzukommen, allen voran der Pflicht, den Völkern ein Schicksal zu verleihen. Was die „selbstverständlichen Wahrheiten“ betrifft, sind sie ebenso wenig wirklich und „selbstverständlich“ wie die goldenen Berge oder die sechsfüßigen Einhörner. Aber die ganze Ideologie der Menschenrechte , keimt’ bereits in diesen Behauptungen.

Es sei in diesem Zusammenhang festgestellt, daß die im Schöße der Französischen Revolution von 1789 entstandene Philosophie der Menschenrechte — eine rousseauistische, wenig ökonomistische und mehr politische Philosophie - von der amerikanischen stark abweicht. Sie ist weniger individualistisch, weniger universalistisch und drückt nicht gleich ein und denselben Wunsch nach einem Abschluß der Geschichte aus. Neben ihrer Theorie über den ,Menschen an sich’ weist sie dem positiven Begriff des Staatsbürgers eine große Bedeutung zu. Vielleicht deshalb berufen sich die bedeutendsten Theoretiker der Menschenrechte heute eher auf die amerikanische als auf die Französische Revolution. Hannah Arendt zum Beispiel, deren Lebensweg sie in die Nähe des Marxismus brachte und die schließlich die amerikanische Auffassung der Menschenrechte43 verteidigte, lehnt die Praxis der französischen Revolution entschieden ab. Freiheit mit revolutionärer Gewalt zu sichern, ist für sie unannehmbar. Die Freiheit muß auf einem ununterbrochenen Gesellschaftsprozeß gegründet sein. Dadurch daß sie sich von vornherein Lockes Bourgeoisismus und Benthams Utilitarismus (u.a. Ablehnung der historisch gründenden Revolutionen; Wille, die Menschenrechte auf „eine spontane gesellschaftliche Organisation“ und nicht auf einen politischen Bruch zu gründen) anschließt, verwirft H. Arendt den polemischen Begriff der Gesellschaftsklasse; und das führt sie dazu, das Problem der wirtschaftlichen Beherrschung und der sozialen Entfremdung nahezu völlig zu vertuschen. „In den Vereinigten Staaten von 1776“, schreibt sie, „behielt der Begriff ,Volk’ (people) die Bedeutung der Vielzahl, deutete die unendliche Mannigfaltigkeit einer Vielheit an, deren Größe in ihrer Pluralität bestand.“ Diese Andeutung ist ebenfalls aufschlußreich. Die ,Vielheit’ ist nichts anderes als die heterogene und individualisierte’ Menge, wo jedem frei steht, ,glücklich zu sein’ und wo der ideale gesellschaftliche Raum der konsumierenden Kundschaft entsteht, auf die der Liberalkapitalismus angewiesen ist. Hannah Arendt wird somit dazu gebracht, aus der Ideologie der Menschenrechte das Instrument einer Klassenkollaboration zu machen, und bekräftigt gleichzeitig das Interesse, das die amerikanischen Wirtschaftskreise dieser Philosophie entgegenbringen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Marxist Jürgen Habermas, dem wir immerhin eine interessante Kritik des bürgerlichen Rechtswesens und des Humanitarismus der individuellen Rechte verdanken, einen ähnlichen Standpunkt wie Hannah Arendt einnimmt. Ebenso wie sie hält er der Französischen Revolution ihre ,Heftigkeit’ und ihre griechischen Gedanken’ vor. Ebenso wie sie vertritt er die Ansicht, daß gerade aufgrund der ,sozialen Frage’, die den ursprünglichen USA fremd war - die Revolutionäre von 1789 gezwungen waren, über den Menschenrechten eine politische Souveränität wiedereinzuführen, die er an sich als ein Übel betrachtet.

Die Verwirklichung der weltbürgerlichen Ideologie der Menschenrechte führt nämlich zu einer Einschränkung der politischen Souveränität der nationalen Staaten. Mit Bezug auf Montesquieu befürwortete Jean-Marie Benoist noch vor kurzem eine Art „Richterregierung“ für Europa.44 Nationale oberste Gerichtshöfe, die einem europäischen obersten Gerichtshof unterstünden, müßten auf alle Hemmnisse aufmerksam machen, mit denen die Regierungen den vollen Genuß der Menschenrechte erschweren könnten. Solche auf dem zweideutigen Prinzip der ,Gewaltenteilung’ gründenden Auffassungen könnten nur zur Einsetzung eines Obersten Weltgerichtshofes führen - eines ungeheuren, gegen die nationalen Mächte und Regierungen und besonders gegen diejenigen gerichteteten Gleichschaltungsapparat, die sich von den beiden amerikanischen und russischen Supermächten am meisten selbständig gemacht haben.

Der Vorrang der individuellen Rechte vor den nationalen Souveränitätsrechten ruft gegenwärtig eine gefährliche Erscheinung hervor: die Ablösung der politischexekutiven Kategorie durch die juristische. Indem sie im Namen einer moralischen ,Weltinstanz’ die Macht der nationalen Staaten einschränkt, zielt die Ideologie der Menschenrechte darauf ab, das Politische um seine Vorrechte zu bringen und es einer höheren juristischen Entscheidungsinstanz zu unterwerfen. Daß das Politische und sein Wesen den zersetzenden Praktiken eines metaphysischen, abstrakten Rechtswesens untergeordnet wird, führt zur Diktatur der Juristen über die Regierenden. Diese Unterordnung schließt die Absetzung der Staatsräson in sich; sie bekräftigt den Untergang des Politischen. Der eigentliche Begriff der ,menschlichen Person’, auf den die Ideologie der Menschenrechte so großen Wert legt, ist ein juristischer: das Recht ist die natürliche’ Quelle einer Theorie der Person, die das Individuum in erster Linie als Besitzer von Rechten kennzeichnet. Schon in frühgeschichtlicher Zeit versuchte man in dem einen oder anderen Fall durch Einsetzung einer Nomokratie zu verhindern, daß die politische Macht sich für ,allmächtig’ erklärt und mit ,Gott wetteifert’. Moses war der erste, der die Trennung zwischen dem Politischen und dem Richterlichen sowie die Unterordnung des ersten unter das zweite befürwortete. In Kanaan ist der Richter oberster Führer in Friedensund Chef der Exekutive in Kriegszeiten. Die Regierungsmacht müßte demnach dem Gesetz untergeordnet sein und das Gesetz müßte das Abbild von Jahwes Gesetz sein. Dieses Thema wird heutzutage nach allen Seiten ausgebeutet. Das Recht drückt dann, wie Nietzsche es treffend darlegte, nichts anderes als einen ,Willen zur Macht’ aus: es dient dazu, die politisch-exekutive Souveränität zugunsten derjenigen Macht zu vernichten, die sich ihrer zu bemächtigen versucht. Zur Zeit des Augustinus und Gregors VII. hatte schon die Kirche die christliche Theorie der Menschenrechte dazu benutzt, sich von der politisch-exekutiven Macht zu emanzipieren. Die im 18. Jahrhundert auf ideologischer Ebene erneut aufgetretene Unterordnung des Politischexekutiven - gegenüber dem Juristischen - nahm im vorigen Jahrhundert mit dem Konstitutionalismus zu. Die politische Tätigkeit wurde immer auf die gesetzgebende reduziert; jeder politische Konflikt unterstand dem gerichtlichen Beschluß usw. Diese Entwicklung führte zum heutigen sogenannten Rechtsstaat. „Nicht nur, daß das gesamte Recht mit dem Gesetz völlig übereinstimmt; das Gesetz gilt außerdem als politische Tätigkeit bzw. als politisches Tätigkeitsfeld.“45 Die Verrechtlichung des internationalen Menschenrechtsschutzes wurde mit der Gründung des unheilvollen Völkerbundes (1919) konkretisiert, der 1945 von der Organisation der Vereinten Nationen abgelöst wurde. Die Rechtstheorie, an die sich die Ideologie der Menschenrechte anschließt, ist selbstverständlich die ,Naturrechtstheorie’. Wir legten bereits dar, weshalb wir diese Theorie als irrig betrachten. Wir sind nämlich der Überzeugung, daß es keinen extrinsischen (außen liegenden) Rechtsdeterminismus gibt, keine rechtliche Verbindlichkeit, die sich aus einer dem Menschen fremden Ordnung ergibt. Die vom Recht gegründete Ordnung ist ursprünglich immer eine gewollte und konventionelle; sie wird durch stillschweigende oder ausdrückliche Übereinkunft eingesetzt. Sie ist also beliebig veränderbar und modifizierbar, je nach dem Willen und den Wahlentscheidungen der Menschen. Das Recht ist im eigentlichen Sinne etwas Künstliches; und hierin ist es rein menschlich. Demnach kann von Rechtsgültigkeit nur innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft die Rede sein. „Das Gesetz im juristischen Sinne ist nicht universal“, unterstreicht Julien Freund. „Es gilt räumlich und zeitlich nur innerhalb der territorialen Grenzen der politischen Autorität, die den unmittelbaren Zwang ausüben kann. Seine Gültigkeit ist auf eine politische Einheit beschränkt.“46 Außerdem bezweckt das Recht nicht etwa die ,Gerechtigkeit an sich’, sondern die konkrete Rechtlichkeit in einer Reihe von bestimmten Fällen. „So wie das Recht Vermittlung ist und die Verhältnisse zu den anderen bestimmt, so stellt die Rechtlichkeit keine Gerechtigkeit an sich dar, sondern eine Haltung, die die Freiheit und die Interessen eines jeden achtet.“47 Wir geraten deshalb nicht in den juristischen Positivismus, dem zufolge das Recht einzig das Ergebnis des Willens ist, der es gründet. Das hieße letztlich die Ansicht vertreten, daß alles, was eine konstituierte Behörde entscheidet, gerecht ist; das Recht würde nicht mehr die (zur Ordnung beitragende) Rechtlichkeit bezwecken, sondern lediglich die Ordnung. Das hieße ebenfalls, auf andere Art in die Vormachtstellung des Gesetzes zurückfallen, über das bereits Piatons Hippias aussagte, es könne zum „Tyrannen des Menschen“ werden (Protagoras). Das Recht enthält auch eine Wertkomponente: ein Gesetz muß, um gerecht zu sein, den spezifischen Werten der Kultur oder des Volkes entsprechen, in dem und für das es geschaffen wurde.

Von daher ist es offensichtlich, daß die Destrukturierung der politischen Macht den Zusammensturz des Rechts insofern hervorruft, als dieses nicht mehr anwendbar ist. Das Recht hat nämlich kein ureigenes Wesen. Tritt es einmal zutage, so gibt es Anlaß zu einer autonomen Tätigkeit, deren spezifisches Mittel das Prozeßverfahren ist, aber es vermag nicht, sich selbständig zu konstituieren. „Das Recht hat nur dann einen Sinn, wenn ein politischer Wille die Gesellschaft in Kenntnis setzt, daß sie sich konstituiert, sich eine Regierungsform verleiht, das heißt ihre Ordnung bestimmt.“48 Deshalb kann das Gesetz als Instrument der Ordnung diese nicht aus sich heraus stiften oder sie allein aufrechterhalten. „Gesetze bestehen nur dort, wo es eine gegründete Republik gibt“, schrieb Hobbes. Das liegt daran, daß der zur Verwirklichung der Gesetze notwendige Zwang dem Recht nicht innewohnen kann; er wird ihm von außen beigefügt. Das an sich normende und vorschreibende Recht besitzt weder die Mittel noch die Macht, das, was es verordnet, aufzuzwingen oder einhalten zu lassen. Das bedeutet aber nicht, daß das Politische das Vollstreckungsmittel des Rechts ist. Das heißt vielmehr, daß sich das Politische das Recht gefügig macht, sofern nur jenes dieses verbürgern kann. So wird jener alte Gegensatz von Macht und Gesetz gelöst. Die politische Macht darf nicht an die Stelle des Rechts treten: es wäre die Willkür. Oder auch das Recht darf nicht die politische Macht ersetzen: es wäre die Ohnmacht. „In einem Rechtsstaat, wo ausschließlich das Gesetz regieren würde“, schreibt ferner Julien Freund, „wäre das Recht machtlos und die Politik gelähmt.“49

Auch die von den Verfechtern der Menschenrechtsideologie häufig vertretene Auffassung, wonach das Recht die Macht ausschließe, wonach der Rechtsstaat den Frieden sichere (da der Rückgriff auf das Gesetz genüge, den Konflikt auszuschließen) ist reine Absurdität: die Konflikte rühren nämlich aus der Unterschiedlichkeit von Kräften, die das Recht nur dann zügeln kann, wenn es sich selbst auf eine Macht stützt. Deshalb ist „Friede eine in erster Linie politische Sache, keine juristische. Erst wenn das Politische es vermag, die Gewalt sowohl innen als auch außen zunichte zu machen, kann es Lösungen auf dem rechtlichen Weg erzwingen“.50 Der tatsächliche Schutz der Freiheiten kann nur dann erfolgreich sein, wenn er auf politischer Ebene vorgenommen wird. Die Sicherung der Freiheiten setzt ein Kräfteverhältnis voraus, das für denjenigen, der sie schützen will, vorteilhaft ist. Ganz anders verhält es sich natürlich mit der Ideologie der Menschenrechte, die sich von vornherein auf der moralisch-juristischen Ebene definiert, die das Recht dazu führt, seine eigene Sphäre auf Kosten des Politischen zu verlassen. Je mehr sich das Recht aber ausdehnt, umso mehr verdünnt es sich. Je mehr vom Recht ,die Rede’ ist, umso mehr sieht es seine Macht dahinschwinden. Für die Menschen wie für die Nationen sind begrenzte, genau beschriebene und gekennzeichnete Kochte besser als ein anspruchsvolles, egalitäres, ‚universales Recht’, Im dessen Anwendung keine Einschränkung, keine historische Tradition bürgen. Das Recht, das einem Menschen nur deshalb zugesprochen wird, „weil er ein Mensch ist“, ist nichtig; wird dieses Recht nicht unerkannt, und schon kann keiner den Vorteil davon genießen. Nur diejenigen Rechte, die von einer politischen Macht geschützt werden oder die zu schützen sich eine politische Macht entschließt, können effektiv anerkannt und verwirklicht werden.

Schon ein kurzer Blick auf die jüngste Vergangenheit zeigt, daß sich die Ideologie der Menschenrechte beim Schütze der konkreten Freiheiten als völlig wirkungslos erwies. Sie ist freilich bestens darauf eingestellt, die westlichen Länder, in denen sie ins Leben trat, zu destrukturieren; es gelang ihr aber andererseits nicht, z. B. mehr reale Freiheit in den Ländern einzuführen, die unter sowjetischer Herrschaft stehen. Kurz nach dem russischen Einfall in Afghanistan sabotierte sie 1980 die Olympischen Spiele von Moskau im Namen des ,Weltgewissens’ und zur ,Sanktion’: sie trug letzten Endes nur dazu bei, den olympischen Geist zu vernichten.51 In einzelnen Fällen konnten die Verfechter der Menschenrechte die Medien auf das Schicksal des einen oder anderen ,Dissidenten’ aufmerksam machen. Diese Proteste halfen dennoch nichts (außer wenn die UdSSR es für politisch einträglich hielt, ,eine Geste zu machen’).

Während Carters vierjähriger Präsidentschaft machten die USA den Schutz der Menschenrechte zum Dreh- und Angelpunkt ihrer .Außenpolitik’. In einer seiner vertraulichen Mitteilungen, auf die er sich ausgezeichnet verstand, gab Carter sogar zu erkennen, daß „der amerikanische leadership auf diesem Gebiet dazu beitragen würde, das moralische Prestige der Vereinigten Staaten, das während des Vietnam-Kriegs stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, wiederherzustellen.“52 In der Folge gestartete Initiativen führten allerdings, in der Hauptsache, zur allseitigen Begünstigung der strategischen Interessen Rußlands.

Die Sowjetunion erkennt durchaus die Menschenrechte an. Mehrere Artikel ihrer neuen Verfassung nehmen ausdrücklich Bezug auf sie. Auch in Frankreich trug die Kommunistische Partei Anfang 1980 kein Bedenken, eine Kommission zum Schutz der Freiheiten und der Menschenrechte zu gründen. Ihr Vorsitzender, Georges Marchais, erklärte: „Der Kampf für die Menschenrechte ist für uns eine natürliche Sache, eine Selbstverständlichkeit.“53

Hierbei handelt es sich allerdings nicht um die gleichen Rechte und vor allem nicht um den gleichen Menschen. So durften wir perplex zusehen, wie das westliche Lager echte strategische Zugeständnisse gegen einfache Absichtserklärungen (siehe die Gespräche über die Begrenzung der strategischen Rüstung SALT II) tauschte oder wie es auf der Konferenz von Helsinki die Teilung Deutschlands und die aus Jalta hervorgegangene Spaltung Europas, d. h. den Freiheitsentzug in den osteuropäischen Ländern billigte - gegen mündliche Versprechungen, die nie gehalten wurden. Am 17. März 1977 erklärte Jimmy’ Carter vor der UNO: „Die grundlegende Neu-Orientierung der Weltpolitik auf menschlicher Ebene schließt eine weltweite Forderung nach Einhaltung der Menschengrundrechte in sich. Die USA sind aufgrund der historischen Entwicklung, die ihr Entstehen lenkte, berechtigt, an diesem Prozeß teilzuhaben ... Das amerikanische Volk hat sich unwiderruflich dazu verpflichtet, für die Verwirklichung dieser Ideale zu sorgen.“ Wir konnten mittlerweile wahrnehmen, wohin diese Verwirklichung’ führte.

In seinem Lettre aux giscardo-gaullistes sur une certaine idée de la France (1980) verurteilt Alain Griotteray mit großer Sachlichkeit jene „seltsame Verwirrung des Volkes, die Politik auf Mildtätigkeit beschränken möchte.“54 „Unser Land“, schreibt er, „mußte für seine Leichtgläubigkeit schwer büßen. Davon ist es heute abgekommen und hütet sich zu Recht vor jeder Politik mit universalistischen und moralisierenden Bestrebungen.“55

Das gute Gewissen des Humanitarismus beklagt arglos, daß „die Menschenrechte seit ihrer juristischen Verankerung in höherem Maße verunglimpft werden.“ Wir möchten aber darauf hinweisen, daß die konkreten Freiheiten eines jeden Volkes zwangsläufig von dem Augenblick an zurücktreten mußten, da man sie durch ein ,universales Recht’ und eine abstrakte ,Freiheit’ zu ersetzen versuchte, die viel leichter zu verletzen waren. Indem die Ideologie der Menschenrechte so unklare Begriffe wie das ,Gemeinwohl’, die ,Demokratie\ das ,Sanitätswesen’ oder die ,Moralität’ als Prinzipien aufstellt, verhilft sie den tyrannischen Regierungen dazu, alle Hemmnisse zu überwinden, die die Gewohnheits- und Lokalrechte für sie darstell(t)en. Die neue chinesische Verfassung, die das ,Recht der freien Meinungsäußerung’ und des ,freien Schriftverkehrs’ garantiert, konnte beispielsweise das (konkrete) Recht zum Anschlagen der dazibaos dadurch aufheben, daß sie sich auf die Theorie der Menschenrechte stützte.

Einige schwarzafrikanische Staaten der nachkolonialen Zeit, die die Allgemeine Erklärung von 1948 unterzeichnet hatten, verzichteten gleichzeitig auf ihr herkömmliches Gewohnheitsrecht - da sie es viel lieber hatten, nur noch an drei Seiten eines philosophischen und moralisierenden Diskurses gebunden zu sein. Und wir sprechen hier lediglich von den politischen Freiheiten des klassischen Typs: den sprachlichen, kulturellen u. a. Freiheiten ist die Ideologie der Menschenrechte bekanntlich völlig gleichgültig, wenn nicht feindlich gesinnt. Daß die juristischen Begriffe des angelsächsischen biblischen Demokratismus weltweit übernommen werden, erweist sich nicht nur als völlig fruchtlos für die Besserung der Verhältnisse; diese Entwicklung kennzeichnet unseres Erachtens auch einen eindeutigen Verfall des Rechts, der übrigens auch mit dem Rückgang des Politischen zusammenhängt. Da das Recht allmählich aufhört, praxisbezogen zu sein, an Bräuche oder an überlieferte und vererbte Rechtssprechungen gebunden zu sein, wird es moralisch und ideologisch. Zum Thema wissenschaftlicher Abhandlungen umgewandelt, der Unaufgeklärtheit von Journalisten und Meinungsmachern zur Speisung gegeben, erweist es sich als völlig unfähig, seiner Aufgabe in aller Form gerecht zu werden. Damit die Völker und die Sozialgruppen sich von der wirtschaftlichen Herrschaft und der — auf die liberalkapitalistische Gesellschaftsform zurückgehende - soziokulturelle Entfremdung freimachen, müssen sie eine antiindividualistische Ideologie und Strategie übernehmen, wo die Widerstandsräume möglichst von einem Befreiungswillen beherrscht sowie strukturiert werden, der nur souverän und politisch sein kann. Zu einer entgegengesetzten Haltung drängt leider die Ideologie der Menschenrechte, deren pseudo-befreiender Diskurs sich letzten Endes für das gesamte System verbürgt, indem er dieses anscheinend nur punktuell, auf der oberflächlichen unwesentlichen Ebene der formalen Semiologie anficht.

Rückkehr zum bürgerlichen Humanitarismus

Die Ideologie der Menschenrechte bildet heute den Sammelpunkt aller egalitären, sowohl religiösen wie auch weltlichen Strömungen nicht nur, weil die jetzige ,egalitäre Zivilisation’ eine theoretische Legitimation im höchsten Grad braucht, sondern auch weil das Thema der Menschenrechte sozusagen eine gemeinsame Entwicklungsschicht innerhalb ihres Diskurses ausmacht. Liberale und Rationalisten französischer oder angelsächsischer Tradition, gemäßigte Sozialisten, Kantianer, Marxisten, Anhänger der christlich-sozialen Bewegung, ja sogar traditionalistische Christen, alle erlebten irgendwann im Verlauf ihrer ideologischen Geschichte’’ den rationalen Idealismus der Menschenrechte. Und aus diesem Grunde eignet sich dieses Thema besonders dazu, sie ökumenisch zusammenzubringen, zu einem Zeitpunkt, wo sie es am meisten nötig haben.

Nur die Ideologie der Menschenrechte war nämlich in der Lage, auf einer breiten Rückzugstellung eine westliche Intelligenzija neu zu gruppieren, die seit etwa zehn Jahren durch das Abbröckeln ihres theoretischen Diskurses sowie den wiederholten Zusammenbruch ihrer politischen und gesellschaftlichen Modelle völlig ratlos geworden war. Daß heute Marxisten und revolutionäre Sozialisten, deren Lehrgebäude einst den „kleinbürgerlichen Idealismus“ (Lenin) und den „Formalismus“ zu überwinden begehrte, erneut zum Schutz der Menschenrechte ansetzen, zeugt von einem unbestreitbaren theoretischen Rückzug des egalitären Denkens. Dieser Rückzug, dieser ideologische Widerruf fällt mit der Entwicklung des Egalitarismus, von einer dialektischen Phase zu einer soziologischen, zusammen. Die im 18. Jahrhundert eingeleitete dialektische Phase zeichnete sich durch intellektuelle Findigkeit aus: die Formulierung der Ideen ging ihrer politischen und gesellschaftlichen Umsetzung voraus. In der soziologischen Phase läuft die massive Verbreitung der egalitären Lebensformen sowie der Triumph des bürgerlichen Typus parallel zum Rückgang der revolutionären ideologischen Formulierungen und zum erneuten Aufkommen einer pseudo-humanitären Sensibilität: dann steuert das soziale Geschehen die Ideen, und nicht umgekehrt. Die egalitäre Ideologie hört damit auf, erfinderisch zu sein. Sie beschränkt sich auf ,bescheidene’ Formeln. Sie zielt auf Homogenisierung und Vermassung hin. Die Ideologie der Menschenrechte, als Diskurs eines Weltbürgertums und Sinn dieses Projekts, bildet die Axialform dieser ,Vermassung’ der Ideen.

Die intellektuellen Flugbahnen einiger französischer Ex-Marxisten oder Ex-Gauchisten - ob es sich um die Gruppe ,Dire’ an der Universität Vincennes handelt oder um die früheren Situationisten, um Henri Lcfebvre und Roger Garaudy, um B.-H. Levy und Andre Glucksmann, ja sogar um Maurice Clavel und Jean-Paul Sartre - verdeutlichen diese ,heilige Allianz’, die sich um die Ideologie der Menschenrechte abzeichnet (und die vor nicht allzu langer Zeit jene .antibürgerlichen’ Gurus der sechziger Jahre recht erheitert hätte).

Auf Seiten der Christen ist die Entwicklung besonders bemerkbar. Vor allem das katholische Christentum bekämpfte lange Zeit die Philosophie der Menschenrechte - zu deren Gründung es dennoch in hohem Maße beigetragen hatte - als diese Philosophie dazu überging, das ,Naturrecht’ nicht mehr auf einer geoffenbarten Moral, sondern auf westlichen Prinzipien zu gründen. Heute aber muß das - einen Teil der Vergangenheit übersehende - Christentum sich nicht verweltlichen, um im I vangclium eine zivile Moral zu finden, die auf dem ,Naturrecht’ und auf dem Vorrang des Individuums gründet. Pater Michel Lelong durfte vor wenigen Jahren sogar schreiben, daß die Einwilligung in die Philosophie der Menschenrechte ein wichtigeres Kriterium zur Beurteilung der einzelnen Lehrgebäude darstelle als die Haltung zum Apostolischen Glaubensbekenntnis. Die unter der Schirmherrschaft des Abbé IVirc und Vladimir Jankélévitch stehende Vereinigung ,Droits de l’homme et solidarité’ äußerte unlängst den Wunsch, unter diesem Moto Katholiken und Freimaurer zusammenzubringen. Was Papst Johannes Paul II., den würdigen Fortsetzer des Verhaltens von Papst Paul VI., betrifft, tritt er auf seinen Reisen ebenfalls immer wieder für die Menschenrechte’ ein.56

In der strengmarxistischen Tradition, die zwischen ,formalen’ (bürgerlichen) Freiheiten und ,realen’ (sozialistischen) Freiheiten unterschied, wurde die Ideologie der Menschenrechte noch vor einiger Zeit verworfen, weil sie einer historisch überholten Phase entspreche. Im Manifest der Kommunistischen Partei (1848) sprach Marx seinen berühmten Fluch aus: „Aber streitet nicht mit uns, indem ihr an euren bürgerlichen Vorstellungen von Freiheit, Bildung, Recht usw. die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums meßt. Eure Ideen selbst sind Erzeugnisse der bürgerlichen Produktions- und Eigentumsverhältnisse, wie euer Recht nur der zum Gesetz erhobene Wille eurer Klasse ist.“ Unter den heutigen, mehr auf humanistischen Anstand bedachten Marxisten sind es immer weniger, die auch das bürgerliche Recht als Diskurs wirtschaftlicher Legitimation verwerfen - obwohl diese Verwerfung einen der interessantesten Aspekte der marxistischen Analyse darstellt. Man könnte diese Analyse übrigens wiederaufnehmen und dabei nachweisen, daß sich die Legitimation weniger auf eine Klasse bezieht als auf eine Funktion: auf die ökonomische und kaufmännische Funktion. Die Kritik am bürgerlichen humanitären Recht’ ziemt sich heute nicht mehr, seitdem die Revolution in Verdacht gekommen ist, sich dem ,Glück’ zu widersetzen.

Der Verzicht auf den Antihumanismus geht nicht auf die Stimmungen eines R. Garaudy zurück. In Wirklichkeit läutete die Frankfurter Schule schon vor dem Krieg die enttäuschte und schmerzvolle Rückkehr zur Ideologie der Menschenrechte ein, der sich ein großer Teil der heutigen Linksintelligenzija mittlerweile angeschlossen hat. Ernst Bloch war einer der ersten, die die Rückkehr zur Bibel und den Verzicht auf jegliche revolutionäre Perspektive priesen. Dann folgte Erich Fromm. Was Max Horkheimer, einen der hervorragendsten Vertreter dieser Bewegung, betrifft, ist seine Entwicklung besonders aufschlußreich. Im Jahre 1933 ist er noch orthodox, wenn er in Materialismus und Moral schreibt: „Der Aufruf zur Moral ist machtloser denn je, aber es bedarf seiner auch nicht. Im Unterschied zum idealistischen Glauben an den ,Ruf des Gewissens’ als entscheidende Kraft in der Geschichte ist diese Hoffnung dem materialistischen Denken fremd.“ 1970 äußert er aber in Kritische Theorie gestern und heute: „So ist es gekommen, daß unsere neuere Kritische Theorie nicht mehr für die Revolution eingetreten ist... In den Ländern des Westens würde die Revolution wieder zu einem neuen Terrorismus, zu einem neuen furchtbaren Zustand führen. Es gilt vielmehr, dasjenige, was positiv zu bewerten ist, wie zum Beispiel die Autonomie der einzelnen Person ... zu bewahren, ohne den Fortschritt aufzuhalten ... Vielmehr sollen wir etwa das, was man einmal Liberalismus nannte, erhalten.“

Vor kurzem bemerkte Noam Chomsky zu Recht, daß „Carters Politik der Menschenrechte nur einen Bruchteil jenes riesigen Unternehmens ausmacht, das in den sechziger Jahren zusammengebrochene ideologische System in seiner Gesamtheit zu restrukturieren“57. Diese „Restrukturierung“ ist wie bereits gezeigt, eine Rückzugsstellung. Die Ideologie der Menschenrechte bildet nunmehr den Treffpunkt all derjenigen, die der Egalitarismus enttäuschte; den Ort, wo sie zugleich ihre Irrfahrten gestehen, ihre Pleiten zugeben, ihre Grundbestrebungen beibehalten und nach wie vor ein gutes Gewissen haben können. Sie ist der ideologische Raum, in den alle gegenwärtigen Universalismen, alle der monotheistischen Mentalität entsprungenen Systeme hineinfließen werden. Sie ist die Religion des ausgehenden 20. Jahrhunderts.


Anmerkungen

1 Berichtet in / diritti dell’ uomo, 1960, S. 12.
2 Edmund Leach, L’Unite de l’homme et autres essais, 1960, S. 364.
3 Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, 1971.
4 Blandine Barret-Kriegel, L’Etat et les esclaves, 1979, S. 55.
5 Josy Eisenberg; Armand Abecassis, A Bible ouverte, 1978, S. 110.
6 Ebd., S. 112f.
7 Joseph de Maistre, Considérations sur la France, 1791, Kap. VI.
8 Edmund Leach, L’Unite de l’homme et autres essais, aaO., S. 365.
9 Henri Ahrens, Coursde droit naturel ou de philosophie du droit, 1859, Bd. 2, S. 17.
10 Ebd.
11 Julius Evola, Les hommes au milieu des ruines, 1972, S. 45f.
12 Henri Ahrens, Cours de droit naturel ou de philosophie du droit, aaO.
13 A. Gramsci, The Modern Prince and Other Writings, 1957.
14 AaO., S. 115.
15 Edmund Leach, aaO., S. 383.
16 Ebd.
17 Gihislaine Rene Cassin, in L’Action gaulliste, v. 30. April 1980.
18 Max Weber, Rechtssoziologie, 1960, S. 266.
19 I .ouis Pauwels, La religion des droits de l’homme, in Le Figaro Magazine,
v. 6. September 1980.
20 Raymond Ruyer, Le sceptique résolu, 1979, S. 303.
21 Ghislaine René Cassin, aaO.
22 Auguste Cochin, La Revolution et la Libre-Pensée, 1979.
23 Ebd.
24 Hlandine Barret-Kriegel, aaO., S. 67.
25 Julius Evola, aaO.
26 Julien Freund, L’Essence du politique, 1965, S. 315f.
27 Ebd., S. 314f.
28 Rudolf G. Binding, Von Freiheit und Vaterland.
29 Montesquieu, Der Geist der Gesetze, 17, 5.
30 Blandine Barret-Kriegel, aaO., S. 59.
31 Edmund Leach, aaO., S. 365.
32 Ebd., S. 382.
33 Ebd., S. 388.
34 Marcel Boisard, France-Pays arabes, Januar 1980.
35 John Finnis, Natural Law and Natural Right, 1980.
36 Gilles Anquetil in Les Nouvelles litteraires, v. 6. März 1980.
37 Ebd.
38 Ebd.
39 (d. Ü.) Der Begriff ‚Liberalkapitalismus’ hat mit Toleranz und Freiheit nichts zu tun. Der ‚Liberalismus’ bezieht sich vielmehr auf das Hin und Her, auf den freien Austausch der produzierten Güter zur ausschließlichen Steigerung des Marktwerts — weil der Liberalismus sich bekanntlich auf die Überzeugung stützt, daß das Glück des Menschen vom Umfang seiner materiellen Güter begrenzt sei.
40 Louis Althusser, Was ist revolutionärer Marxismus; eine Kontroverse mit John Lewis über Grundfragen marxistischer Theorie, 1973.
41 Edmund Leach, aaO., S. 388.
42 November 1980.
43 Vgl. u. a. folgende Werke von Hannah Arendt:, Über die Revolution, 1965; Macht und Gewalt, 1971; Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 1955; Vom Leben des Geistes, 1979; über sie: Margaret Canovan, The Political Thought of Hannah Arendt, 1974, und Albert Reif (Hrsg.), Hannah Arendt. Materialien zu ihrem Werk, 1979.
44 Jean-Marie Benoist, Revenir à Montesquieu, in Le Monde, v. 4. März 1980.
45 Julien Freund, aaO., S. 242.
46 Julien Freund, Le droh d’aujourd’hui, 1972, S. 7.
47 Ebd., S. 92.
48 Ebd., S. 88.
49 Ebd., S. 10.
50 Ebd., S. 10.
51 Wir haben uns entschieden gegen den Boykott der Olympischen Spiele erklärt. Es ist übrigens bemerkenswert, daß auch bei den Verfechtern der Menschenrechte keine Einmütigkeit über das Boykottieren herrschte. Valery Prokhorov und Michel Slavinsky, Leiter der Association pour l’Union soviétique libre, äußerten beispielsweise die Überzeugung: „Im Interesse der Menschenrechte, im Interesse des sowjetischen Volkes hätten wir freilich an den Moskauer Spielen teilnehmen müssen“ (Le Quotidien de Paris, v. 21. Juni 1980).
52 The Department of State Bulletin, 13. Juni 1977.
53 Vgl. ebenfalls Francis Wurtz, Les droits de l’homme, parlonsen! in Cahiers du communisme, Oktober 1980.
54 Alain Griotteray, Lettre aux giscardo-gaullistes sur une certaine idée de la France, 1980,71.
55 Ebd., S. 68.
56 In der Ansprache, die er am 22. März 1979 im internationalen Institut für Menschenrechte hielt, stellte Papst Johannes Paul II. Pius XII. als den modernen Bahnbrecher der Ideologie der Menschenrechte hin. Am 6. Oktober desselben Jahres beschrieb er vor der Organisation der amerikanischen Staaten die UNO als „die oberste Tribüne des Friedens und der Gerechtigkeit“. Er beteuerte ebenfalls: „Wenn gewisse Ideologien bzw. Auslegungen des legitimen Strebens nach nationaler Sicherheit dazu führten, den Menschen samt seiner Rechte und Würde ins staatliche Joch zu spannen, so würden sie gleichermaßen aufhören, menschlich zu sein.“(sic!) Anläßlich seiner Frankreich-Reise erklärte Papst Johannes Paul II. vor der UNESCO: „Die Beachtung der unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person ist grundlegend ... Man muß den Menschen nur um des Menschen willen behaupten, und nicht aus irgendeinem anderen Grund heraus.“ Diese Gedanken werden ebenfalls in der Enzyklika Redemptor hominis (März 1979), besonders im 2. Teil, entwickelt.
57 Noam Chomsky, in Le Monde, v. 22. März 1980.

Menschenrechte, die man in Afrika nicht haben will!


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